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Der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I. (rechts), bei der gestrigen Sonntagsmesse.

© Reuters

Orthodoxie: Konzil der orthodoxen Kirchen soll zum ersten Mal seit 1200 Jahren wieder stattfinden

Nach mehr als 1200 Jahren soll es wieder ein Konzil der orthodoxen Kirchen geben. Der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., kündigte die „Heilige und Große Synode der Orthodoxie“ für 2016 an.

Zum ersten Mal seit dem Jahr 787 gibt es wieder ein panorthodoxes Konzil. Das beschlossen die orthodoxen Kirchenführer gestern, am „Sonntag der Orthodoxie“, in Istanbul. Bartholomäus I., der Erste Patriarch der orthodoxen Christen, hatte die vierzehn Führer der eigenständigen orthodoxen Kirchen hierfür zu einem Gipfel eingeladen. Bis auf zwei Kirchenführer, der erkrankte Patriarch von Antiochien und der frisch gewählte Metropolit der orthodoxen Kirche Tschechiens und der Slowakei, waren alle gekommen.

Wichtiges Thema des Konzils wird die Rangordnung der einzelnen orthodoxen Kirchen sein. Außerdem wird geklärt, was die Voraussetzungen dafür sind, dass eine Kirche eigenständig werden kann. Ein eigens dafür eingerichtetes Komitee soll das Konzil von September bis Ostern 2015 vorbereiten.

Die Orthodoxen sind die drittgrößte christliche Gemeinschaft

Die vierzehn orthodoxen Kirchen sind in ihrer Verwaltung eigenständig, jedoch theologisch vereint. Rund 300 Millionen orthodoxe Christen gibt es weltweit – trotz regionaler Besonderheiten verstehen sie sich als Einheit.

Die Teilung des römischen Reichs in Ost und West im Jahr 395 führte auch zu einer Entfremdung der Ost- und Westkirchen. Im 11. Jahrhundert kam es schließlich zum Bruch zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche, bekannt als morgenländisches Schisma. Die Ostkirchen entstanden alle im hellenistischen Raum und gehörten bis zur osmanischen Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 zur byzantinischen Reichskirche.

Das letzte orthodoxe Konzil hatte 787 in Nicäa stattgefunden. Großes Thema war damals der Bilderstreit, also die Frage ob man Ikonen verehren dürfe oder nicht. An dem ökumenischen Konzil nahmen sowohl orthodoxe als auch römisch-katholische Bischöfe teil. Auf orthodoxer Seite waren das lediglich vier Patriarchen. Seitdem sind viele eigenständige Kirchen hinzugekommen, einige erst im 20. Jahrhundert.

Der russisch-orthodoxe Patriarch wird zum Rivalen Bartholomäus’ I.

Die russisch-orthodoxe Kirche stieg im 16. Jahrhundert zum Patriarchat auf. Da sie mit 150 Millionen Anhängern über die Hälfte aller orthodoxen Christen vereint, tritt sie zunehmend dominant auf und stellt auch die Führung Konstantinopels infrage. Erst kürzlich kam es zu Streit zwischen dem russischen Patriarch Kyrill I. und dem Oberhaupt der orthodoxen Kirchen Bartholomäus I. Kyrill wollte die mazedonische Kirche als 15. Mitglied in die Weltorthodoxie aufnehmen, Batholomäus ist strikt dagegen. Auch die Inthronisierung des Metropoliten von Tschechien und der Slowakei hatte den ökumenischen Patriarchen verärgert. Wohl deshalb ist der Metropolit auch nicht zum Gipfel nach Istanbul gekommen.

Bereits zu Beginn der 60er Jahre dachte man über ein orthodoxes Konzil nach. Parallel zu den Vorbereitungen auf das Zweite Vatikanische Konzil 1962-1965 wurde auch ein orthodoxes geplant. Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Kirchen brachten das Projekt jedoch zum Scheitern. Nachdem man sich zuletzt 2008 erneut vergeblich um eine gesamtorthodoxes Konzil bemüht hatte, ist die jetzige Einigung ein großer Erfolg. Innerorthodoxe Meinungsverschiedenheiten gibt es zwar weiterhin, doch der Entschluss zur „Heiligen und Großen Synode“ 2016 ist ein weiterer Schritt zur Einigung.  (mit KNA)

Livia Gerster

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