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Panorama: Königlicher Auftritt

Kaum jemand zweifelt daran. Helen Mirren wird für ihre Rolle als Queen den Oscar bekommen

Die Queen trägt ein steifes, helllila Seidenkleid, eine Perlenkette und vernünftige Schuhe, aber trotz des durchgedrückten Kreuzes und des gemächlichen Tempos gleicht ihr Gang eher einem Staksen als einem Schreiten. Die Queen sitzt mit geradem Rücken auf einem Sofa, das nicht so aussieht, als könnte man es sich darauf bequem machen, und kreuzt die Füße in Fünfziger-Jahre-Manier. Die Queen hantiert mit einer überdimensionalen Brille, von der man nicht den Eindruck hat, dass es sich dabei tatsächlich um eine Sehhilfe handelt, denn die Frau scheint ohnehin blind zu sein. Die Queen, das ist Helen Mirren in dem gleichnamigen Film; und auch wenn die Schauspielerin ein wenig schmaler im Gesicht ist als ihr Rollenvorbild, so sieht sie Elizabeth II. doch verblüffend ähnlich.

Und mehr als das: Helen Mirren muss ihre Königin, die sie erst 2003 zur „Dame of the British Empire“ kürte, en detail studiert, sie geradezu in sich aufgesogen haben, so sehr stimmen ihre Gesten, ihre Mimik, ja selbst ihr Sprachduktus mit dem königlichen expressiven Repertoire überein. Elizabeth II. könnte sie glatt als Double engagieren.

Stephen Frears’ neuer Film spielt in der Woche, die im April 1997 die Welt erschütterte: als Lady Di und ihr Liebhaber Dodi Al-Fayed bei einem Autounfall in Paris ums Leben kamen und die königliche Familie sich auf Schloss Balmoral verschanzte, anstatt mit dem britischen Volk um die Prinzessin zu trauern. Der frisch zum Premierminister ernannte Tony Blair hat, so denkt man angesichts dieses Films, die britische Monarchie gerettet, indem er das Wort von der „Prinzessin des Volkes“ prägte und die Königin schließlich dazu bewegte, Diana ein Staatsbegräbnis zuzugestehen und eine Fernsehansprache zu ihren Ehren zu halten.

Helen Mirrens größte Kunst bei der Darstellung der Monarchin besteht darin, dass sie bis zuletzt daran zweifeln lässt, ob die Queen schließlich doch von dem überzeugt ist, was sie tut, oder ob sie das nur vorgibt. Ein augenzwinkernder Hinweis darauf, dass die Queen womöglich eine noch bessere Schauspielerin ist als sie selbst.

1995 – Hellen Mirren war damals 50 Jahre alt – porträtierte Lord Snowdon, Fotograf und zeitweiliger Ehemann von Margaret, der jüngeren Schwester der Queen, die Schauspielerin in einer Theatergarderobe. Man sieht eine elegante, schöne, durchtrainierte Frau in einem sehr fest geschnürten Mieder, die sich mit der Fingerspitze Rot auf die Lippen tupft. Mit wildem Blondschopf, üppigem Dekolleté und verführerischem Blick erinnert sie in keinem Detail an das steife, prüde Wesen mit eisengrauer Dauerwelle, das sie in Frears’ neuem Film spielt. Helen Mirren kann nämlich, so hat sie im Verlauf ihrer beinahe 40-jährigen Filmkarriere gezeigt, auch ganz anders, aber gut war sie immer.

Geboren 1945 als Iljena Wassiljewna Mironow, ist Helen Mirren, des russischen Namens zum Trotz, Londonerin. Ihr Großvater, ein Gesandter des Zaren, strandete 1917 in den Revolutionswirren dort und ließ Frau und Sohn, Helens Vater, nachkommen. Russisch spricht sie dem Vernehmen nach kaum, dafür jede Sorte Englisch umso besser. Zum Beispiel das amerikanische: Als langjährige Lebensgefährtin des Regisseurs Taylor Hackford ist sie zeitweilig in Los Angeles zu Hause. Sie spielt Theater in London und am Broadway, sie trat erst 2005 als Königin Elizabeth I., die im 16. Jahrhundert regierte, in einer britischen Fernsehserie auf und spielte in historischen Filmen wie Robert Altmans „Gosford Park“ (2001) und jeder Menge Shakespeare-Adaptionen. Aber sie beherrscht auch handfestere Sujets: So verkörperte sie 2003 in „Calendar Girls“ eine beherzte, lebenslustige Kleinstadt-Hausfrau, die nicht nur selbst als Aktmodell für einen Kalender posiert, sondern auch noch ihre Freundinnen dazu animiert, um den Verkaufserlös einem Krankenhaus zu spenden. Diese Rolle brachte ihr den Europäischen Filmpreis als beste Darstellerin ein. Und in der seit 1991 laufenden britischen Fernsehserie „Prime Suspect“ ist sie die kritische, energische Detektivin Jane Tennison, der ihre männlichen Kollegen mitunter das Leben zur Hölle machen. Und dann wieder spielte sie die Gattin des sadistischen Gangsters in Peter Greenaways gefeiertem Arthouse-Film „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ (1989).

Helen Mirren hat während ihrer langen Karriere jede Menge Auszeichnungen gesammelt, ein Oscar war allerdings noch nicht dabei, obwohl sie zweimal als Nebendarstellerin nominiert war: für „Gosford Park“ und „The Madness of King George“ (1994). Dieses Jahr scheint ihr der Oscar, und zwar natürlich als Hauptdarstellerin, schon sicher, ohne dass die Academy überhaupt die Nominierungen bekannt gegeben hat. Ihrer wahrhaft majestätischen Darstellung kann allenfalls Meryl Streep als zickige Vogue-Chefin in „Der Teufel trägt Prada“ das Wasser reichen, aber Helen Mirren ist einfach dran.

„The Queen“ startet am Donnerstag in den deutschen Kinos.

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