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Darüber könnte man Bücher schreiben! Gerhard Schröder (M.) stellt in Seoul seine Biographie vor, und mit ihm freuen sich der südkoreanische Präsident Moon Jae-in und die Dolmetscherin Soyeon Kim, die nun seine neue Liebe ist.

© picture alliance / Yonhap/yonhap

Neue Liebe für Ex-Kanzler Schröder: Die alternde Gesellschaft und ihre Beziehungen

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigt sich mit 73 frisch verliebt, und Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen wird mit 59 erstmals Vater. Vom späten Neuanfang

Im Bahnhofskiosk hingen die Boulevardzeitungen, die vom späten Glück zweier älterer Herren verkündeten, am Donnerstag direkt übereinander, was den seltsamen Eindruck provozierte, es gebe einen neuen Trend.
Die glücklichen Herren sind Altkanzler Gerhard Schröder, 73, der nunmehr eine Frau aus Korea liebt, und Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen, der mit 59 Jahren erstmals Vater wurde. Die Koreanerin ist der „Bild“-Zeitung zufolge 48 Jahre alt und Dolmetscherin. Über Kollatz-Ahnen schrieb die „B.Z.“, dass er sich kürzlich von Frau Ahnen scheiden ließ, die Neue 41 Jahre alt und Britin mit indischen Eltern sei. Das Kind sei bereits vier Monate alt. Name: Maximilian.

So weit die dürren Fakten. Und was ist mit dem neuen Trend? Der ist wohl eher eine Zwangsläufigkeit. Die größte Alterskohorte in Deutschland, die Babyboomer, drängeln sich gerade in den Alterstufen Ende 40 bis Anfang 60 – und verschieben kraft ihrer Masse die Maßstäbe für das, was geht, was vor allem für sie geht. Sich mit Mitte 60 trennen und mit Anfang 70 neu starten – warum nicht? Es gibt niemanden, der darüber richten würde, aber viele, denen das für die nähere Zukunft Chancen eröffnet. Eine neue Liebe verleihe 60-Jährigen genauso viel Auftrieb wie 20-Jährigen, sagen Altersforscher, was aus rein medizinischen Gründen im Alter ja noch viel wichtiger sein kann als bei Teens und Twens.

In Beziehungsratgebern heißt es immer, man müsse für ein neues Glück seine Augen auch offen halten. So gesehen müssten sich allein aus dem Umstand, dass man auch mit 60 oder 70 erneute Verliebtheit für jederzeit möglich hält, mehr neue Partnerschaften ergeben, als wenn das tabu wäre. Was heißt das also, wenn die Liebesplänkeleien ewig weitergehen? Flirten, lieben, trennen, streiten, heulen – ist es gut, wenn das nie aufhört? Oder albern?

Doris Schröder-Köpf meldete sich zur neuen Altkanzlerliebe via Facebook. Sie nannte die Neue einen Grund für die Trennung und stichelte gegen sie. Von Schröder-Köpf, 55, hatte man zuvor gehört, sie sei mit Boris Pistorius, 57, ebenfalls ein SPD-Politiker, liiert. Ist das peinlicher, als wenn man all das von 20-Jährigen erfahren würde? Ja, weil sich mit Lebensalter auch die Hoffnung auf Weisheit und Würde verknüpft. Öffentliche Liebesscharmützel gefährden beides.

Bei Frauen gelten weiter andere Kriterien als bei Männern

Die Liebe im Alter – eine Bezeichnung, die wohl kaum ein Babyboomer für seine Beziehung verwenden würde – ist jenseits der Promiwelt zunehmend auch Stoff für Romane, Sachbücher, Kinofilme. Dort wird das Alter konkret thematisiert und nicht negiert, nach dem Motto „einfach weitermachen wie bisher und Falten ignorieren!“. Alter prägt den Menschen und seine Beziehungen. Kinder gehen anders miteinander um als Jugendliche, Erwachsene verhalten sich wieder anders, und Alte auch. Das zu ignorieren, hieße letztlich nichts anderes, als das Alter selbst zu ignorieren.

Vielleicht krallt sich die Gesellschaft deshalb so gern an der Kinderfrage fest. An der lässt sich Alter gut deklinieren. Wie alt sollen Eltern sein, wenn ihr Baby sie erstmals ankräht? Ex-Nachrichtensprecher Ulrich Wickert war 69 Jahre alt, als seine 40-jährige Frau Zwillinge zur Welt brachte, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, 57, freute sich unlängst über eine weitere Tochter, mehrere Hollywood- oder Rockstars waren ebenfalls 55 bis 60, als sie ihre x-ten Kinder von den x-ten Frauen vorzeigten. Auch US-Präsident Donald Trump war schon 60, als sein jüngster Sohn 2006 zur Welt kam. Die alten Väter werden in der Regel gefeiert – bei Frauen sieht das anders aus.

Dass im Fall Kollatz-Ahnen sein rentennahes Alter von 59 als „beide Eltern sind nicht mehr ganz jung“ umschrieben wurde, zeigt bereits, dass hier unterschiedlich gemessen wird. Wenn die Mutter bei der Geburt 41 oder 40 Jahre alt war, dürfte das dem aktuellen Durchschnittsalter in einigen Berliner Kiezen entsprechen. Kiezen, in denen inzwischen eher 25-Jährige mit Kinderwagen besorgte Blicke auf sich ziehen: So jung und schon ein Kind, wie leichtsinnig!

Es hat sich also auch bei Frauen längst etwas verschoben, aber in kleineren absoluten Zahlen. Mutter bis Mitte 40, das geht so halb, bei 50 ist derzeit noch Sense. Anfang des Jahres erfuhr das die Moderatorin Caroline Beil, die eben das halbe Jahrhundert voll hatte, als sie noch ein Kind bekam. Dafür wurde sie öffentlich kritisiert, was sie eben mit Verweis auf die Ungleichbetrachtung von alten Männer und Frauen scharf und zu Recht zurückwies. Dass Frauen, sollten sie mit 60 Jahren Mutter werden (können), gefeiert werden, ist kaum zu erwarten. Dabei wäre es aus reinen Gleichberechtigungsgründen schön.

Schön wäre es so betrachtet natürlich auch, wenn sich von den älteren Herren, die es in Blitzlicht schaffen und geschafft haben, mal einer nicht in eine deutlich Jüngere verliebt hätte, mit der er sich wieder jung fühlen kann, sondern in eine etwa gleichaltrige Frau – mit der dann auch das Altsein schön ist. Aber mit der ist ja schon Emmanuel Macron verheiratet.

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