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Weg damit. Das Gebäude Nummer 14 auf dem Kreml-Gelände wird bereits abgerissen.

© dpa

Moskau: Kreml und Roter Platz bald nicht mehr Weltkulturerbe?

Präsident Wladimir Putin will das Gebiet rund um den Kreml baulich verändern. Russlands Machtzentrum droht daher seinen Status als Unesco-Weltkulturerbe zu verlieren.

Einigen Russen ist ziemlich mulmig zumute vor der Entscheidung der Unesco-Experten-Kommission, die da kommen wird. Womöglich schon diese Woche. Es geht um nichts Geringeres als um die Frage, ob Kreml und Roter Platz von der Liste des Weltkulturerbes gestrichen werden.

Dafür gäbe es zwei Gründe: Zum einen lässt Staatschef Wladimir Putin auf dem historischen Areal das Gebäude mit der Nummer 14 abreißen. Zum anderen soll ein Denkmal für Fürst Wladimir, den als Nationalheiligen verehrten Staatsgründer, errichtet werden. Mit einem Schwert am Gürtel und einem Kreuz in der erhobenen rechten Hand soll er im April auf dem Borowizki-Platz, gut 500 Meter entfernt von dem Haupteingang für Besucher, in Stellung gehen.

Beides kann den Status des Kreml gefährden, da Russlands Machtzentrum als Unesco-Weltkulturerbe besonders geschützt ist. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Konflikte zwischen dem Kreml und Denkmalschützern gegeben. Als die Verwaltung am historischen Kutafja-Tor zwei Besucherpavillons mit Drehkreuzen einrichtete, drohten Experten mit einer Klage. Zum massiven Streit kam es 2013, weil Putin einen Hubschrauberlandeplatz anlegen ließ. Tausende Kubikmeter Erde wurden ausgehoben und Bäume umgepflanzt. Nun wird es wieder heikel.

Was das Gebäude angeht, versichert Denkmalschützer Todor Krestew, dass diesmal alles mit den Behörden abgesprochen sei. Der „Korpus Nr. 14“ habe keinen architektonischen Wert, das hätten internationale Experten bestätigt. „Wir haben grünes Licht für einen Abriss.“

Zu sozialistischen Zeiten fanden in dem gelb getünchten Gebäude Sitzungen des höchsten Staatsorgans, des Obersten Sowjets, statt. Danach beherbergte es eine Kreml-Presseabteilung. Denkmalschützer haben den Abriss mit zahlreichen Auflagen versehen. Um Erschütterungen zu vermeiden, darf bis auf Kräne keine schwere Technik benutzt werden. Die Baustelle ist mit Leinwänden verhängt, zudem spritzen Arbeiter Wasser auf den aufwirbelnden Staub, damit er sich nicht auf benachbarte Gebäude legen kann.

300 Tonnen, 24 Meter hoch

Schwieriger ist es offenbar mit dem Denkmal, da bauliche Veränderungen nach den Regeln der Weltkulturorganisation so gestaltet werden müssen, dass ihr Schatten nicht den Blick auf das eigentliche Weltkulturerbe beeinträchtigt. Die Kremlmauer aber ist an ihrer höchsten Stelle gerade mal neunzehn Meter hoch. Die 300 Tonnen schwere Statue des Fürsten dagegen soll es auf eine Höhe von 24 Metern bringen. Das sind vier Meter mehr als das Standbild, das 1853 in Kiew hoch über dem Dnjepr aufgestellt wurde.

Der Größenwahnsinn hat Methode: Wladimir spielt in Russland wie in der Ukraine eine Schlüsselrolle in den Mythen, die sich um den Ursprung eigener Staatlichkeit ranken. Von 978 bis 1015 Herrscher der Kiewer Rus – des ersten Staates der Ostslawen – ließ er sich um 987 taufen, um die Ehe mit einer byzantinischen Prinzessin eingehen zu können. Damit begann die Christianisierung der Ostslawen. Erst später definierten sich Russen, Weißrussen und Ukrainer als eigene Ethnien.

Das Wladimir-Denkmal in Moskau war daher von Anfang an Chefsache für einen Namensvetter des Fürsten: Wladimir Putin. Der Streit um den passenden Standort erregte die Russen mehr als etwa ihre wirtschaftliche Misere. Am 9. September folgte die Moskauer Stadtverordnetenversammlung den Ergebnissen einer Abstimmung im Internet. 62 Prozent hatten für den kremlnahen Borowizki-Platz gestimmt. Der Vorschlag stammte von der Russischen Militärhistorischen Gesellschaft, die die Abstimmung initiiert hatte.

Seither protestieren Denkmalschützer: Das Denkmal zerstöre die historisch gewachsene Landschaft des Stadtzentrums. Bereits Ende September kam dann die erste Warnung von der Unesco: die Empfehlung, auf den geplanten Standort zu verzichten. Daran habe sich nichts geändert, erfuhr die Stadtverordnete Jelena Schuwalowa in einer offiziellen Antwort auf ihre Anfrage an die Weltorganisation. Es wäre daher besser, sagt sie, sich noch vor Eintreffen der Experten über mögliche Kompromisse Gedanken zu machen. Der Spielraum aber scheint begrenzt zu sein. Die Statue ist bereits in Arbeit. (mit dpa)

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