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Blick auf die geschlossene Katholische Kindertagesstätte "Maria Königin", aufgenommen am 10.06.2015 in Mainz-Weisenau (Rheinland-Pfalz). In dieser Kindertagesstätte soll es zu sexuellen Übergriffen unter Kindern gekommen sein - Die Kita wurde daraufhin geschlossen.

© dpa

Mainz: Sadistische Gewalt unter Sechsjährigen?

Schwere Vorwürfe gegen Mainzer Kindertagesstätte: Das Bistum Mainz spricht von "Perversitäten", die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beschwerden von besorgten Eltern waren nicht ernst genommen worden.

Die junge Mutter will am liebsten gar nicht darüber reden. Sie weiß auch nichts Genaues. Sie kann nur hoffen, dass ihrem Sohn in seiner Kita nichts Schlimmes passiert ist, wenigstens nicht allzu viel. Der Kleine erzähle nichts davon, sagt sie. Sie habe ihn mehrfach danach gefragt. Das Kind besuchte bis vor Kurzem die katholische Kindertagesstätte Mariä Königin in Mainz. Die wurde vor wenigen Tagen vom Bistum geschlossen, dem gesamten Personal fristlos gekündigt. Die Kinder wurden auf andere Kindertagesstätten in Mainz verteilt – Notfallplätze. Was über die Gründe für die Schließung bekannt wurde, klingt ungeheuerlich.

Über einen längeren Zeitraum, die Rede ist von Monaten, sollen drei- bis sechsjährige Kinder einander Gewalt angetan haben. Sie haben sich offenbar geschlagen, gequält, erniedrigt, bedroht und erpresst. Kinder hatten Angst, wenn sie nicht Spielzeug von zu Hause mitbrachten. Zwischen den 55 Kindern soll es auch zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Kleinere Kinder wurden von älteren gezwungen, sich auszuziehen, ihre Geschlechtsteile zu zeigen. Von „sadistischer Gewalt“ sprechen Psychologen, die den Katalog der Vorwürfe im Detail kennen, das Bistum Mainz spricht von „Perversitäten“. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sechs Erzieherinnen und einen Erzieher. Es besteht der Verdacht der Verletzung von Fürsorge- und Aufsichtspflichten und der Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung.

Beschwerden der Eltern waren im Vorfeld nicht ernst genommen worden

Die Missstände wurden bekannt, weil sich ein Elternpaar in einem Brief direkt an den katholischen Pfarrer der Gemeinde gewandt hatte. Der informierte die zuständigen Stellen. Offenbar hat es schon vorher Beschwerden von Eltern innerhalb der Kindertagesstätte gegeben: Diese Mitteilungen, so schreibt der Generalvikar in einem Brief an die Kita-Eltern, seien „von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kindertagesstätte nicht ernst genommen worde.“ Es sei ein „geschlossenes System“ gewesen, nichts sei nach außen gedrungen.

„Wenn eine Gruppe von Kindern so verwahrlost, trägt die Leitung der Einrichtung die Verantwortung“, sagt Ursula Enders, langjährige Leiterin von Zartbitter in Köln, eine Kontakt- und Informationsstelle gegen den sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen. Sie versteht die Aufregung um den Mainzer Fall nicht – sexualisierte Gewalt, die von Kindern ausgeht, sei nichts Neues. Enders kennt nicht wenige solcher Fälle, auch aus Kindertagesstätten. Bei gut der Hälfte der Fälle von sexueller Gewalt, die bei Zartbitter bekannt werden, handelt es sich um Übergriffe unter Gleichaltrigen. Enders fordert, dass Beschwerdemöglichkeiten für Eltern ausgebaut werden. Schon bei der Anmeldung müssten Eltern darüber informiert werden, an wen sie sich wenden können, wenn sie Probleme haben.

Was in Mainz nun im Einzelnen dazu geführt hat, dass die Gewalt in der betroffenen Kindertagesstätte so eskalieren konnte, werden die Ermittlungen jetzt klären. Mehr als hundert Personen, darunter auch die Kinder, will die Staatsanwaltschaft befragen.

Die Vorwürfe an die Kita in Mainz haben sich mittlerweile als falsch herausgestellt. Lesen Sie hierzu einen ausführlichen Bericht unter diesem link.

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