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Auf einem Duden befindet die weibliche Endung „innen“, angeführt von einem Genderstern.

© Imago Stock

Nach heftiger Kritik: Bremerhaven nimmt Gender-Verbot zurück

Knapp einen Monat lang waren Gender-Sonderzeichen in den Behörden verboten. Nach Kritik der Opposition hob die Koalition den Beschluss wieder auf.

Seit Dezember war es der Verwaltung in Bremerhaven verboten, Genderzeichen zu benutzen. Nach heftiger Kritik hob die Stadt den Beschluss umgehend wieder auf. Das teilten die Fraktionsvorsitzenden Sönke Allers (SPD), Thorsten Raschen (CDU) und Hauke Hilz (FDP) mit. „Die unterschiedlichen Reaktionen auf den Magistratsbeschluss haben uns gezeigt, dass der gewählte Weg nicht der richtige gewesen ist“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung auf der Website der CDU Bremerhaven.

Die Koalition aus SPD, CDU und FDP hatte im Dezember beschlossen, „dass die Verwendung des Doppelpunkts (oder anderer Sonderzeichen) als Ausdruck einer gendersensiblen Sprache für unsere Verwaltung abgelehnt wird“. Hauptgrund sei, dass diese Zeichen der Barrierefreiheit im Weg stünden. „Sonderzeichen als Wortbestandteil in der offiziellen Kommunikation sind nicht mehr zulässig und gelten als rechtschreibwidrig“, heißt es weiter in der Empfehlung für das Magistrat.

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Der Beschluss stieß auf heftige Kritik. Mehrere Mitglieder der Linken drückten auf der Website ihrer Partei ihre Fassungslosigkeit aus. „Ich habe diesen Bericht zuerst für einen verfrühten Aprilscherz gehalten. Dass in einer Koalition, in der auch SPD und FDP vertreten sind, solche rückwärts gewandten Maßnahmen ernsthaft diskutiert werden, habe ich nicht für möglich gehalten“, sagte Günter Matthiessen, Mitglied des Kreisvorstandes. Weiter forderte die Fraktion der Linken den Magistrat auf, „das unangemessene offizielle Verbot zur Nutzung des Gendersterns zurückzunehmen“. Auch die Grüne Jugend in Bremen kritisierte die Verordnung, berichtet die Bremer Zeitung "Der Weserkurier".

Verbot sei rückschrittlich

Bettina Wilhelm, Landesfrauenbeauftragte für Bremen hält die Regelung für rückschrittlich: Der Tageszeitung "Taz" sagte sie, dass das Verbot von Sonderzeichen effektiv nichtbinäre Menschen ausschließen würde. Auch fachlich sei das Verbot völlig überholt, es entspreche schon längst nicht mehr den Standards einer Amtssprache.

Die öffentliche Diskussion darum habe die Fraktionsvorsitzenden dazu bewogen, den Beschluss wieder aufzuheben. Zwar betiteln die Fraktionsvorsitzenden die Sonderzeichen weiter als „teilweise krampfhafter Versuch“, die vorhandene geschlechtliche Vielfalt abzubilden. „Das über den Ausschluss von Sonderzeichen der Eindruck entstanden ist, geschlechtliche Vielfalt, die sich auch in gendersensibler Sprache abbildet, sei uns egal, war weder unsere Absicht, noch deckt sich das mit unseren politischen Überzeugungen“, heißt es in der Erklärung.

Die Pressestelle der Stadt Bremerhaven erklärte auf Anfrage des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", der Beschluss könne nach dieser Ankündigung der Koalitionspartner in der morgigen Magistratssitzung rechtskräftig zurückgenommen werden. SPD, CDU und FDP kündigten gleichzeitig an, vom Land Bremen eine verbindliche gesetzliche Regelung zur Verwendung gendersensibler Sprache zu erwarten.

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Mit dem Versuch, eine gendergerechte Sprache zu verbieten, ist die Bremerhavener Koalition nicht alleine: Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß will das Gendern bei staatlichen Stellen verbieten. Auch die Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sprach sich bereits für ein Genderverbot in Behörden aus, da es eine „Verunglimpfung der deutschen Sprache“ darstelle, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Aus Bayern setzte sich CSU-Chef Markus Söder ebenfalls gegen das Gendern ein.

Knapp zwei Drittel der deutschen Bevölkerung sind einer Umfrage zufolge gegen stärkeres Gendern in der Sprache. Wie das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap im Auftrag der Zeitung „Welt am Sonntag“ feststellte, halten 65 Prozent der Befragten nichts von einer stärkeren Berücksichtigung unterschiedlicher Geschlechter in der Sprache und lehnten Formulierungen wie „Zuhörende“ statt „Zuhörer“ und die Nutzung des großen Binnen-I („WählerInnen“) in der Schriftsprache ab.

Allerdings lehnt auch eine Mehrheit ab, dass gendergerechte Sprache in öffentlichen Einrichtungen verboten wird. Dies hatte Frankreichs Regierung kürzlich als Gesetzentwurf in die Nationalversammlung eingebracht. 51 Prozent der Befragten in Deutschland wären eher dagegen, nur ein gutes Drittel (36 Prozent) würde ein Verbot „eher begrüßen“.

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