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Der Yamuna-Fluss, an dessen Südufer das Meisterwerk islamischer Kunst steht, ist nichts weiter als eine Kloake.

© imago stock&people

Mausoleum in Indien: Schlammpackungen für den Marmor des Taj Mahal

Insekten, Abgase und Müll machen dem Taj Mahal in Indien schwer zu schaffen. Eines der größten Probleme des Denkmals der ewigen Liebe ist seine Lage in der verdreckten Stadt Agra.

„Eine Träne auf den Wangen der Zeit“ nannte Indiens Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore das Taj Mahal einmal poetisch. Acht Millionen Besucher zieht das Mausoleum aus elfenbeinweißem Marmor in der indischen Stadt Agra jedes Jahr an. Doch um das legendäre Grabmal herum ist wenig von Poesie zu spüren.

Der Yamuna-Fluss, an dessen Südufer das Meisterwerk islamischer Kunst steht, ist nichts weiter als eine Kloake. Die Insekten, die in dem stinkigen Flussbett brüten, hinterlassen auf dem historischen Bauwerk grüne Flecken. Zudem färbt die dreckige Luft der Millionenstadt Agra den majestätischen Marmorbau gelblich ein. Angesichts der wachsenden Umweltverschmutzung in und um Agra macht die Unterhaltung und Konservierung des Weltkulturerbes immer mehr Probleme.

Nun soll der Marmor mithilfe von Schlammpackungen wieder seine weiße Farbe zurückerhalten. Indiens Kulturminister Mahesh Sharma hofft zudem, dass die Oberflächenbehandlung der Fassade auch die Insektenspuren vertreibt. Drei Viertel des ikonischen Bauwerks aus dem 17. Jahrhundert seien bereits mit Schlamm bearbeitet worden, und das Verfahren „zeigt Erfolge“, sagte Sharma kürzlich bei einer Anhörung im indischen Parlament.

Bereits im vergangenen Monat war geplant, auch die riesige Kuppel des Gebäudes mit der tonartigen Paste zu bestreichen, um die Restaurierung weiter voranzutreiben, doch dies soll nun frühestens Ende 2017 geschehen, weil das Reinigungsverfahren während der Sommerhitze nicht so wirksam ist, wenn der Schlamm zu schnell eintrocknet, ohne lange genug auf der Marmor-Oberfläche zu wirken.

Eines der größten Probleme des Bauwerks ist seine Lage

Neben der Fassadenreinigung hat nun die Archäologische Behörde Indiens den Plan abgesegnet, den Grundwasserspiegel am Taj Mahal zu erhöhen. Weil der Yamuna fast ausgetrocknet ist, fürchten Experten um die Stabilität des Gebäudes, dessen Fundament aus Holz besteht. Mit fallendem Grundwasserspiegel könnte die ganze Konstruktion irgendwann einmal im Boden versinken.

Eines der größten Probleme des Bauwerks, das der Mughal-Kaiser zum Andenken an seine Lieblingsfrau errichten ließ, ist seine Lage. Agra ist berüchtigt dafür, eines der dreckigsten Touristenziele weltweit zu sein. „Die Stadt stirbt unter einer riesigen Wolke von Dreck und die Stadtverwaltung ist nicht in der Lage, eine Lösung für dieses Chaos zu finden“, kritisiert Brij Khandelwal, Umweltaktivist und Organisator der „River Connect Campaign“ im TV-Sender India Today. Der Yamuna, der einmal die Lebensader der 1,5-Millionen-Stadt war, sei nun nichts anderes als ein Abwasserkanal. Die Stadtverwaltung sei von Korruption und miesem Management geplagt und kaum handlungsfähig.

Manche hoffen auf Agras Bürgermeister Indrajit Arya, um die Umweltprobleme anzugehen und die Stadt sauberer zu machen. Doch Arya sagt, ihm seien die Hände gebunden, weil die eigentliche Macht in den Händen des Stadtkommissars liege, den es allerdings gar nicht gebe, weil die Position nicht besetzt sei. Die örtlichen Beamten und Politiker sind mehr damit beschäftigt, jeweils den anderen die Schuld für den beklagenswerten Zustand der nordindischen Metropole zu geben, als Abhilfe zu schaffen.

Der Aktivist und Umweltschützer SK Kalra beschreibt Agra in Indien als eine Stadt im Zustand der Anarchie: „Kein System, das sonst irgendwo funktioniert, scheint hier zu funktionieren.“ Der Verkehr sei komplett falsch gemanagt, Müll werde nicht regelmäßig entsorgt, in den meisten Teilen der Stadt gebe es keine Fußwege und die Straßen seien voll Staub. Die Tajganj-Gegend, in der das Taj Mahal liegt, sei von früheren Regierungen touristenfreundlich umgestaltet worden, doch inzwischen gleiche das Gebiet wieder einer Müllhalde, weil die Stadtverwaltung nicht ordentlich arbeite.

Es bleibt wohl nur eine kosmetische Prozedur

Seit 1996 bereits besteht ein Verbot, die Kapazitäten von Industriebetrieben im Umkreis des Taj Mahals auszuweiten. Indiens oberstes Gericht hatte damals eingegriffen und einen Bann zum Schutz des historischen Bauwerkes verfügt. Eine 10 400 Quadratkilometer große Zone um das Denkmal sollte nur noch „saubere“ Unternehmen beherbergen, die weder die Luft noch das Wasser verschmutzen. Doch diese Regel wird nicht befolgt.

Zwischen 40 und 50 Glasfabriken haben laut Bericht des indischen Umweltministeriums ihren Betrieb ausgeweitet. Im September 2016 kam eine Studie des Nationalen Forschungsinstituts für das Ingenieurswesen überraschenderweise zu dem Schluss, dass die Glasindustrie in der Stadt Firozabad, knapp 50 Kilometer östlich der Taj-Mahal-Anlage, gar nicht zur Verschmutzung des Gebäudes beitragen könne, weil die Industrieabgase das Marmorbauwerk nicht erreichten. Nun bemühen sich auch andere Industrien darum, dass innerhalb der Schutzzone mehr Ausnahmen zugelassen werden.

Angesichts dieser Realität bleibt die aktuelle Schlammkur für das Taj Mahal nichts als eine kosmetische Prozedur, die wenig an den Grundproblemen ändert, die dem architektonischen Weltwunder zusetzen.

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