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Die schwedische Polizei (Archivbild) hat große Probleme mit der Gang-Kriminalität.

© Rob Schoenbaum/imago/Xinhua

Land kämpft mit kriminellen Gangs: Zahl der Bombenanschläge in Schweden steigt stark an

In kaum einem anderen europäischen Land greifen Kriminelle so häufig zu Sprengstoff wie in Schweden. Jetzt gab es wieder mehrere Explosionen.

In der Region der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat es in der Nacht zu Donnerstag drei Explosionen gegeben. Wie der schwedische Sender SVT berichtet, sieht die Polizei zum jetzigen Zeitpunkt keinen direkten Zusammenhang zwischen den Vorfällen in den Stadteilen Södermalm, Vaxholm und Södertälje. Es ist allerdings alles andere als unwahrscheinlich, dass es sich um Gang-Kriminalität handelt – wie schon so oft in diesem Jahr.

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"Wir überprüfen weiter, ob es Zusammenhänge gibt oder Parallelen zu anderen Taten", sagte Ola Österling, Sprecherin der Stockholmer Polizei, dem Sender. Bombenspezialisten seien vor Ort. Personen kamen nach bisherigem Kenntnisstand bei den Explosionen nicht zu Schaden.

Wie die Zeitung "Dagens Nyheter" (DN) online schreibt, könnte ein Zusammenhang zwischen der Explosion in Södermalm und der im Stockholmer Vorort Abrahamsberg nahe des Flughafens Bromma am vergangenen Wochenende bestehen. Nach Angaben der Zeitung sind zwei Bewohner an den beiden Adressen verwandt miteinander. Einer der beiden betreibt DN zufolge ein Fitnessstudio, der andere sei bereits mehrfach vorbestraft – unter anderem wegen Dopingvergehen und dem Besitz von Dopingmitteln.

Ein Bewohner des Hauses im Stockholmer Stadtteil Södermalm sagte STV: "Ich wachte von der Explosion und den Vibrationen auf (…) Das war ein heftiger Knall. Alle Fenster sind zerborsten." Unter Berufung auf Polizeikreise heißt es weiter, eine Sprengladung habe die Explosion verursacht.

Die Vorfälle der vergangenen Nacht sind kein Einzelfall. Zwischen Januar und September hat es in Schweden nach Angaben des Nationalen Rats für Gewaltprävention bereits 173 Sprengstoffanschläge gegeben. Meist handelte sich um Explosionen von kleineren Bomben oder Handgranaten vor Polizeiwachen, Einkaufscentern, Restaurants oder Wohnhäusern.

Nach Angaben der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) sieht man beim beim Nationalen Forensischen Zentrum, das für kriminaltechnische Untersuchungen zuständig ist, dieselbe Tendenz. Die in Linköping angesiedelte Behörde nahm 2013 knapp 100 Sprengstoffanalysen vor, 2018 waren es 255 und im laufenden Jahr demnach schon fast 200.

Nach Anschlag in Linköping im Juni glich das Gebiet einem Kriegsschauplatz

Einen bisherigen traurigen Höhepunkt stellte ein Anschlag am 7. Juni in eben Linköping dar. Die Explosion war Augenzeugenberichten zufolge über die Stadtgrenzen hinaus zu hören. Im Zentrum der Stadt wurden an einem fünfstöckigen Mietshaus die Fassaden aufgerissen, Straßen, Bürgersteige und Gehwege waren mit Trümmern übersät, das Gebiet glich einem Kriegsschauplatz. Insgesamt wurden 250 Wohnungen zerstört oder beschädigt. 20 Personen wurden leicht verletzt, wie durch ein Wunder kam niemand ums Leben.

Am 7. Juni gab es in Linköping eine gewaltige Explosion.
Am 7. Juni gab es in Linköping eine gewaltige Explosion.

© Jeppe Gustafsson/TT News Agency/via REUTERS

Die Bombe war in einem vor dem Haus abgestellten Transportfahrrad platziert war. Wie die NZZ berichtet, wurde Analysen der nationalen Einheit für Bombenschutz zufolge die Explosion durch 15 bis 20 Kilogramm Dynamit verursacht. Damit handelte es sich um den kräftigsten Anschlag seit zwei Jahrzehnten. Bei einer Reihe von Anschlägen in Malmö, die ebenfalls beträchtliche Schäden verursachten, wurden demnach je rund 0,5 bis 1 Kilogramm Sprengstoff verwendet. Verhaftungen gab es bisher keine.

Regierung macht rivalisierende Gangs für Explosionen verantwortlich

In Schweden kam es bereits während der neunziger Jahre zu einer Reihe von Bombenanschlägen, als sich die Motorrad- und Rockerklubs Hell’s Angels und Bandidos einen regelrechten Krieg lieferten. Hinter der jetzigen Gewaltspirale stehen dagegen mehr als zwei Gruppen. Kriminalisten und die Polizei davon aus, dass sich eine ganze Reihe von Gangs bekämpfen.

Auch die Regierung sieht einen Zusammenhang zwischen der Explosionsserie und der wachsenden Gang-Kriminalität im Land. Wie die Polizei steht auch der Innenminister unter Druck.: "Was wir brauchen sind schärfere Strafen für besonders schwere Delikte. Und es müssen mehr Verbrechen als schweres Waffendelikt eingestuft werden – damit diejenigen, die verurteilt werden, längere Haftstrafen erhalten", sagt Mikael Damberg. "Das Allerwichtigste ist aber, den Ausbau der Polizei voranzutreiben und in den kommenden fünf Jahren 10.000 neue Polizisten anzustellen."

Wieder Grenzkontrollen zwischen EU-Ländern Dänemark und Schweden

Wie die ARD berichtet, gibt es auch in Dänemark vermehrt Sprengstoffanschläge. Am Montag gab es eine Explosion vor einer Sisha-Bar. Es war 2019 demnach die 14. Explosion in der Hauptstadt. Der dänische Justizminister Nick Haekkerup geht von einem direkten Zusammenhang zwischen der Anschlagsserie in seinem Land und der steigenden Gewalt beim Nachbarn Schweden aus.

"Wir sehen seit gut einem Jahr eine beunruhigende Entwicklung in Schweden, mit einer großen Anzahl an Explosionen und anderer grober Kriminalität, die sich mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung bringen lässt", sagte Haekkerup der ARD zufolge.

"Wir haben ein Interesse daran, dass sich diese Entwicklung nicht nach Dänemark ausbreitet. Deshalb haben wir beschlossen, den Grenzschutz zu Schweden zu erhöhen." Auf Fähren, Zügen und den Straßen im Grenzbereich soll es daher ab dem 12. November wieder Kontrollen zwischen den beiden EU-Ländern geben.

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