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Am Rande des Wahnsinns und darüber hinaus. Der Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ brachte Jack Nicholson den ersten Oscar.

© IMAGO

Jack Nicholson wird 80: Der Mann mit dem Haifischgrinsen

Der Hollywoodstar Nicholson hatte sich schon aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Jetzt will er die Rolle des Toni Erdmann in einem Remake für den US-Markt spielen.

Von Andreas Busche

Irgendwann in den vergangenen Jahren verabschiedete sich Jack Nicholson still und heimlich aus dem Kino, sodass man sein Fehlen in dem betäubenden Dauerfeuer aus Superhelden-Franchises und Nostalgie-Projekten à la „Star Wars“ beinahe nicht bemerkt hätte. Nur fehlt es dann doch auf der großen Leinwand, sein dreckiges Haifischgrinsen.

Jack Nicholson entstammt einer anderen Ära, was sich schon darin zeigt, dass auch Martin Scorsese, sein New-Hollywood-Weggefährte und Regisseur seines letzten großen Films „The Departed“, inzwischen keinen Kinofilm mehr finanziert bekommt. Natürlich haben sich beide längst unvergesslich gemacht.

Aus dem Ruhestand zurück

Nicholson ist einer der letzten Hollywoodstars, dessen Name als eingetragenes Markenzeichen fungiert. Sein Grinsen, die expressiven Augenbrauen, die ihn sardonisch und schelmisch wirken lassen können, den Ruf des Bad Boy, den er seit seinen Biker-Filmen mit B-Movie-Maestro Roger Corman in den sechziger Jahren pflegte: Nicholson hat sein Image stets gegen den Strich gebürstet, als Womanizer, der zu seiner hohen Zeit mit Warren Beatty und Marlon Brando Hollywood unsicher machte, wie auch als Darsteller. Unvergesslich seine Dankesrede bei den Golden Globes 1990, als er vor Publikum blankzog. So einer verabschiedet sich nicht lautlos, der tritt mit einem Knall ab.

Es kommt also wie gerufen, dass Jack Nicholson sich gerade mit einer sensationellen Ankündigung aus dem Ruhestand zurückmeldete – rechtzeitig zu seinem 80. Geburtstag. Er hat den Wunsch geäußert, noch einmal vor der Kamera zu stehen – und zwar als Toni Erdmann, im Hollywood-Remake von Maren Ades Publikumserfolg. Jack und Toni sind natürlich ein match made in heaven, dürfte sich auch Nicholson gedacht haben, der sich Gerüchten zufolge persönlich für das Remake einsetzte, nachdem er den Film in Cannes gesehen hatte. Ein sozial schwer verträglicher Ruheständler mit einem Hang zum gespielten Witz, so ähnlich klingen fast alle Nicholson-Rollen seit seinem Aussteigerfilm „About Schmidt“, mit dem Spätzünder Nicholson, der bei seinem Durchbruch mit „Easy Rider“ bereits 32 Jahre alt war, 2002 sein Spätwerk einleitete.

Höhepunkte in den 70er Jahren

Es gibt allerdings noch andere gute Gründe für sein Interesse an „Toni Erdmann“, denn Nicholson besaß schon immer ein Faible für das europäische Kino – ein Vorliebe, die er mit anderen Abkömmlingen der Corman-Schule – Martin Scorsese, William Friedkin, Francis Coppola – teilt. Damals verkauften Nicholson und Regisseur Monte Hellman ihrem Produzenten Corman „Das Schießen“ (1966) als eine Art „African Queen“. Statt eines Abenteuerfilms bekam der allerdings einen existenzialistischen New-Wave-Western mit einem der seltsamsten surrealen Showdowns der Filmgeschichte.

Eine seiner besten Rollen spielte Nicholson zehn Jahre später in Michelangelo Antonionis „Beruf: Reporter“. Die Figur Locke ist gewissermaßen Sinnbild für die verlorenen Ideale der amerikanischen Gegenkultur: ein Journalist, der auf der Flucht vor seinem bürgerlichen Leben die Identität eines Waffenhändlers annimmt.

Mitte der siebziger Jahre hatte Nicholson einen sagenhaften Lauf, der ihn als einen der Größten in Hollywood etablierte: „Das letzte Kommando“ von Hal Ashby, Roman Polanskis Film Noir „Chinatown“ (gleichzeitig ein Film über den Tod Hollywoods, geschrieben von seinem Kumpel Robert Towne) und natürlich „Einer flog über das Kuckucksnest“, der ihm seinen ersten von drei Oscars einbrachte. Mit insgesamt zwölf Nominierungen gilt Nicholson heute als erfolgreichster männlicher Darsteller in Hollywood.

Der größte Erfolg wird zum Fluch

„Einer flog über das Kuckucksnest“ erwies sich für Nicholson allerdings auch als Fluch. Die Rolle des unangepassten McMurphy, Patient einer Nervenheilanstalt, gab ihm reichlich Gelegenheit zum Overacting. In den folgenden Jahren wurde dieser überdrehte Manierismus zu einer Marotte – von der Rolle des dem Wahnsinn verfallenen Familienvaters in „Shining“ über „Die Hexen von Eastwick“, in dem er den Teufel spielt, bis zu seinem Auftritt als Joker in Tim Burtons „Batman“. Das irre, mit Säure ins Gesicht gefräste Grinsen des Jokers wurde zur Ikone seiner späten Karriere. Nicholson spiele keine Rollen mehr, hieß es, er spielt nur noch „Jack“.

Mit lässiger Souveränität hat Nicholson in seinen Rollen aber auch immer wieder das Image des Schwerenöters konterkariert. Er ließ sich gehen, gab die Rampensau, verunstaltete sich äußerlich. Man darf Nicholsons Narzissmus keinesfalls mit bloßer Eitelkeit verwechseln. Bob Rafelson, Regisseur von „Wenn der Postmann zweimal klingelt“, äußerte sich damals besorgt über das Erscheinungsbild seines Stars, der mit seiner Filmpartnerin Jessica Lange in einer skandalträchtigen Szene einen Quickie auf dem Küchentisch hinlegen sollte. Nicholson hingegen gefiel sich in der Rolle des Schmierlappens. Ein dampfender Erotikthriller, ein Genre, das in den achtziger Jahren boomte, ist „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ auch dank ihm nicht geworden.

Man muss den Sex-&-Drugs-Mythos der New-Hollywood-Ära spätestens seit den Vorwürfen gegen Bernardo Bertolucci und Roman Polanski, der die 13-jährige Samantha Gailey in Nicholsons Haus vergewaltigt haben soll, aber auch kritisch sehen. Jack Nicholson kokettiert in Interviews manchmal noch mit seinem Ruf, obwohl es ruhiger um ihn geworden ist. Das Image des dirty old man passt auch einfach nicht zum einstigen jungen Wilden Hollywoods. Jack warte auf eine letzte große Rolle, erzählte sein „Easy Rider“-Partner Peter Fonda kürzlich. Vielleicht hat Nicholson sich mit Toni Erdman selbst das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht.

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