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Aribert Heim

© dpa

Nationalsozialismus: NS-Verbrecher "Dr. Tod" schon lange tot

Der berüchtigte NS-Arzt Aribert Heim ist nach Medienberichten schon lange tot. Der sogenannte "Dr. Tod" wurde in Südamerika vermutet, soll sich jedoch zuletzt in Kairo aufgehalten haben.

Seit Jahren wurde der als "Doktor Tod" bekannte KZ-Arzt Aribert Heim in Südamerika vermutet. Medienberichten zufolge ist der international gesuchte Nazi-Verbrecher jedoch bereits seit 1992 tot. Laut gemeinsamen Recherchen von ZDF und "New York Times" lebte er nahezu dreißig Jahre lang unerkannt in der ägyptischen Hauptstadt Kairo - als Muslim getarnt unter dem Namen Tarek Farid Hussein bis er an Darmkrebs starb. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum bestätigte den Tod jedoch bislang nicht und führt ihn auf seiner Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher nach wie vor an erster Stelle.

Heim galt als extrem grausam. Augenzeugen berichteten, er habe aus der gegerbten Haut eines Opfers einen Lampenschirm für den Lagerkommandanten herstellen lassen. Der 1914 im österreichischen Radkersburg in der Steiermark geborene Heim trat 1940 der Waffen-SS bei. Er arbeitete als Arzt in den Konzentrationslagern Sachsenhausen (1940), Buchenwald (1941) und Mauthausen (1941). In dem Konzentrationslager in Österreich führte Heim nach Augenzeugenberichten an betäubten Patienten medizinische Experimente durch, entnahm ihnen willkürlich Organe und tötete sie durch Benzininjektionen ins Herz. Später war "Doktor Tod" nach Angaben des auf die Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern spezialisierten Simon-Wiesenthal-Zentrums mit der SS an verschiedenen Kriegsschauplätzen im Einsatz, unter anderem in Finnland.

Späte Flucht

Gegen Ende des Krieges kehrte er nach Deutschland zurück, wo er im März 1945 von der US-Armee verhaftet und inhaftiert wurde. Zweieinhalb Jahre später wurde Heim jedoch wieder freigelassen - laut Simon-Wiesenthal-Zentrum unter verdächtigen Umständen. Unbehelligt arbeitete Heim in den folgenden Jahren als Gynäkologe mit eigener Praxis in Bad Nauheim und Baden-Baden, bis er 1962 wegen seiner während des Kriegs begangenen Verbrechen verhaftet werden sollte. Doch vermutlich durch einen Hinweise konnte Heim der Verhaftung entgehen und untertauchen.

Sein Verbleib ist seitdem unklar. Deutschland, Österreich und das Wiesenthal-Zentrum hatten eine Belohnung von über 300.000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zu Heims Verhaftung führen. Ein israelischer Offizier berichtete, der berüchtigte KZ-Arzt sei bereits im Jahr 1982 von einer geheimen US-Organisation exekutiert worden.

In Ägypten untergetaucht

Laut ZDF-Recherchen war Heim zu seiner Tarnung Anfang der 80er Jahre zum Islam konvertiert und trug seitdem den Namen Tarek Farid Hussein. Das ZDF habe eine Aktentasche von Heim gefunden, in der sich mehr als 100 Dokumente befanden. Darunter seien die Kopie eines ägyptischen Passes, Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen, Kontoauszüge, persönliche Briefe und medizinische Unterlagen gewesen. Danach lasse sich zweifelsfrei nachweisen, dass Hussein der gesuchte Nazi-Verbrecher war.

Die Recherchen würden auch von zahlreichen Zeugen bestätigt, unter ihnen der Sohn des Gesuchten, der derzeit in Baden-Baden lebe. "Ja, mein Vater hat in Kairo gelebt", sagte der Sohn in einem ZDF-Interview. Er habe seinen Vater Mitte der 70er Jahre erstmals in Kairo besucht und auch nach einer Krebsoperation Anfang 1990 über mehrere Monate gepflegt. Er habe seinen Vater auch mit den Vorwürfen konfrontiert, die er von sich gewiesen habe. Ägyptische Freunde, Bekannte und auch der Arzt des NS-Verbrechers wussten laut ZDF nichts von dessen Vergangenheit.

Regelmäßige Moschee-Besuche

Laut "New York Times" sei Heim in Kairo regelmäßig in die Al-Azhar-Moschee gegangen, habe gerne in einem Kairoer Café Schokoladenkuchen gekauft und an Freunde schicken lassen und habe gern Süßigkeiten an die Kinder seiner Freunde verteilt. Der Hobby-Fotograf habe aber es tunlichst vermieden, fotografiert zu werden, berichtet das Blatt am Mittwoch in seiner Online-Ausgabe.

"Oberflächlich betrachtet scheinen die Angaben seriös zu sein", sagte Zuroff vom Wiesenthal-Zentrum am Mittwochabend. Doch die wichtigsten Beweise fehlten: "Es gibt keine Leiche und keine DNA-Tests", sagte Zuroff der dpa in Tel Aviv auf Anfrage. "Da es eine ganze Reihe von Menschen gibt, die daran interessiert sind, uns davon zu überzeugen, dass Heim nicht mehr lebt, müssen wir auf solche Informationen mit etwas Skepsis und Vorsicht reagieren."

Spekulationen über Aufenthalt in Südamerika

Die meiste Zeit wurde Heim jedoch in Argentinien und Chile vermutet, aber auch an Spaniens Ostküste soll der Kriegsverbrecher gesichtet worden sein. Für einen Aufenthalt in Chile sprach unter anderem, dass seine Tochter im Süden des Landes lebt. Zwischen ihrem Wohnort und dem argentinischen Wintersportort Bariloche soll Heim nach Erkenntnissen des Simon-Wiesenthal-Zentrums von vergangenem Jahr häufig unterwegs gewesen sein. Die Gegend Bariloche, etwa 1600 Kilometer südöstlich von Buenos Aires, galt nach dem Zweiten Weltkrieg als einer der Haupt-Zufluchtsorte für Nazis in Südamerika.

Eine Beschreibung des KZ-Arztes findet sich auf der Internetseite des für die Fahndung auf deutscher Seite zuständigen Landeskriminalamts Baden-Baden. Eine "kräftige, sportliche Gestalt", blau-graue oder dunkle Augen, und die Schuhgröße 47 habe Heim, heißt es dort. Und ein besonderes Merkmal: Über das Gesicht des früheren SS-Mannes verläuft laut Fahndungsaufruf eine Mensurnarbe in V-Form zum rechten Mundwinkel. (ae/AFP/dpa)

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