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Monumente im Vatikan. Die Schönheit Italiens ist weltberühmt. Doch die schlechte Luft macht den Menschen zu schaffen.

© AFP

Luftverschmutzung: Beim Smog ist Italien das China Europas

Nirgendwo in Europa kostet Luftverschmutzung so vielen Menschen das Leben wie in Italien. Das liegt weniger an natürlichen Ereignissen – sondern vor allem an der hohen Autodichte.

Die Gesundheitsministerin in Rom will’s nicht glauben, aber die Daten der Europäischen Umweltagentur sind eindeutig: Luftverschmutzung kostet nirgendwo in Europa so vielen Menschen das Leben wie in Italien. In dem Land, das sich gerne „il Belpaese“ nennt, das „schöne Land“, starben im Jahr 2012 an Feinstaub, an Stickoxiden und Ozon 84 400 Menschen, dreiundzwanzigmal so viele wie im Straßenverkehr. „Vorzeitig“, fügt die europäische Behörde hinzu. Wie immer man das so genau feststellen mag, der Abstand zu anderen europäischen Ländern jedenfalls ist eindeutig: Deutschland steht bei denselben Untersuchungskriterien mit 72 000 „vorzeitigen“ Toten auf Platz zwei; es folgen Frankreich (52 600), Großbritannien (52 430) und Polen (47 300 Sterbefälle).
Am stärksten belastet ist in Italien die Po-Ebene mit ihren Ballungs- und Industriezentren von Turin über Mailand bis Venedig. Die Gegend, in der über 15 Millionen Menschen leben und annähernd gleich viele Autos und Lastwagen ihre Abgase ausstoßen, zählt aufgrund seiner Geographie zu den am schwächsten belüfteten Regionen Europas. Der zähe Winternebel im Tiefland zwischen den Gebirgszügen der Alpen und des Appennin ist berüchtigt; mit ihm und den Inversionswetterlagen hält sich der Smog wie ein Deckel wochenlang über den Städten.
Schon im Februar hatte Mailand an 31 Tagen die Grenzwerte überschritten; die EU erlaubt höchstens 35 solcher Tage – im Lauf eines ganzen Jahres. In Turin war der November so trocken wie seit 160 Jahren nicht mehr, die Schadstoffgrenzen wurden kontinuierlich überschritten. In Venetien, wo 2015 fast an allen Messstellen (92 Prozent) die Luft schlechter war als erlaubt, sagt Luigi Lazzaro, der Präsident des Umweltverbandes Legambiente: „Damit schlagen wir selbst Mega-Städte wie London, Paris und Berlin.“
Im Land mit der höchsten Auto-Dichte Europas stammt der Dreck vorwiegend aus den Auspuffen. In italienischen Städten sind pro hundert Einwohner 65 Kraftfahrzeuge unterwegs, die motorisierten Zweiräder gar nicht gerechnet; das sind doppelt so viele wie in London, Paris oder Berlin. In Neapel, wo dieses Jahr die Schadstoffgrenzwerte an 135 Tagen überschritten worden sind, messen sie den im Hafen vor sich hinstinkenden Schiffen eine tragende Rolle bei, anderswo sind es die Industrieschlote und Holzheizungen.

Vor 15 Jahren war alles noch schlimmer

Immerhin, so sagen sie in Mailand, ist alles weit weniger schlimm als noch vor zehn, fünfzehn Jahren, als die Stadt fast dreimal so viele illegale Schadstofftage zu ertragen hatte wie heute. Für 2014 meldet auch das nationale Statistikamt, das Istat, im Landesdurchschnitt eine leichte Entlastung. Dabei spielen echte, erarbeitete Verbesserungen – der massive Ausbau erneuerbarer Energien auf Kosten des Erdölverbrauchs – zusammen mit eher ungewollten Auswirkungen der Wirtschaftskrise: Produktionseinschränkungen, Rückgang des Verkehrs aus privaten Sparzwängen.

Das dennoch gleichbleibend verpestete Rom versucht der Abgase derzeit durch Fahrverbote für ältere Autos Herr zu werden: „Euro Null“ und „Euro Eins“, sowie Diesel der entsprechenden Generationen dürfen tageweise nicht in die Innenstadt. Weil das den Römern natürlich gar nicht gefällt, haben selbst Politiker bisher behauptet, vieles, was als Feinstaub durch die Luft fliege, sei in Wahrheit Sand aus der Sahara, vom Scirocco übers Mittelmeer getragen. Solche Phänomene gibt’s tatsächlich, doch als Ausrede taugen sie seit Kurzem nichts mehr: Wissenschaftler haben Messinstrumente entwickelt, die Sand von Auspuffprodukten unterscheiden können. Und es hat sich herausgestellt: Die Sahara ist so gut wie unschuldig. Vier- und zweirädrig herumfahrende Verbrennungsmotoren verschmutzen die Luft fünfundzwanzigmal so stark wie sie.

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