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Taonslawe heißt das Sideboard von der Manufaktur Herr Lars. Es verbindet skandinavisches Wohngefühl mit industriellem Design.

© Herr Lars

Möbel fürs Leben: Eiche in Ehren

Nachhaltig wohnen - geht das überhaupt? Wie sich Hersteller bemühen, ökologisch korrekte Tische, Bänke und Sofas zu produzieren

Der Schrank gefällt nicht mehr und ist doch erst zwei Jahre alt. Egal, fort damit. Beim Möbeldiscounter gibt es einen neuen zum Schnäppchenpreis. Zum Glück mögen immer weniger Menschen Teil dieser Wegwerfgesellschaft sein. Es ist angesagt, möglichst nachhaltig zu leben: Vorzugsweise wird im Biomarkt eingekauft, man fahndet nach ökologisch und fair produzierter Kleidung und möchte – natürlich – auch die dazu passende Wohnungseinrichtung. Doch wie findet man einen Stuhl, auf den man sich guten Gewissens setzen kann? Wie einen Tisch, an dem sich’s unbesorgt tafeln lässt? Und wo gibt es die umweltfreundliche Leuchte für den Nachttisch?

Jeder Baum bindet 12,5 Kilogramm CO2

Gerade kleinere Betriebe sind innovativ und machen sich stark für ressourcenschonende Produkte. Die Manufaktur mit dem lustigen Namen Herr Lars etwa, benannt nach dem Chef Lars Wilmer, fertigt im westfälischen Steinfurt Sideboards, Tische und Bänke – aus Massivholz. „Jedes Herr Lars-Möbelstück hat seinen Ursprung im Wald“, heißt es auf der Internetseite. Wilmer schwärmt vom „wunderbaren Werkstoff Holz“ und erklärt: „Er wächst ständig nach, fühlt sich großartig an und sieht klasse aus.“ Erstaunlich: Jeder Baum binde in einem Jahr etwa 12,5 Kilogramm CO2. Jeder Stuhl, jeder Hocker, der daraus entsteht, ist ein Unikat. Denn Maserungen, Astlöcher, Kerben und Risse, die akribisch aufgearbeitet werden, machen das Möbelstück unverwechselbar.

Edle Verarbeitung. Sessel und Hocker von "Zeitraum" halten ein Leben lang.
Edle Verarbeitung. Sessel und Hocker von "Zeitraum" halten ein Leben lang.

© Zeitraum

Während Herr Lars erst im vergangenen Jahr an den Start ging, sind Zeitraum-Möbel fast schon Klassiker. 1990 wurde das Unternehmen im bayerischen Voralpenland gegründet. 24 Mitarbeiter sind derzeit dort beschäftigt. Von Beginn an setzte das Unternehmen auf Nachhaltigkeit, wobei der Begriff damals noch gar keine Rolle spielte, sagt Tim Köhnken, Produktentwickler bei Zeitraum. Aber das Werk „Die Grenzen des Wachstums“ vom Club of Rome war bereits bekannt, man begann, sensibel zu werden.

Behandelt wird der Werkstoff mit Öl und Wachs

Hinter der Zeitraum-Philosophie verbergen sich viele Details. So wird möglichst mit Zulieferern aus der Region zusammengearbeitet und traditionelles Handwerk gefördert. Genauso funktioniert es auch bei Herr Lars. Es wird ausschließlich Holz „aus kontrollierter und ökologisch korrekter Forstwirtschaft verarbeitet“, verspricht die Manufaktur. Man verstecke das Holz, meist stammt es von Eichen, nicht unter dicken Lackschichten. Für die Behandlung verwende man Öle und Wachse.

Einfach draufsetzen. Die Bank von Herr Lars besticht durch ihre Schlichtheit.
Einfach draufsetzen. Die Bank von Herr Lars besticht durch ihre Schlichtheit.

© Herr Lars

Während Herr Lars nur Holz aus deutschen Wäldern verarbeitet, bestellt Zeitraum den Werkstoff auch in Nordamerika. Trotz der notwendigen Verschiffung sei es in puncto Umwelt immer noch besser als die Verwendung von Stahl, bei dessen Produktion erhebliche Mengen an CO2 freigesetzt würden.

Gütesiegel sehen sie kritisch

Wie kann der Kunde wissen, dass „gutes“ Holz verarbeitet und kein Raubbau betrieben wurde? Gemeinhin soll das Siegel FSC (Forest Stewardship Council) beruhigen. Es wird von unabhängigen Prüfinstanzen und Institutionen vergeben. „Die Kunden wollen Zertifikate sehen“, sagt Tim Köhnken. Aber häufig taugen sie wenig. Greenpeace, Mitglied bei FSC, seit es 1993 gegründet wurde, ist vor zwei Jahren dort ausgestiegen. Die Umweltschutzorganisation beklagt, dass etwa in Russland oder auch im Kongobecken zertifizierte Wälder rücksichtslos abgeholzt werden. Auch die Gütesiegel ÖkoControl, der Blaue Engel oder das Goldene M sehen Experten nicht unkritisch. Bei Herr Lars ist man mit keinem der Siegel zufrieden. Lieber vertraut man den eigenen Recherchen. So wisse man genau, in welchem Forst der Baum stand, aus dem nun Stühle geworden sind.

Lieferkette mit allen Preisen wird offengelegt

Bei Zeitraum galt von Anfang an: „Wir wollen nicht nur Möbel bauen, wir wollen auch eine Botschaft vermitteln“, sagt Köhnken. Das Unternehmen stellt höchste Ansprüche an die Transparenz und will den „Furniture Footprint“ sichtbar machen. Dazu gehört, dass die komplette Lieferkette mit allen Preisen offengelegt wird. Aktuelle Sätze für den Kubikmeter Eiche fließen ebenso ein wie die Kosten für Transport und Arbeitslöhne. Der Kunde kann die Transportwege nachverfolgen und erkennt den unterschiedlichen Energiebedarf bei der Produktion. Ein Stuhl mit Polster verbraucht mehr Ressourcen als einer ohne. Auch die soziale Komponente ist Teil der Berechnungen. „Das reicht bei uns von mehr Urlaubstagen über ergonomische Arbeitsplatten bis hin zum Leasing-Fahrrad“, sagt Köhnken.

Besonders in Skandinavien und in der Schweiz steigt die Nachfrage

Während Lars Wilmer alle Möbel selbst entwirft, arbeitet Zeitraum mit namhaften Designern zusammen. Mehr als zehn Bettenmodelle etwa sind im Katalog zu finden, Sessel oder Barhocker gibt es in vielen Varianten. Nicht nur das verwendete Holz, auch die Leder und Stoffe dazu entsprechen höchster Qualität. Das alles hat seinen Preis. Trotzdem steigt die Nachfrage. Besonders in Skandinavien, in den Niederlanden und der Schweiz sei das zu beobachten, sagt Köhnken. Dort würden öffentliche Aufträge auch nach dem Standard der Nachhaltigkeit vergeben.

Kunden werden achtsamer. Sogar Ikea trägt dieser Entwicklung Rechnung. Das größte Möbelunternehmen in Deutschland will ab 2030 nur noch Waren verkaufen, die aus einhundert Prozent recycelten Materialien bestehen. Der „Furniture Footprint“ könnte Schule machen.

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