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Soziale Medien oder soziales Leben? Oft gewinnt die Technik.

© imago/Westend61

Neue Studie: Freizeit heißt für viele ganz schön viel Stress

Fernsehen, Radio, Handy: Medien dominieren. Für Freunde und Familie bleibt da kaum Raum. Die zeigt der neue Freizeit-Monitor.

Heute schon mit den Nachbarn geplaudert? Oder am Wochenende Oma und Opa besucht? Nach dem neuen Freizeit-Monitor haben die Bundesbürger weniger Zeit für sich und andere – und machen sich dafür jede Menge Freizeitstress. Aber wollen sie das so?

Soziale Medien versus soziales Leben: Bei den liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen sind Medien die eindeutigen Gewinner der vergangenen fünf Jahre. Sieben bis neun von zehn Aktivitäten in der Freizeit seien heute von Fernsehen, Radiohören, Telefonieren oder Smartphone-Nutzung geprägt, heißt es in der repräsentativen Studie Freizeit-Monitor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Auf der Strecke blieben dagegen immer häufiger echte Sozialkontakte – von Besuchen bei Oma, Treffen mit Freunden bis hin zum einem Plausch mit den Nachbarn. Dazu kommt ein Springen von einem Freizeitereignis zum nächsten. Pro Woche sind es heute im Schnitt 23 – vor 20 Jahren waren es zwölf.

Diese Rastlosigkeit zeigt sich schon länger. „Ich hatte die Hoffnung, dass sich das dreht“, sagt Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Untersuchung. Denn glücklich seien viele Bundesbürger mit dieser Entwicklung nicht. Viele wünschten sich in ihren rund 2500 Mußestunden im Jahr mehr Zeit für sich und für andere – vom Partner über die Familie bis hin zu Freunden und Nachbarn. Zwischenmenschliche Beziehungen seien wie sozialer Kitt, der das Land zusammenhalte, betont Reinhardt. „Wir müssen aufpassen.“

Der Freizeit-Monitor wird regelmäßig von der Stiftung für Zukunftsfragen erhoben. Dahinter steht das Tabakunternehmen British American Tobacco. Im Juli wurden erneut rund 2000 Bundesbürger ab 14 Jahren gefragt, wie sie am liebsten ihre freie Zeit verbringen. Seit mehr als 20 Jahren führt das Fernsehen diese Hitliste an. Im Vergleich zu 2013 gibt es aber deutliche Verschiebungen in anderen Bereichen. Eine Auswahl der Hauptergebnisse:

GEWINNER: Das sind unangefochten die neuen Medien. Rund die Hälfte der Interviewten nutzt in Mußestunden ein Smartphone – ohne zu telefonieren. Das sind rund 20 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Drei Viertel der Befragten sind in ihrer Freizeit regelmäßig im Internet unterwegs, 2013 war es rund die Hälfte. Mit sozialen Medien beschäftigt sich die Hälfte regelmäßig. Das sind fast 20 Prozentpunkte mehr als zuvor.

VERLIERER: Pech fürs Buch: Weniger als ein Drittel der Bundesbürger (29 Prozent) liest noch regelmäßig darin. Vor fünf Jahren war es noch mehr als ein Drittel (35 Prozent) gewesen. Genau in dieser Größenordnung hat auch Gartenarbeit an Reiz verloren. Zeitaufwendigere Hobbys wie Musizieren oder Malen büßten ebenfalls spürbar an Attraktivität ein.

SOZIALKONTAKTE: Nur noch ein gutes Viertel der Bundesbürger (27 Prozent) spielt regelmäßig mit Kindern. 2013 war es fast ein Drittel (31 Prozent). Auch Großeltern und Enkel sehen sich seltener. Nachbarschaftshilfe ebbt ab. Stark ging auch die Gepflogenheit zurück, sich mit Freunden zu Hause zu treffen – sie sank deutlich von 24 auf 17 Prozent. „Typisch ist heute, dass Freunde skypen und sagen, dass sie sich dringend mal wieder treffen müssten“, sagt Forscher Reinhardt. „Aber sie tun es dann doch nicht.“ Grund für weniger Zeit sei aber selten Desinteresse – es gebe eher zu viele andere Reize.

TRENDS: Konjunktur hat aus Sicht Reinhardts das sogenannte Freizeit-Hopping, getrieben von der Sorge, etwas zu verpassen oder sich zu langweilen. „Muße und Ruhe weichen immer deutlicher einem Freizeitstress“, bilanziert er. So dauerten Freizeitaktivitäten im Schnitt kaum noch länger als zwei Stunden. Immer seltener werde eine einzelne Sache zu einer Zeit gemacht. Fernsehen, telefonieren, auf dem Smartphone daddeln, essen, bügeln – das alles passiere heute eher gleichzeitig. Der Verführung durch Medien sei schwer zu widerstehen. „In sozialen Medien geht es um Selbstdarstellung. Bei Events sind viele Selfies wichtig“, ergänzt der Forscher. Die Selbstinszenierung nehme heute in der Freizeit einen festen Platz und deutlich mehr Raum ein als früher.

ALLTAGSPFLICHTEN: Die Erholung von und für die Arbeit war über Jahrhunderte Hauptzweck der Freizeit. Heute wird dieses Zeitbudget immer häufiger angefressen, zum größten Teil durch Einkaufen und Hausarbeit – laut Studie vor allem bei Frauen. Fast ein Fünftel der Befragten nennt inzwischen aber auch Weiterbildung und Engagement für den Job. Hier sind es häufiger Männer.

SEHNSÜCHTE: Sie klingen wie eine Gegenbewegung zum Freizeitstress. Rund die Hälfte der Befragten würde lieber mal nichts tun und faulenzen. Fast zwei Drittel (63 Prozent) würden gern spontan das tun, wozu sie gerade Lust haben. Rund die Hälfte vermisst Zeit mit dem Partner und Kontakt mit Freunden. „Für mich klingt das so, als ob viele Menschen mit Blick auf ihre Freizeit deprimiert sind“, sagt Forscher Reinhardt. „Es liegt aber an jedem selbst, etwas zu verändern.“ (dpa)

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