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Nach Antisemitismus-Vorwürfen haben sich Hunderte Menschen vor dem "Westin Hotel" Leipzig versammelt, um Solidarität mit dem Musiker Gil Ofarim zu zeigen.

© Dirk Knofe/dpa

Update

„Packen Sie Ihren Stern ein“: Mitarbeiter von Leipziger Hotel nach Antisemitismus-Vorfall beurlaubt

Der Sänger Gil Ofarim berichtete, in einem Hotel in Leipzig Opfer von Antisemitismus geworden zu sein. Nun ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft.

Nach den Antisemitismus-Vorwürfen gegen das Leipziger „Westin Hotel“ prüfen Polizei und Staatsanwaltschaft mehrere Anzeigen. Der Musiker Gil Ofarim berichtete Opfer eines antisemitischen Vorfalls im geworden zu sein. Dort habe ihn am Montagabend ein Mitarbeiter aufgefordert, seine Kette mit einem Davidstern einzupacken, sagt Ofarim in einem veröffentlichten Video bei Instagram. Dann dürfe er einchecken.

Zuvor sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht - mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. „Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang“, sagt der Sänger im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden. Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: „Um die Schlange zu entzerren“, dabei habe der Musiker ja selbst darin gestanden.

Daraufhin habe „irgendeiner aus der Ecke“ gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotel-Mitarbeiter habe gesagt: „Packen Sie Ihren Stern ein.“

Die beiden Mitarbeiter wurden mittlerweile beurlaubt. Dies gelte zunächst für die Dauer der Ermittlungen, sagte eine Sprecherin der Marriott-Gruppe am Mittwochmorgen.

Ermittlungen werden aufgenommen

Der Sprecher der Leipziger Polizei, Olaf Hoppe, sagte am Mittwoch, dass Gil Ofarim bislang keine Anzeige erstattet habe. Allerdings sei eine Online-Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen Volksverhetzung eingegangen. Der beschuldigte Hotelmitarbeiter habe indes Anzeigen wegen Verleumdung und Bedrohung gestellt.

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Der Mann habe den Vorfall "deutlich abweichend geschildert", sagte eine Sprecherin der Polizei. Der Mitarbeiter habe zudem eine zweite Anzeige wegen Bedrohung gestellt, weil er über seinen Instagram-Account entsprechende Drohnachrichten erhalten habe.

Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft hätten sämtliche Ermittlungen aufgenommen. „Nun gilt es abzuwarten, was die Ermittlungen ergeben und was tatsächlich an dem Tag geschehen ist“, sagte Hoppe.

Bislang keine offizielle Entschuldigung vom Hotel

Bei Bild-TV sagte der Musiker am Mittwoch, er hätte sich bei dem antisemitischen Vorfall Unterstützung von anderen Gästen gewünscht. Niemand um ihn herum habe etwas gesagt, als ein Hotelmitarbeiter ihn aufgefordert habe, seinen Davidstern an einer Kette abzunehmen.

„Es ist nicht der erste Vorfall in meinem Leben, an dem ich konfrontiert worden bin mit Fremdenhass, mit Antisemitismus. Aber ich glaube: Es war einmal zu viel“, sagte Ofarim. „Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Ich finde, man soll einfach nicht mehr die Klappe halten und das über sich ergehen lassen.“

Eine Entschuldigung von dem Hotel habe er bislang nicht erhalten. „Mein Management hat nur eine Email bekommen, dass man sich mal austauschen wollen würde, mal reden. Aber ich habe weder eine Stellungnahme bekommen zu diesem Fall, ich habe keine Entschuldigung bekommen, gar nichts!“

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Das Westin Hotel Leipzig veröffentlichte am Dienstagabend ein Bild auf Instagram mit Mitarbeitenden, die ein Banner halten. Auf dem ist der Name des Hotels zusammen mit Israelflaggen und der Mondsichel mit einem fünfzackigen Stern abgebildet sind. Die Mondsichel ist mit dem islamischen Glauben verbunden. Auf Twitter bezeichnete der Zentralrats der Juden in Deutschland die Aktion als unangemessene Reaktion.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, kritisiert das Banner auf dpa-Anfrage: „Offenbar gibt es im Westin Grand in Leipzig wenig Bewusstsein dafür, dass Juden Teil der deutschen Gesellschaft sind.“ Zugleich zeigte er sich „mehr als irritiert“, dass eine deutliche Entschuldigung des Hotels gegenüber Gil Ofarim bislang ausgeblieben sei.

Solidarität mit Gil Ofarim im Netz und auf der Straße

Am Dienstagabend nahmen Hunderte Menschen an einer Solidaritätskundgebung mit Jüdinnen und Juden in Deutschland vor dem Hotel teil, zu der das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ aufgerufen hatte. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf den „mittleren dreistelligen Bereich“, wie eine Sprecherin sagte.

Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien zeigten sich schockiert. Josef Schuster schrieb in einem Statement beim Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Anfeindung erschreckend seien. Es sei zu hoffen, dass das Hotel personelle Konsequenzen ziehe. Er hoffe ebenso, „dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden.“ Der Pianist Igor Levit schrieb an das Hotel gerichtet: „Shame on you“.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprach von einem „unfassbaren Fall von Antisemitismus“ und einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. „Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben“, schrieb die Bundesstelle auf Twitter.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, jüdischem Leben mehr Aufmerksamkeit zu schenken und im Alltag Solidarität zu zeigen. „Es freut mich sehr, dass dies im Nachgang schon viele Menschen getan haben“, erklärte Klein am Mittwoch in Berlin. „Dass ein Mensch in der Öffentlichkeit einer gut besuchten Hotellobby antisemitisch diskriminiert und angefeindet wird, entsetzt mich.“

Sänger Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in einem Leipziger Hotel geworden.
Sänger Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in einem Leipziger Hotel geworden.

© Tobias Hase/dpa

Olaf Hoppe findet, dass die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten für ihn „klar antisemitisch“ sei. Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht.

Wie Hoppe weiter erklärte, war die Polizei bei dem Vorfall nicht vor Ort. Mit Ofarim habe man bislang nicht gesprochen. Die Behörde kenne sein Video und habe es gesichert.

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Ein Sprecher des „Westin Leipzig“ sagte, dass man besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme. Das Unternehmen versuche, Ofarim zu kontaktieren, um herauszufinden, was passiert sei. Ziel sei es, alle Gäste und Mitarbeiter unabhängig von ihrer Religion einzubeziehen, zu respektieren und zu unterstützen.

„Sachsen ist ein weltoffenes Land“

Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich bestürzt über den Vorfall. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. „Sachsen ist ein weltoffenes Land“, betonte Wöller.

Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma („Judenstern“) aufgezwungen.

Gil Ofarim ist der Sohn des in Israel geborenen Sängers Abi Ofarim, der 2018 starb. Er ist als Schauspieler und Sänger bekannt, 2017 Jahr gewann er die RTL-Tanzshow „Let's Dance“. (dpa)

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