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Der Lavafluss auf La Palma wird immer schneller.

© Reuters

Neue Erdbeben und Evakuierungen: Lava ergießt sich wie ein „Tsunami“ aus dem Vulkan auf La Palma

Der Vulkan auf der spanischen Insel La Palma gibt keine Ruhe – immer mehr Orte sind betroffen. Deutschland und Österreich warnen Reisende inzwischen.

Das Fauchen des Vulkans, das immer wieder vom Donner explosionsartiger Entladungen übertönt wird, und der Ascheregen begleitet die Menschen auf Schritt und Tritt und zerrt an ihren Nerven. Selbst der Sprecher des Krisenstabs wirkt zunehmend verzweifelt. „Wir können nur hoffen, dass dieser Albtraum bald zu Ende ist“, sagt er.

Doch seine Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen: Der Vulkan auf der spanischen Ferieninsel La Palma, der vor fast vier Wochen ausbrach, spuckt immer noch pausenlos Lava. Mehr noch: Seit die Nordflanke des Vulkankegels am vergangenen Samstag zusammengebrochen ist, hat sich der Lavafluss durch bewohnte Gebiete Richtung Meer verstärkt. Auch ist die austretende Lava mit rund 1200 Grad heißer als zuvor und damit dünnflüssiger und etwas schneller.

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Das vulkanologische Institut der Kanaren, Involcan, sprach angesichts beeindruckender Videoaufnahmen in einem Tweet sogar von einem „Lava-Tsunami“. Der Geologe José Mangas, Professor an der Universität Las Palmas de Gran Canaria, betonte jedoch, dieses Bild sei etwas schief. „In diesem Fall kann nicht von einem Tsunami gesprochen werden, sondern von mehr als 1200 Grad heißen Lavaströmen, die wegen des steil abfallenden Geländes sehr schnell werden“, sagte er im staatlichen TV-Sender RTVE.

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Die Auswertung der Daten des europäischen Erdbeobachtungssystems Copernicus ergab, dass 1548 Gebäude von der Lava zerstört und eine Fläche von 680 Hektar von Lava und Asche bedeckt worden sind. Das entspricht etwa 950 Fußballfeldern. Auch immer mehr Bewohner müssen die Flucht ergreifen. Inzwischen sind schon mehr als 7000 Menschen aus ihren Häusern gebeten worden – fast zehn Prozent der Inselbevölkerung.

In den betroffenen Orten werden Autos in Windeseile vollgepackt. Auf der Ladefläche eines Lastwagens stapeln sich Kleinmöbel, Matratzen und Kisten. Was nimmt man mit, wenn man weiß, dass nur wenig Zeit ist, um das Nötigste zusammenzuraffen? „Vor allem Dokumente, Fotoalben und Wäsche“, sagt eine Frau mit Tränen in den Augen im Insel-TV.

Sie hat ihren Geländewagen bis unters Dach vollgestopft. „Das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, ob ich mein Heim jemals wiedersehen werde.“ Die Schäden werden immer größer, außerdem hat es weitere etwa 100 leichte bis mittlere Erdbeben gegeben. Eines am Donnerstag habe die Stärke von 4,5 gehabt und sei damit das heftigste seit dem Ausbruch des Vulkans am 19. September gewesen, heißt es.

Rette sich, wer kann. Die Vulkanasche bedeckt Häuser und Felder in vielen Orten der Insel.
Rette sich, wer kann. Die Vulkanasche bedeckt Häuser und Felder in vielen Orten der Insel.

© Saul Santos/AP/dpa

Neben den Gebäuden sind viele landwirtschaftliche Plantagen von den flüssigen Vulkanmassen begraben worden. Ascheregen bedroht die Ernte auch auf jenen Feldern, die bisher von der Lava verschont blieben. Auf der Insel wachsen vor allem Bananen, Wein und Avocados. Die Landwirtschaft ist zusammen mit dem Tourismus die größte Einnahmequelle der Insel im Atlantik.

Auch die Tourismuswirtschaft steht zunehmend still. Die scheinbar nicht enden wollende Katastrophe, die sich im Südwesten der Insel abspielt, verschreckt die Gäste, die sich bisher im Norden und Osten La Palmas noch halbwegs sicher fühlen konnten. In den ersten Tagen nach dem Vulkanausbruch hatten sich die Hotels noch mit abenteuerlustigen Touristen gefüllt, die den feuerspuckenden Berg aus der Nähe sehen wollten. Diese Zeiten sind vorerst vorbei.

„Die Hotels haben sich geleert“, sagt ein örtlicher Tourismussprecher. Nur noch 15 bis 20 Prozent aller Betten seien belegt. Und dies vor allem mit Helfern, Wissenschaftlern und evakuierten Inselbewohnern. Die Nachrichten über gesundheitsschädliche Asche- und Schadstoffwolken, geräumte Ferienunterkünfte und einen gestörten Flughafenbetrieb verunsichern. Viele internationale Flugverbindungen wurden abgesagt. Auch die meisten Kreuzfahrtschiffe machen einen Bogen um La Palma.

Tiere werden aus der Luft versorgt

Deutschland, der wichtigste Reisemarkt der naturreichen Wanderinsel, empfiehlt mittlerweile ganz offiziell den Urlaubern, der Vulkaninsel fernzubleiben. „Von nicht notwendigen Reisen nach La Palma wird derzeit abgeraten“, erklärt das Außenministerium in Berlin in seinen Reisehinweisen. Auch Österreichs Regierung mahnt zur Vorsicht: „Bei Reiseplänen nach La Palma muss das Risiko einer sich rasch ändernden Reisesituation im Hinblick auf An- und Abreiseverkehr sowie Unterkunft berücksichtigt werden.“

Ein kleiner Lichtblick in diesem Drama ist, dass einige Haustiere, die seit Tagen in der Nähe des Ortes Todoque von der Lava eingekesselt sind, nun aus der Luft mit Futterrationen und Wasser versorgt werden. Bei den Tieren handelt es sich um Hunde, die bei der Räumung des 1000-Seelen-Dorfes Todoque nicht evakuiert werden konnten. Das Dorf wurde inzwischen weitgehend von der Lava begraben. Nur ein kleiner Flecken Land blieb verschont und wurde zum Zufluchtsort dieser Tiere.

Auf einem Video, das die Inselregierung veröffentlichte, sieht man mehrere Hunde, die abgemagert auf dieser Insel inmitten der Lava ausharren. Wie lange die Tiere unter diesen Bedingungen überleben können und ob sie gerettet werden können, ist unklar. Die Behörden haben mitgeteilt, „dass es auf dem Landweg wegen der hohen Temperaturen nicht möglich ist, diese Zone zu erreichen“. Auch eine Rettung per Hubschrauber, so hört man aus dem Krisenstab, sei derzeit wegen der Hitzeentwicklung, Aschewolken und vom Himmel regnenden Vulkansteinen nicht möglich. (mit dpa)

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