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Norddeutsche Tristesse. Urlauber auf Heimweg.

© Carsten Rehder/dpa

Lockdown auf Sylt: Schluss mit Urlaub

Auf den Inseln in Nord- und Ostsee werden Touristen aufgefordert, die Abreise anzutreten. Denn in ihren Krankenhäusern könnten Intensivbetten knapp werden.

Es waren dramatische Worte, die Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Sonntag per Videobotschaft über den Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag an die Bürger, vor allem jedoch an die Touristen im Land richtete: „Ich will alle Menschen, die im Moment hier in Schleswig-Holstein ihren Urlaub verbringen, ausdrücklich dazu aufrufen, ihren Urlaub abzubrechen und in ihre Heimatländer, in ihre Heimatregion zurückzukehren.“

Dass sich etwas zusammenbraute im Norden und insbesondere auf Sylt, war schon im Laufe des Samstags klar geworden: Inselbewohner sandten Hilferufe via Twitter, weil sie sich von offenbar massenhaft anreisenden Touristen überrannt fühlten.

Noch mehr Reiseverkehr als sonst hatten am Wochenende in den sozialen Netzwerken auch Einwohner anderer Küstenorte vor allem an der Nordsee gemeldet. Schuld an allem war offenbar das Coronavirus: Die Bevölkerung, deutschlandweit dazu aufgefordert, Veranstaltungen zu meiden und stattdessen lieber zu Hause zu bleiben, machte sich stattdessen auf den Weg an die Küste.

Ob Sankt-Peter-Ording, Cuxhaven-Duhnen oder eben Sylt: Viele nutzten das gute Wetter (und manche vielleicht auch die erzwungene Freizeit), um im gesunden Reizklima frische Luft zu schnappen. Kritik gab es in den sozialen Netzwerken unter anderem auch an Tourismuszentralen auf Sylt und in St. Peter-Ording, die in der vergangenen Woche sogar noch um Touristen geworben hatten – mit Bezug auf die gute Meeresluft, wie die Husumer Nachrichten berichteten.

Wobei: So ganz verkehrt ist diese Idee an sich ja nicht. Während in Paris oder in Österreich die Parks gesperrt werden, empfiehlt Deutschlands derzeit bekanntester Virologe Christian Drosten von der Charité durchaus, an der frischen Luft spazieren zu gehen.

Allerdings stößt ein Mikrokosmos wie eine kleine Insel im Wattenmeer dabei schnell an seine Grenzen: Sylt etwa hat zwar ein Krankenhaus, aber nicht annähernd genug Intensivbetten für den Fall, dass sich massenhaft Touristen und Einheimische auf der Insel, in Restaurants, Hotels und Bars, mit dem Coronavirus anstecken.

Am Sonntag dann reagierte die schleswig-holsteinische Landesregierung: Seit 6 Uhr Montag Früh gilt für die Inseln im Norden – an der Nordsee wie auch an der Ostsee – praktisch ein Lockdown. Nur noch Personen mit erstem Wohnsitz auf der Insel haben Zutritt – und jene, die dort arbeiten. Touristen sollen abreisen, Einheimische nach Hause zurückkehren und dort bleiben. Die Befolgung der Anordnung, keine Touristen mehr auf die Inseln zu lassen, wird von der Polizei kontrolliert, die auch die Verkehrsregelung übernimmt.

Insulaner fürchten sich vor den Einbußen in der Tourismusbranche

Die anderen Küstenländer, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, haben ihre Inseln inzwischen ebenfalls für Touristen abgeriegelt. Die Bahn erwartet dennoch kein Verkehrschaos, wenn jetzt viele Touristen gleichzeitig abreisen: „Die Regionalbahnen in Ostfriesland und auch der Sylt-Shuttle verkehren planmäßig. Zusätzliche Fahrten sind nicht geplant“, sagt Bahnsprecherin Franziska Hentschke. Eher würden die Fahrpläne in den kommenden Tagen ausgedünnt, weil dann das Reiseaufkommen spürbar zurückgehe.

Schon jetzt versuchen kaum noch Touristen, auf die Inseln zu gelangen, die Lage in Niebüll und am Fährhafen Dagebüll ist entspannt. Auch auf Sylt erwartet man offenbar kein größeres Chaos: „Es ist zumindest keine Panik ausgebrochen“, sagt Jutta Vielberg von Sylt-Marketing. „Nicht alle, aber die überwiegende Mehrheit der Gäste“ zeige sich verständnisvoll. Und auch den Gastronomen und Hoteliers sei die Bedeutung der Maßnahme zur Eindämmung des Virus bewusst: „Wir ziehen hier gemeinsam an einem Strang.“

Auf dem ostfriesischen Langeoog sah die Lage am Montag dagegen etwas anders aus: „Es gibt eine große Verunsicherung auf der Insel“, sagt Bürgermeisterin Heike Horn auf Anfrage des Tagesspiegel. Während die Pressemitteilung über die Abriegelung der Insel nämlich schon längst draußen war, fehlte noch der behördliche Erlass – und ohne den sind Verwaltung und Polizei die Hände gebunden. Der Landkreis Wittmund hatte zwar schon Polizisten an den Fährhafen Bensersiel geschickt – die konnten jedoch ohne behördliche Verfügung niemanden daran hindern, auf die Insel zu fahren. Rund 2500 Touristen befanden sich am Montagvormittag noch auf der autofreien Insel.

Wirtschaftlich ist die Lage für Gastronomen und Hoteliers, aber auch für die Kommunen selbst auf den Inseln prekär: Der Tourismus ist ihre Haupteinnahmequelle. Eigentlich sollte jetzt langsam die Saison beginnen, der traditionelle erste Höhepunkt wären die Osterferien gewesen. Stattdessen nun: Der Lockdown.

Wie es wirtschaftlich für die Gastronomen und Hoteliers auf den Inseln weitergeht, ist im Moment noch völlig unklar. Langeoogs Bürgermeisterin Heike Horn rechnet damit, dass sich das Ganze noch „über Monate hinzieht“. Auf den Inseln hofft man jetzt auf schnelle wirtschaftliche Hilfe durch die Landesregierungen.

Karolina Meyer-Schilf

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