zum Hauptinhalt
LOndon

© Tagesspiegel.de

London: Video zeigt Polizeiattacke bei G-20-Gipfel

Polizei in Erklärungsnot: Nach dem Tod eines Mannes bei den G-20-Protesten in London bringt ein Video die Einsatzkräfte in Bedrängnis. Zu sehen ist, wie der Mann von einem Polizisten gestoßen wird. Wenig später erliegt er einem Herzinfarkt.

Die Londoner G-20-Proteste der vergangenen Woche haben ein dramatisches Nachspiel. Der 47-jährige Mann, der am Abend der Proteste nach bisheriger Polizeidarstellung ohne Fremdeinwirkung an einem Herzinfarkt starb, wurde kurz zuvor von der Polizei attackiert. Dies zeigt ein Video, das dem „Guardian“ überlassen wurde.

„Was man auf dem Video sieht, ist eindeutig eine unprovozierte, widerliche Attacke“, so der liberaldemokratische Parlamentarier David Howarth, der schon vor den Protesten vor provakativem Verhalten der Polizei warnte. Er und andere Politiker fordern eine Untersuchung des Vorfalls und der gesamten Polizeioperation. Innenministerin Jacqui Smith begrüßte, dass sich die unabhängige Kommission für Beschwerden über die Polizei (IPCC) bereits mit dem Fall befasst. „Das Video zeigt klar, dass der Fall untersucht werden muss.“ Auf dem abends um 19 Uhr 20 von einem amerikanischen Hedgefond-Manager gefilmten Video sieht man, wie Ian Tomlinson, ein Zeitungsverkäufer auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, mit den Händen in den Taschen und gesenktem Kopf von einer Gruppe von Polizisten weggeht. Ohne ersichtliche Provokation wird er von einem Polizisten in Helm und gelber Sicherheitsjacke mit beiden Händen kraftvoll im Rücken gestoßen. Er fällt und gestikuliert, auf dem Boden sitzend. Ein Passant hilft ihm auf. Drei Minuten später brach Tomlinson etwa 150 Meter weiter tot zusammen. „Es gab keinen Grund, dass der Polizist ihn umgestoßen hat“, sagte Tomlinsons Stiefsohn Paul King der BBC. „Wir wollen Gerechtigkeit. Solange nicht alles an den Tag kommt, können wir unseren Vater nicht zur Ruhe betten“.

Seit den G-20-Protesten hagelt es Kritik an der Polizei. Zwar gelang es dem massiven Aufgebot, Ausschreitungen zu verhindern und den Sachschaden auf einige Fensterscheiben an einem Gebäude der Royal Bank of Scotland zu begrenzen. Aber mit der Taktik, Tausende von Demonstranten und sogar unbeteiligte Passanten stundenlang einzukesseln, löste die Polizei vehemente Kritik aus. Kaum waren die vier Demonstrationszüge um 11 Uhr 45 an der Bank eingetroffen, begann die Polizei, etwa 4000 Demonstranten einzukesseln. Dies sollte verhindern, dass sich gewaltbereite Splittergruppen von der Menge lösen. Doch auch Bankangestellte, die sich nur ein Sandwich kaufen oder auf der Straße eine Zigarette rauchen wollten, durften stundenlang nicht an die Arbeit zurückkehren. Demonstrationsteilnehmer behaupten, die provokative Taktik der Polizei habe Gewalt erst ausgelöst. Der „Guardian“ schrieb: „Wer in Zukunft demonstrieren will, muss damit rechnen, acht Stunden lang ohne Essen und Trinken eingesperrt zu werden. Wenn er schließlich gehen darf, wird er fotografiert und muss die Personalien angeben.“ Die Ära des sprichwörtlich freundlichen englischen Bobbys ist schon lange im Schwinden. Die Zahl der Polizeibeschwerden bei der IPCC stieg in den letzten fünf Jahren um 83 Prozent.

Zur Startseite