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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen bergen ein hohes Instrumentalisierungspotenzial für Extremisten.

© Christophe Gateau/dpa

„Mit dem Ziel, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben“: Verfassungsschutz erwartet mehr russische Propaganda

Der Angriffskrieg und seine Auswirkungen bergen ein hohes Instrumentalisierungspotential für Extremisten. In den kommenden Monaten könnte sich das verschärfen.

Inflation, Gasknappheit, der Ukraine-Krieg und möglicherweise eine neue Corona-Welle im Herbst – angesichts dieses brisanten Themen-Mixes versuchen Extremisten gegenwärtig, Anschluss an die Mitte der Gesellschaft zu gewinnen und diese für ihre Agenda zu mobilisieren. Zu dieser Einschätzung kommt der Verfassungsschutz.

Eine radikalisierte Minderheit aus Rechtsextremisten, so genannten Delegitimierern, Reichsbürgern und Verschwörungsgläubigen bringe sich derzeit in Stellung, um die zahlreichen Krisenthemen für ihre Zwecke zu missbrauchen, warnte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Mittwoch.

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Nach den Worten von Haldenwang komme erschwerend hinzu, dass Russland Instrumente wie Cyberangriffe und Desinformation als „hybriden Hebel“ einsetze, „um die Gesellschaft in Deutschland zu spalten“. Deshalb beobachte der Verfassungsschutz genau, ob sich die Agitation im Internet in einer Mobilisierung für verfassungsschutzrelevante Aktivitäten in der Realwelt niederschlage. Bisher gebe es noch keine Anzeichen für flächendeckende staatsfeindliche Proteste oder gar gewalttätige Massenkrawalle, so Haldenwang.

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Russland nutzt laut der Einschätzung des Verfassungsschutzes insbesondere Fragen der Energieversorgung Europas für Desinformations-Kampagnen. Mit der gezielten Verbreitung von Falschinformationen etwa zu Gasknappheit und Preissteigerungen werde „von russischen Akteuren versucht, Angst vor einer möglicherweise existenzbedrohenden Energie- oder Lebensmittelknappheit in Deutschland zu schüren“, erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Demnach werde russische Propaganda im extremistischen Milieu voraussichtlich noch zunehmen und Verschwörungsnarrative mit dem Ziel befeuern, „einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben“.

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Inflationsängste werden auch von der AfD bedient, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. So brachte die AfD-Fraktion Anfang des vergangenen Monats einen plakativen Antrag in den Bundestag ein, in dem  unter anderem eine stärkere Gewichtung der besonders stark steigenden Lebensmittelpreise bei der Berechnung der Inflation verlangt wurde. Der Antrag wurde von der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten abgelehnt.

Im Bereich des Rechtsextremismus werden nach der Einschätzung des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz insbesondere aus dem Parteienspektrum die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges einer vermeintlichen Unfähigkeit der demokratischen Parteien zugeschrieben und Preissteigerungen etwa als Folge der Globalisierung dargestellt. Das Ziel bestehe darin, „Unmut und wachsende Probleme im Alltag der Bevölkerung zu instrumentalisieren, um so langfristig das Vertrauen in Staat, Regierung und Demokratie zu unterminieren“.

Als Beispiel nennen die Verfassungsschützer die rechtsextremistischen „Freien Sachsen“, die sich anfangs mit Protesten gegen die Corona-Maßnahmen profilierten und mittlerweile verstärkt die soziale Frage in den Vordergrund rücken. Die Kleinstpartei rief jüngst mit einem Video, in dem auf eine Entführung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angespielt wurde, zu einer Demonstration gegen die steigenden Energiepreise auf.

Aber auch im linksextremen Spektrum droht etwa angesichts der Bemühungen der Bundesregierung, den Energieengpass  durch den Import von Flüssiggas zu lösen, eine weitere Radikalisierung. Die linksextremistische Szene versuche, den „legitimen demokratischen Protest“ von Klima-Aktivisten zu radikalisieren, lautet die Einschätzung der Verfassungsschützer. Deshalb habe die Behörde „entsprechende Aktivitäten gegen die fossile Infrastruktur im Blick“.

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