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Sepeda pagi – morgendliche Radtour durchs Dorf. Designer Singgih Susilo Kartono unternahm regelmäßig Touren, um seinen Cholesterinspiegel zu senken. Der Frühsport gab letztendlich die Inspiration, ein Fahrrad aus Bambus zu entwerfen.

© Spedagi

Nachhaltiges Produkt, lokale Ressource: Fahrräder aus Bambus beleben indonesische Dörfer

Ein indonesischer Designer bietet Jugendlichen eine Perspektive: Zusammen bauen sie nachhaltige Fahrradrahmen aus Bambus – inklusive natürlicher Federung.

Als Indonesiens Präsident Joko Widodo beim Staatsbesuch in Australien den frisch gewählten australischen Premierminister Anthony Albanese zu einer Fahrradtour einlud, freute sich die Presse über die ungewöhnliche Fotogelegenheit. Doch der eigentliche Star des Shootings waren die indonesischen Räder – deren Rahmen aus Bambus gebaut waren.

Die Räder namens Spedagi werden in Kandangan, einem Dorf zwei Autostunden von Yogyakarta auf der indonesischen Insel Java, produziert. Ihrem Designer Singgih Susilo Kartono geht es vor allem darum, mit Materialen zu arbeiten, die lokal wachsen – und genau das tut der Bambus. Im tropischen Klima Südostasiens gedeiht das Gras bestens, es wächst rasant schnell und ist ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit.

Spedagi leitet sich aus den Worten „sepeda pagi“ ab, die eine morgendliche Radtour durchs Dorf beschreiben. Letztere unternahm Kartono regelmäßig, um seinen Cholesterinspiegel zu senken. Der Frühsport gab letztendlich die Inspiration, ein Fahrrad aus Bambus zu entwerfen.

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Grundsätzlich sind Fahrräder aus Bambus keine Neuheit. Der Prototyp wurde einst 1894 in London gebaut, doch mit der industriellen Entwicklung wurde Metall aufgrund seiner Haltbarkeit und einfachen Reproduzierbarkeit immer beliebter. Erst als das Thema Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung in der Gesellschaft gewann, wurde auch Bambus als Material für Fahrradrahmen wieder in Betracht gezogen. 2005 begann der US-Amerikaner Craig Calfee, Räder wieder aus Bambus zu bauen. Calfee war auch einer der Vorbilder für den indonesischen Spedagi-Designer.

Ein weiterer Bambus-Radproduzent ist das schwedische Unternehmen Eker. Die Teile aus Baumrinde werden per Hand geformt.
Ein weiterer Bambus-Radproduzent ist das schwedische Unternehmen Eker. Die Teile aus Baumrinde werden per Hand geformt.

© dpa-tmn

Bei der Fahrradproduktion arbeitet das indonesische Team mit Riesenbambus – dem Dendrocalamus asper –, einer der stärksten Bambusarten, die in Kandangan reichlich vorhanden ist. Diese Bambusart habe einen großen Durchmesser und eine dicke Außenwand, heißt es vonseiten des Herstellers. Es mache die Herstellung von Rahmenrohren mit einheitlicher Größe möglich. „Bambus ist tatsächlich das beste Material, um Schwingungen beim Fahrradrahmen abzufedern“, schwärmt Kartono. Seine Zellen würden wie Miniatur-Stoßdämpfer funktionieren.

Auf Java werden die Räder seit 2014 produziert

Ein Bambus-Rad zu fahren, sei deshalb bequemer als herkömmliche Modelle. Bambus habe jedoch auch einen Makel: Durch die Flexibilität sei es besonders wichtig, das richtige Design und die richtige Struktur zu wählen. Richtig gebaut sind die Räder sehr beständig: Beim letzten Straßentest schaffte es ein Rad von der indonesischen Provinz Aceh bis nach Denpasar auf der Insel Bali und legte dabei über 3000 Kilometer zurück.

Die Vorteile des vielseitigen Grases haben sich auch einige deutsche Hersteller wie Pine, My Boo oder Faserwerk inzwischen zunutze gemacht. Ein weiterer Bambus-Radproduzent ist das schwedische Unternehmen Eker. Indonesien eignet sich als Entwicklungs- und Produktionsort jedoch ganz besonders, da es in dem tropischen Inselstaat unzählige Bambusarten gibt, und die Pflanze überall und in ausreichender Menge vorkommt.

Auf Java werden die Räder seit 2014 produziert und haben dort inzwischen eine wahre Bewegung losgetreten. Dem indonesischen Designer Kartono geht es nicht nur darum, ein nachhaltiges Produkt aus einer lokalen Ressource zu bauen und dabei CO2-Emissionen zu minimieren. Indem er lokal produziert und Arbeitsstellen in den Dörfern schafft, kreiert er auch nachhaltige und autarke Gemeinschaften. Denn bisher war es – wie in vielen anderen Ländern auch – das Ziel der meisten Jugendlichen, ihr Heimatdorf nach der Schule so schnell wie möglich zu verlassen und in eine Stadt zu ziehen. Die Dörfer wurden zu Orten, die sie im Urlaub besuchen.

Letzteres wollte Kartono verändern. Er selbst ist deswegen wieder in seinem Heimatdorf sesshaft und hat es keine Sekunde bereut. In einem Dorf zu leben und zu arbeiten, sei für ihn ein wenig, als würde er die Zeit zurückdrehen – bevor die Industrialisierung alles verändert habe, sagt er. Zudem will Kartono das Image des Bambuswaldes wieder aufbessern: Letzterer habe in Indonesien oft keinen guten Ruf, sei vernachlässigt und teils als Müllhalde missbraucht worden. Dabei sei der Wald ein wahrer „Schatz“ für die jeweiligen Dörfer, meint der Designer.

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