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Verbrannte Bäume in der Sperrzone um Tschernobyl. Zehn Tage lang wüteten hier schwere Waldbrände. 

© REUTERS

Löscherfolge in verstrahlter Sperrzone: Feuerwehr und Regen bringen Brände bei Tschernobyl unter Kontrolle

Fortschritt im Kampf gegen das schwere Feuer um das frühere Atomkraftwerk Tschernobyl: Einsatzkräfte müssen offiziellen Angaben zufolge nur noch einzelne Schwelbrände löschen.

Von Oliver Bilger

Regen brachte die Rettung. Zehn Tage lang wüteten Waldbrände in der Sperrzone um den im verunglückten Reaktor Tschernobyl. Am Dienstagmorgen gab es endlich eine gute Nachricht: Dank des Einsatzes der Feuerwehr und Regenfällen gebe es „kein offenes Feuer mehr“, erklärte die Katastrophenschutzbehörde. Die Feuerwehr kämpfe nun nur noch gegen einzelne Schwelbrände.

Zuvor hatten sich die Flammen durch ein Gebiet gefressen, dass seit der Katastrophe von 1986 noch immer radioaktiv verseucht ist. Zuletzt waren fast 500 Feuerwehrleute im Kampf gegen das Feuer im Einsatz. Mit schwerer Technik hätten Ingenieure insgesamt 110 Kilometer Brandschneisen gegraben, hieß es aus Ministerium für Katastrophenschutz. In der Nacht zum Dienstag hätten auch zuvor erwartete Regenfälle die Löscharbeiten begünstigt, hieß es.

„Die letzten Brände wurden heute um 7 Uhr morgens aus der Luft inspiziert. Heute werden sie vollständig gelöscht“, schrieb der stellvertretende Innenminister Anton Geraschenko auf Facebook.

Beißender Rauch in Kiew

In der Hauptstadt Kiew war am Morgen ein beißender Rauchgeruch zu spüren. Behörden zufolge gab es durch die Brände erhöhte Werte des radioaktiven Stoffs Cäsium-137 in Kiew. Sie seien jedoch unterhalb der Grenzwerte geblieben, hieß es.

Der aktuelle Index für Kiew beträgt 0,012 Milliröntgen pro Stunde (mR/h), für das Gebiet Kiew beträgt der aktuelle Index 0,011 mR/h, berichtete die Zeitung „Kyiv Post“ unter Berufung auf Ministeriumsangaben. Der zulässige Normalwert betrage 0,005 mR /h. Die Strahlung müsse höher sein als 20 mR/h liegen, um eine Bedrohung darzustellen.

Fast 500 Feuerwehrleute waren im Kampf gegen die Flammen im Einsatz.
Fast 500 Feuerwehrleute waren im Kampf gegen die Flammen im Einsatz.

© Volodymyr Shuvayev / AFP

„Das Feuer ist nicht einfach“

Noch am Montagabend hatte es unterschiedliche Aussagen zur Lage in der Sperrzone im Radius von 30 Kilometern um das havarierte Kraftwerk gegeben. Der Leiter des Regionalen Feuer-Beobachtungszentrums für Osteuropa mit Sitz in Kiew, Sergej Sibzew, sagte der Nachrichtenagentur AFP, das Feuer sei „riesig“ und „unberechenbar“. Im Westen des Sperrgebiets seien bereits 20.000 Hektar betroffen.

Umweltschützer warnten, das Feuer sei dem Atomkraftwerk gefährlich nahegekommen. Greenpeace Russland erklärte unter Berufung auf Satellitenbilder, das Feuer sei an der nächstgelegenen Stelle nur noch 1,5 Kilometer von der Schutzhülle um den havarierten Reaktorblock entfernt.

Jaroslaw Jemelijanenko, Mitarbeiter der staatlichen Agentur für das Management der Sperrzone und Touristenführer in die Gegend um das Kernkraftwerk, erklärte auf Facebook, das Feuer habe bereits die verlassene Stadt Prypjat erreicht. „Die Situation ist kritisch. Die Zone steht in Flammen“, schrieb er. „Die lokalen Behörden berichten, dass alles unter Kontrolle ist, aber tatsächlich breitet sich das Feuer schnell auf neue Gebiete aus.“

Eine Aufnahme vom Sonntag zeigt den Großbrand um das Kernkraftwerk Tschernobyl.
Eine Aufnahme vom Sonntag zeigt den Großbrand um das Kernkraftwerk Tschernobyl.

© Uncredited/Ukrainian Police Press Office/AP/dpa

Der Katastrophenschutz wies die Schilderungen zurück, wonach die Brände außer Kontrolle geraten seien und sich dem stillgelegten Kraftwerk und der verlassenen Stadt Prypjat näherten. „Ja, die Situation ist schwierig. Wirklich schwierig. Doch sie ist kontrollierbar. Das Feuer ist nicht einfach“, sagte Behördensprecherin Olga Kosak am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Kiew. Starker Wind erschwere die Löscharbeiten. Doch sei die Lage unter Kontrolle.

„Für das Atomkraftwerk und die Lagerstätten besteht keine Gefahr“, erklärte ein ranghoher Beamter der Katastrophenschutzbehörde, Wolodymyr Demschuk, am Abend in einer Videobotschaft.

Präsident bestellt Chef des Katastrophenschutzes ein

Die Grenzwerte für radioaktive Strahlung seien in den besiedelten Gebieten, die an das Sperrgebiet rund um das Atomkraftwerk grenzen, nicht überschritten worden, versicherte die Zonenverwaltung am Wochenende. 

Nach Kritik an seinem Schweigen zu den Bränden bezog der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Montagabend Stellung. Er verfolge die Lage in der Sperrzone sehr genau, erklärte er, und kündigte an, den Chef der Katastrophenschutzbehörde einzubestellen. „Die Gesellschaft hat das Recht, die Wahrheit zu kennen und in Sicherheit zu sein“, erklärte der Präsident angesichts von Meldungen und Gerüchten über einen Anstieg der Radioaktivität durch das Feuer und Risiken für die Ruine des früheren Atomkraftwerks. (mit dpa, AFP)

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