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Frau mit Hut. Ende letzten Jahres veröffentlichte Lena ihr drittes Album "Stardust".

© Sandra Ludewig

Lena Meyer-Landruth im Interview: „Ich bin kein Partymensch“

Lena Meyer-Landrut über mitternächtliche Müdigkeitsattacken, ihr Treffen mit Dirk Nowitzki und vergebene Chancen.

Ein trüber Vormittag in Friedrichshain. Lena Meyer-Landrut steht in einem Konferenzraum ihrer Plattenfirma, umgeben von einem Stylisten und einer Visagistin. Es läuft Musik, Rihanna. Die höre sie zurzeit rauf und runter, sagt Lena und dreht die Lautstärke ihres iPods etwas leiser. Draußen plätschert die Spree unter der Oberbaumbrücke hindurch, drinnen nimmt die Sängerin auf einem Stuhl platz und wirkt entspannt. Vor ihr auf dem Tisch steht eine Flasche „Club Mate“.

Lena Meyer-Landrut, Sie haben mal beklagt, Ihnen sei die Leichtigkeit abhanden gekommen. Wie ist es jetzt darum bestellt?

In einem Interview ging es mal um die Frage, wie sich mein Leben verändert hat, wie ich mich verändert habe. Meine Antwort war, dass mir die Leichtigkeit abhanden gekommen sei. Es war darauf bezogen, dass ich plötzlich so ins Berufsleben reingeschmissen wurde. Direkt von der Schule aus. Da sieht man die Welt aus einer ganz anderen Perspektive. Damit musste ich erst mal klarkommen. Jetzt fühle ich mich viel besser, die Leichtigkeit ist wieder zurück.

Woran mussten Sie sich im Speziellen gewöhnen?

An minikleine, aber essenzielle Sachen. Ich bin von zu Hause ausgezogen, von Hannover nach Köln. Allein das nimmt einem ja schon total viel Naivität. Plötzlich muss man sich um Mietverträge, kaputte Heizungen und solche Geschichten kümmern. Dann der Job. Ich war viel mehr unterwegs als früher, habe meine Freunde weniger gesehen. Normalerweise ist das ja ein schleichender Prozess. Bei mir kam alles sehr abrupt. Das muss man erst mal für sich formen, wie es gut ist. Jetzt habe ich zum Beispiel wieder viel mehr Zeit für meine Freunde. Ich versuche, mich nach ihnen zu richten. Das klappt ganz gut, denn teilweise arbeite ich eine Woche durch und kann keinen sehen, dann habe ich die nächste Woche frei und kann meinen Tag um sie herum planen.

Sie haben also die Selbstbestimmung über Ihr Leben zurückerlangt?

In den ersten zwei Jahren war ich kaum selbstbestimmt, weil ich nicht in der Position war zu sagen: Das will ich machen und das nicht. Ich hatte damit ja auch null Erfahrung, deshalb war diese Zeit der Fremdbestimmung das allerbeste, was mir passieren konnte. Jetzt kenne ich mich in dem Geschäft ein bisschen besser aus, so dass alles immer in Absprache abläuft.

Es heißt, Sie arbeiten gern tagsüber. Für Künstler eher ungewöhnlich.

Ja, das stimmt. Ich muss das immer vorher sagen, denn fast alle Musiker sind Nachtmenschen. Die fangen am liebsten um vier Uhr nachmittags an und machen dann durch. Das kann ich nicht. Um Mitternacht werde ich zum Murmelschlaftier. Das war schon immer so. Ich gehe auch nicht in Discos und bin kein Partymensch. Das ist nicht mein Ding.

Hat das vom Biorhythmus gut zu den Leuten gepasst, mit denen Sie in Schweden an Ihrer dritten Platte gearbeitet haben?

Da mussten wir einen Kompromiss finden. Wir haben miteinander geredet und dann ging das gut.

Warum ausgerechnet Schweden?

Der Kontakt zu Miss Li, mit der ich zusammengearbeitet habe und die Schwedin ist, kam über die Plattenfirma. Wir waren zu einer Zeit da, in der es richtig kalt war. Ich hatte einen roten Mantel an mit einer riesigen Kapuze und wurde ungefähr von zehn Leuten am Tag auf diesen Mantel angesprochen. Das war für mich etwas Besonderes. In Deutschland würde mir die Leute auf der Straße hinterherschreien: Ey, du bist doch Lena! Ansonsten bin ich in Stockholm zu nichts gekommen. Ich war auf keinem einzigen Konzert, habe kein Sightseeing gemacht, war kaum shoppen. Das Einzige, was ich mir gekauft habe, waren Sneakers.

Waren Sie vor der Veröffentlichung des neuen Albums immer noch aufgeregt oder hat sich da eine Routine eingestellt?

Ich war schon aufgeregt, aber nicht so sehr, dass ich mich einen Tag vorher hätte übergeben müssen. Ich hatte wenige Erwartungen, aber viele Hoffnungen, weil ich viel mehr Input gegeben habe. Bei den vorherigen Alben war ich nur Interpretin, jetzt war ich Teil des Prozesses. Außerdem waren früher viele Leute im Hintergrund: der ESC, Stefan Raab, Brainpool, die Produktionsfirma. Keiner hatte auch nur den Anschein erweckt, es würde nicht laufen, und deshalb hatte ich auch keine Zweifel. Ich war sehr unbekümmert. Tatsächlich war keine große Wertschätzung da, weil ich nicht wusste, was das bedeutet. Jetzt ein Album rauszubringen und einen Echo zu bekommen – ich bin ausgeflippt. Das war so cool. Ich habe jetzt einen anderen Bezug zu der Arbeit, die ich mache.

All Ihre Preise: Wo stehen die eigentlich?

Zu Hause im Regal.

Auch das gläserne Mikrofon, das Sie beim Eurovision Song Contest 2010 in Oslo gewonnen haben?

Ja. Das ist eigentlich nicht die Regel, aber der ARD-Chef hat ein bisschen was für mich gedreht und dann durfte ich es haben. Das ist natürlich total Granate. Die Trophäe ist absurd schwer und hat eine Aura. Ich habe schöne Erinnerungen an die Zeit.

Die private Lena – was macht die so?

Ich treffe gerne Freunde, für die ich dann zu Hause koche. Das macht mir Spaß. Mein Freund guckt viel Sport und lädt gern Leute ein. Dann sitzen die bei uns auf dem Sofa und gucken Basketball. Die New York Knicks und Brooklyn Nets sind seine Teams.

Mal live bei einem Spiel gewesen?

Ja, in Dallas. Bei den Mavericks mit Dirk Nowitzki. Ich hatte ihm geschrieben, dass ich voll gerne mal zu einem Spiel kommen würde. Er sagte: Okay. Dann bin ich hingefahren, er hatte Karten für uns hinterlegt. Es war ein Play-off-Spiel und leider haben die Mavericks verloren. Aber Dirk war trotzdem wahnsinnig nett und hat mich gleich umarmt. Dann hat er mir erzählt, wo er den ESC gesehen hat. Er ist einer der nettesten Männer, die ich je kennengelernt habe. Neben Wladimir Klitschko.

Mit 21 haben Sie drei extreme Jahre hinter sich. Von totaler Zuneigung bis hin zu harscher Kritik. Wie ertragen Sie das?

Ich glaube, man muss gute Leute um sich herum haben. Meine Familie hält mich immer auf dem Boden. Hört sich vielleicht ausgelutscht und blöd an, ist aber so. Die sagt mir, dass ich auch mal einen Gang runterschalten muss, wenn ich gerade mal wieder auf 180 und in meinem eigenen Film bin.

Erst waren Sie das neue deutsche Fräuleinwunder, dann die Zicke. Haben Sie rückblickend Fehleranalyse betrieben, woran das gelegen hat?

Klar. Ich bin einfach irgendwann müde geworden. Ich hatte keinen Bock mehr, wollte einfach nur nach Hause. Das geht jedem anderen mit einem normalen Büro-Job auch mal so. Aber in diesem Geschäft hat man nur eine Chance und wenn die vertan ist, gilt man halt als Arschloch. Mit Sicherheit war ich das eine oder andere Mal unangebracht unfreundlich. Zum Beispiel Frank Elstner gegenüber. Oder Casper ...

... der Rapper, mit dem Sie in einer gemeinsamen Fernsehsendung recht ruppig umgegangen sind ...

Dabei haben wir uns eigentlich gut verstanden. Vor kurzem trafen wir uns bei einem Jay-Z-Konzert in Köln und saßen zusammen. Die Sendung hat einen falschen Eindruck vermittelt, unser Humor kam nicht richtig rüber. Wenn er gesagt hat, „Hier stinkt’s“, hab ich geantwortet: „Ich glaub, du stinkst“. Wir fanden das lustig. Nur in den Medien und Internetportalen wurde das anders interpretiert. So was passiert, da muss man drüber hinwegkommen. Ich kann das ertragen. Sonst hätte ich vor anderthalb Jahren aufgehört.

Je ernsthaft darüber nachgedacht?

Voll oft. Ich fand Deutschland manchmal ziemlich anstrengend und hatte das Gefühl, ich will unbedingt weg. Nach Frankreich, Spanien, England, egal. Mittlerweile hat sich das gelegt. Es ist ein Lernprozess, damit umzugehen, dass man eine Person des öffentlichen Lebens ist. Man wird angeguckt, angesprochen, fotografiert. Anfangs hat mich das echt abgefucked. Ich konnte noch nicht mal zum Kiosk gehen, ohne dass mich jemand angequatscht hat. Heute freue ich mich darüber, weil mir klar ist, dass die Leute offensichtlich meine Musik gut finden.

Welche Gemeinsamkeiten verbinden Sie heute noch mit Ihren Freunden?

Meine Interessen haben sich nicht verschoben. Ich bin total der Gossip-Typ. Ich liebe Klatsch und Tratsch und weiß alles über die Stars und Sternchen. Ich abonniere auf dem Handy den Newsletter der „Gala“, lese die einschlägigen Internetseiten und tausche mich darüber mit meinen Freundinnen aus. Mit Anfang 20 findet man so was eben cool. Ansonsten unterhalten wir uns über Alltägliches. Wenn mir eine Freundin erzählt, wie ihr Studium läuft, ist das für mich ein Universum, das ich nicht greifen kann. Ich schaue zu Leuten auf, die studieren, weil ich davor Respekt habe.

Sie wollten auch mal studieren. Wie steht’s darum?

Ich hab das aufgeschoben. Ich wollte mich einschreiben für Philosophie und Erziehungswissenschaften, doch für Letzteres war mein NC zu schlecht.

Wie war denn Ihr Notendurchschnitt?

Darüber spricht man nicht. Genau so wie über Geld. Ich dachte einfach, es wäre schön, eine wöchentliche Routine zu haben. Aber dann wollte ich mich doch lieber meinem nächsten Album widmen. Studieren kann ich auch in fünf Jahren noch.

Neuerdings werden Sie von einer Schauspielagentur vertreten. Gibt es bereits Angebote?

Ja, die gibt’s – aber keine Zusagen. Es war noch nichts Passendes dabei. Ich suche nicht händeringend nach einem Film. Ich hab Lust, das auszuprobieren. Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus „Keinohrhase 3“ zu machen.

Schon Schauspielunterricht genommen?

Das würde ich machen, sobald ein Angebot käme, auf das ich Bock hätte. Momentan habe ich dafür gar keine Zeit.

Weil Sie ja gerade auf Tour sind. Die Hallen, in denen Sie heute spielen, sind kleiner als früher. Sind Konzerte dadurch einfacher oder schwieriger?

Es ist nicht schwieriger, vor 1500 Leuten zu spielen als vor 10 000. Schwierig wird es, vor zehn Leuten aufzutreten. Man hat dann nicht diesen Masseneffekt. Wenn 9500 das gut finden, was man macht, und 500 mögen es nicht, dann hört man die nicht so sehr. Aber wenn da jetzt zehn stehen und sagen, das sei aber sehr schlecht gewesen, dann bekommt man das voll mit. Das kommt einem näher.

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