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Justiz und Psychiatrie: Mollath – ein schwieriger Fall

Krank oder gesund? Gewalttäter oder Justizopfer? Erstmals diskutieren Mollath-Anwalt Strate und Mollath-Gutachter Kröber öffentlich miteinander. Doch in einer wichtigen Frage sind sie sich auch einig.

Während Gustl Mollath auf seinen neuen Prozesses wartet, geht der Streit um ihn und die Frage weiter, welche Lehren aus dem Schicksal von Deutschlands bekanntestem Ex-Psychiatrieinsassen und „Justizopfer“ zu ziehen sind. Erstmals trafen Dienstagabend in Potsdam bei einer Veranstaltung der Brandenburgischen Kriminalpolitischen Vereinigung zwei Mollath-Experten aufeinander, die mehr als andere für die gegenläufigen Sichtweisen stehen. Mollath-Verteidiger Gerhard Strate und Mollath-Gutachter Hans-Ludwig Kröber, Gerichtspsychiater an der Charité. „Hanebüchen“ sei das von Kröber bestätigte Attest eines anderen Arztes, schimpft der Anwalt, fordert ärztliche Fehlerkultur und prangert die Ignoranz der Richter an. „Knackerlgesund“ sei Mollath nun mal nicht, kontert Kröber, wenngleich wohl nicht mehr gefährlich. Sein Vor-Gutachter habe eine „klare Diagnose“ gestellt. Krank seien viele, entscheidend sei, dass sie handeln. Etwa gegen eingebildete Verfolger. „99 Prozent sind friedlich. Aber ein Prozent kämpft.“ Mollath war verurteilt worden, weil er seine Frau angegriffen und Autoreifen ihrer Bekannten angestochen haben soll.

Zunächst noch sanft am Zügel geführt vom Moderator, dem Strafrichter am Bundesgerichtshof Andreas Mosbacher, folgen die Kontrahenten der Dynamik, die das Skandalszenario bislang bestimmt hat. Vom Einzelschicksal zum Gesellschaftsthema, vom anwaltlich-ärztlichen Schweigefall zur Komplettentblößung: Längst weiß man von Mollath, dass er sich nicht wusch und stank, bis Mitinsassen sich beschwerten. Strate selbst hatte alle Dokumente ins Netz gestellt. Kröber revanchierte sich, indem er das Patientengeheimnis fahren ließ. Denn er steht, wie Strate deutlich macht, selbst unter Anklage, wenn auch nicht vor Gericht. Unerwarteterweise, denn, so sagt Kröber: „Ich habe nie geahnt, dass Mollath ein so berühmter Fall werden würde.“

Eher einer Meinung als in der Diagnose des Mannes sind die Experten in der des Problems. Es sitzen zu viele Menschen zu lange im „Maßregelvollzug“, in den erkrankte Straftäter kommen können, wenn ihnen die Verantwortlichkeit für ihre Taten fehlt. Während aber Strate, ganz Jurist, auf größere Reformen verzichten will, rügt Kröber Kliniken, deren Ärzte nur Textbausteine in Gutachten setzen, statt eigener Analysen, und Richter, die dies klaglos durchgehen ließen. „Das muss sich dringend ändern“. Einiges sei schon geschehen, auch dank Mollath, das gibt er zu. Der Fall habe Aufmerksamkeit für die Zustände gebracht. Der Wind dreht sich, konstatieren beide. Weg von der alten Losung „Wegsperren – und zwar für immer“.

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