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Mit einem Zettel verdeckt der Angeklagte Ali B. beim Betreten des Gerichtssaals sein Gesicht vor den Kameras der Journalisten.

© Boris Roessler/dpa-POOL/dpa

Update

Mordurteil im Fall Susanna F.: Ali B. zeigte „weder Reue noch Mitgefühl“

Die Richter stellten in ihrem Urteil zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit so gut wie ausgeschlossen.

Mehr als ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod der 14-jährigen Mainzer Schülerin Susanna F. hat das Landgericht Wiesbaden am heutigen Mittwoch das Urteil in dem Mordprozess verkündet.

Der Angeklagte Ali B. ist wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Richter stellten in ihrem Urteil zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit für den irakischen Flüchtling so gut wie ausgeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft hatte ebenfalls eine lebenslange Haftstrafe für Ali B. gefordert. Die Anklagevertretung beantragte zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Die Verteidigung verzichtete in ihrem Plädoyer auf einen Antrag für ein konkretes Strafmaß.

Mit dem Urteilsspruch folgten die Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Vertreter der Anklage hatten dem irakischen Flüchtling vorgeworfen, Susanna erwürgt zu haben, um die Vergewaltigung zu verdecken. Er habe kaltblütig, zielgerichtet und heimtückisch gehandelt.

Aus Sicht des Gerichts hat Ali B. kein ernstzunehmendes Wort des Bedauerns geäußert. Er habe „weder Reue noch Mitgefühl“ gezeigt, erklärte der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk in seiner Urteilsbegründung am Mittwoch vor dem Landgericht Wiesbaden.

„Eine Verantwortungsübernahme hätte das Geschehene nicht ungeschehen machen können“, sagte Bonk. Sie hätte aber Susannas Mutter die Chance gegeben, einen Neuanfang in einem Leben ohne Susanna zu erreichen. Dazu sei der Angeklagte jedoch nicht bereit, vielleicht auch nicht in der Lage gewesen.

Weder Susannas Mutter noch die Freundinnen des Mädchens müssten sich vorwerfen lassen, irgendetwas falsch gemacht zu haben, erklärte Bonk. Am Ende des Prozesses stehe eines unumstößlich fest, sagt Bonk an Ali B. gewandt: „Allein Sie, niemand anderes, trägt die Schuld am Tod von Susanna“. Ausdrücklich würdigte er das Verhalten von Susannas Mutter und ihre Zeugenaussage, die ihm persönlich Respekt abnötige. Damit sei es ihr eindrücklich gelungen, Spekulationen über Susannas Lebenswandel und das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter auszuräumen.

Ali B. suchte gezielt nach sehr jungen Mädchen

Ali B. sei keine sozial verwahrloste Person, sondern habe bis zu seinem 18. Lebensjahr im Nordirak in einem Familienverband mit strengen Regeln, auch zum Verhältnis der Geschlechter gelebt, sagte Bonk über den Angeklagten. In Deutschland habe er dann die Möglichkeit zum Zugang zu Frauen, auch zu sexuellen Kontakten gehabt und gezielt nach sehr jungen, noch unsicheren Mädchen gesucht.

Der irakische Flüchtling hatte vor Gericht gestanden, Susanna getötet zu haben. Die Vergewaltigung bestritt er. Die Mutter von Susanna hat der 22-Jährige während der Verhandlung um Entschuldigung für die grausame Tat gebeten. Ali B. entschuldigte sich in seinem letzten Wort vor Gericht bei der Mutter für seine Tat.

Das Landgericht sah es als erwiesen, dass der 22-Jährige Susanna vor mehr als einem Jahr in einem Waldgebiet in der Nähe des Wiesbadener Stadtteils Erbenheim vergewaltigt und ermordet hat. Die Leiche des Mädchens war am 6. Juni 2018 in einem Erdloch in der Nähe von Bahngleisen gefunden worden. Rund zwei Wochen nach dem Verschwinden von Susanna waren die Einsatzkräfte nach einem Zeugenhinweis auf das Versteck mit dem toten Mädchen gestoßen.

Kurz nach dem Tod von Susanna hatte sich Ali B. mit seiner Familie in seine Heimat abgesetzt. Im kurdisch kontrollierten Nordirak wurde er jedoch wenige Tage danach gefasst und von der Bundespolizei nach Deutschland zurückgebracht. Der Fall hatte eine bundesweite Debatte um die Flüchtlingspolitik ausgelöst.

In einem weiteren Prozess muss sich der Iraker wegen der Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens verantworten. Dieses Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring zeigte sich zum Abschluss des Verfahrens mit dem Prozessverlauf aus Sicht der Angehörigen des getöteten Mädchens zufrieden. Die Familie von Susanna sei bereits vor der Verhandlung von Mitarbeitern des Weißen Rings eng betreut worden, sagte Rudolf-Lothar Glas aus Wiesbaden.

Die Angehörigen seien stets informiert gewesen über den Stand der Ermittlungen und die Vorgänge bei Gericht. Die Zusammenarbeit habe sehr gut funktioniert. „Dem mutmaßlichen Täter gegenüber zu sitzen, war dennoch eine schwere Belastung“, betonte der Vertreter der Opferschutzorganisation. Die Familie der getöteten Susanna ist als Nebenkläger vor Gericht vertreten.

Ehrenamtliche des Weißen Rings begleiteten die Angehörigen an den Prozesstagen. Die Organisation unterstützt Susannas Familie auch finanziell, etwa bei einem kurzen Erholungsurlaub. Das Verfahren sei sehr präzise geführt worden, auch um eine mögliche Revision zu umgehen, sagte Glas. „Das würde für die Mutter noch schwerer werden.“ (dpa)

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