zum Hauptinhalt
Christiano Ronaldo bei einem Spiel der italienischen A-Serie im April.

© Isabella BONOTTO / AFP

Klageschrift an Fußballstar unzustellbar: „Ronaldo hatte seine Anwälte dafür nicht autorisiert“

Gegen Cristiano Ronaldo läuft eine Klage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung – doch der Fußballstar entzieht sich der Justiz. Ein Interview.

Kathryn Mayorga wirft dem Fußballer Cristiano Ronaldo vor, sie nach einem Clubbesuch im Juni 2009 in einem Hotelzimmer in Las Vegas vergewaltigt zu haben. Der Star von Juventus Turin bestreitet die Vorwürfe. Zunächst einigten sich beide außergerichtlich. Dann kam es jedoch zur Klage. Die Journalistin Antje Windmann arbeitet für das Nachrichtenmagazin „Der SPIEGEL" und veröffentlichte im September 2018 mit dem Rechercheteam "Football Leaks" die Vorwürfe Mayorgas gegen Ronaldo. Ein Interview über die Hintergründe – und die Schwierigkeit, gegen Prominente vor Gericht anzukommen.

Frau Windmann, die US-Amerikanerin Kathryn Mayorga hat im September 2018 eine Klage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung gegen Portugals Fußballstar Cristiano Ronaldo eingereicht. Am Mittwoch meldete die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg, dass Kathryn Mayorga die Klage zurückgezogen hätte –  das stellte sich dann aber als Falschmeldung heraus. Wie kam es zu der Meldung?

Ich nehme an, dass die Kollegen gesehen haben, dass eine Klage Mayorgas bei einem US-Gericht in Nevada zurückgezogen wurde. Daraus haben sie die falschen Schlüsse gezogen. Das Verfahren ist seit Januar anhängig bei einem Bundesgericht. Mayorgas Anwalt hatte es dorthin quasi verlagert, um die Frist zu verlängern, innerhalb derer Ronaldo die Klage zugestellt werden kann. All das hatten wir aber auch schon Mitte April im „Spiegel“ berichtet.

Alle Welt weiß, wo Ronaldo gestern Abend war – er schoss seine Nationalmannschaft mit drei Toren gegen die Schweiz ins Finale der Nations League. Wie kann es sein, dass man als Justiz über Monate keinen Zugriff hat? Oder dass sein Anwalt Post nicht entgegennimmt?

Gewöhnlich nehmen die bekannten anwaltlichen Vertreter so eine Klage entgegen. Ronaldo hatte seine Anwälte dafür nicht autorisiert. Er verlange eine Zustellung nach internationalen Richtlinien, hieß es. Für die Zustellung über ein italienisches Gericht brauchten die Behörden seine Adresse, doch schon bei der Stadtverwaltung soll es diesbezüglich Schwierigkeiten gegeben haben. Die Grundbucheinträge in der Nachbarschaft, wo Ronaldo wohnt, sollen angeblich geschwärzt sein.

Hätte man nicht die Welt-Antidopingagentur (Wada) fragen können? Dort müssen Profisportler ihren Aufenthaltsort über Monate im Voraus angeben, um für unangekündigte Kontrollen zur Verfügung zu stehen.

Ich bezweifle, dass die Wada solche Informationen, die ja ausschließlich für den Anti-Doping-Kampf gesammelt werden, an Dritte herausgegeben darf oder muss.

Ronaldo beteuert seine Unschuld. Warum nimmt er die Klageschrift nicht an? Welches Motiv hat er?

Das hat vermutlich taktische, juristische Gründe. Vom reinen Menschenverstand aus, klar, da würde ich auch sagen: Wenn an den Anschuldigungen nichts dran ist, warum schafft er diese nicht schnellstmöglich aus der Welt?

Wieso helfen Behörden und Verein nicht, die Unterlagen zuzustellen?

Die Behörden helfen ja, aber natürlich geht es immer um Formalitäten. Und zum Verein: Juventus Turin hatte angeboten, die Unterlagen weiterzureichen. Damit wäre die Klage aber nicht vorschriftsgemäß zugestellt gewesen.

Lässt sich so ein Verfahren bis zur Einstellung verschleppen?

Nein. Grundsätzlich ist es so: Wenn die Klägerseite nachweisen kann, dass sie alles getan hat, um die Unterlagen vorschriftsgemäß zuzustellen, wird das Gericht das Spektrum dafür erweitern. In so einem Fall wäre am Ende sogar eine Zustellung per Email möglich.

Sind Fußballer vor dem Gesetz gleicher als der Rest von uns?

Das Gefühl bekommt man bei sehr reichen, mächtigen Menschen schon manchmal. Und das sind nicht nur Fußballer. Um aber dabei zu bleiben: Ronaldo etwa hat Steuern in Millionenhöhe hinterzogen. Das wurde in einem Deal mit den Behörden geklärt, es gab noch nicht mal ein wirkliches Verfahren vor Gericht.

Was macht das mit der Betroffenen, Kathryn Mayorga?

Sie weiß, wer ihr Gegenüber ist. Das auszuhalten kostet viel Kraft. 

Warum ist sie überhaupt im Herbst 2018 vor Gericht gegangen? Der Fall, den sie schildert, liegt immerhin zehn Jahre zurück. 

Sie hat es so erklärt, dass sie nie mit der Sache abschließen konnte, weil sie keine Gerechtigkeit erfahren hat. Und dann spielt natürlich ihr neuer Anwalt eine Rolle, der den Vertrag zwischen ihr und Ronaldo als rechtswidrig bewertet.

Rui Pinto (bekannt als Whistleblower „John“ von Football Leaks, d. Red.) wurde im Januar in Budapest sofort festgesetzt – man könnte den Eindruck gewinnen, gegen Whistleblower geht man vor, aber nicht, wenn einem Prominenten Vergewaltigung vorgeworfen wird.

Ja, das ist schon sehr bemerkenswert. Von Ronaldo wurde zwar eine DNA-Probe angefordert, meines Wissens nach wurde er aber noch nicht von der Polizei befragt, obwohl die Ermittlungen bereits im vergangenen Herbst wieder aufgenommen worden sind.

Welche Rolle spielen die Football-Leaks-Dokumente in den Ermittlungen? 

Die Dokumente, die die Enthüllungsplattform Football Leaks dem „Spiegel“ zur Verfügung gestellt hat, sind ein enorm wertvoller Datensatz. Sie brachten Dinge zu Tage, die die Mächtigen im Fußball gerne der Öffentlichkeit vorenthalten hätten. Dazu zählen Steuerhinterziehung, Verstöße gegen die Regularien der Fifa und Uefa, aber eben auch sehr viele Dokumente, in denen es um die Vergewaltigungsvorwürfe Mayorgas geht.

Wie geht es jetzt weiter in dem Zivilverfahren?

Wenn die Klage nachweislich und vorschriftsmäßig zugestellt ist, haben Ronaldos Verteidiger einige Wochen Zeit, darauf zu antworten. Wie es dann weitergeht, kann man erst nach dieser Klageerwiderung abschätzen.

Zur Startseite