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Teilnehmer der Gaypride am 2. August 2018 in Jerusalem.

© AFP PHOTO / MENAHEM KAHANA

Israel: Jerusalemer Gay-Pride: „Israel erlebt schwierige Zeiten“

Tausende haben bei der Gay-Pride-Parade in Jerusalem protestiert. Die Demonstration gegen die Diskriminierung Homosexueller wurde zum Ausdruck eines grundsätzlichen Gefühls - der Frage: Wie gleich sind die Bürger Israels?

Daniel Jonas ist ein feingliedriger Mann mit Kippa auf dem Kopf, der oft freundlich lächelt und leise spricht. Doch wenn es um das neue Leihmutterschaftsgesetz in Israel geht, dann wird der strengreligiöse Jude ungemütlich. „Ich bin hier, um für unsere Rechte zu kämpfen“, sagt der 36-Jährige, der mit seinem Mann Uri Erman in Jerusalem lebt, bei der Gay-Pride-Parade am Donnerstag im Zentrum der Stadt.

„Dieses Jahr ist die Gay-Pride-Parade besonders, wegen dem, was in den vergangenen Wochen passiert ist“, sagt Jonas. „Seit die Regierung ein Gesetz verabschiedet hat, das uns als Schwule offiziell von Leihmutterschaft ausschließt und diskriminiert.“

Die israelische Regierung hatte im Juli entschieden, dass künftig nicht nur heterosexuelle Paare, sondern auch ledige Frauen mit Hilfe einer Leihmutter Kinder bekommen dürfen - nicht aber ledige Männer. Schwule Männer sehen sich dadurch des Rechtes beraubt, in ihrem eigenen Land Väter zu werden.

Bei der Gay-Pride-Parade forderten die Teilnehmer gleiche Rechte für alle. Doch dabei geht es nicht nur um das Leihmutterschaftsgesetz.

„Israel erlebt schwierige Zeiten“, sagt Eran Globus, Vorsitzender des Jerusalem Open House, Veranstalter der Gay-Pride-Parade. Es gehe um die grundsätzliche Frage: „Wird Israel ein Land, in dem alle Menschen, egal ob LGBT oder nicht, frei und ohne Diskriminierung leben können?“ So kämen zu der Veranstaltung auch viele heterosexuelle Menschen.

Die farbenfrohe Demonstration fand zudem unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei setzte nach Medienberichten 2500 Sicherheitskräfte ein. Vor drei Jahren hatte ein strengreligiöser Jude bei der Parade eine 16-Jährige erstochen. Nach einem Bericht des israelischen Radios wurden 30 militante Anti-LGBT-Aktivisten aufgefordert, während der Parade außerhalb der Stadt zu bleiben.

„Wir sind tatsächlich Teil eines größeren Kampfes für Menschenrechte in Israel“, sagt Globus. „Das Leihmutterschaftsgesetz ist ein Auslöser geworden, aber das Hauptthema ist Diskriminierung - nicht nur durch die Gesellschaft, auch durch das Gesetz.“

Am Tag der Änderung des Leihmutterschaftsgesetzes verabschiedete das Parlament auch das umstrittene „Nationalitätsgesetz“. Es verankert Israels Status als jüdischen Nationalstaat und wird sowohl von der arabischen als auch der drusischen Minderheit als diskriminierend kritisiert.

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Irit Rosenblum, Anwältin und Gründerin der Organisation New Family, sagt über die Stimmung in Israel: „Es ist heiß - das Wetter und die Atmosphäre.“

In Israel dürfen seit 1996 heterosexuelle Paare einen Vertrag mit einer Leihmutter im Land abschließen. Ein amtliches Gremium überprüft den Vertrag. Zahlungen sind nur begrenzt möglich, um Leihmutterschaften aus finanziellen Motiven zu verhindern

Anwältin Rosenblum verweist auf die Bundesrepublik: „In Deutschland ist es verboten. Warum gibt es dort keinen Aufschrei in der schwulen Gemeinschaft?“, fragt die Anwältin. „Weil alle im gleichen Boot sitzen.“ Die Leihmutterschaft sei generell untersagt. Aber wenn - wie in Israel - der Gesetzgeber entscheide, die Methode grundsätzlich zu erlauben, dürfe man nicht eine Gruppe ausschließen. Seitdem es das Leihmutterschaftsgesetz gebe, seien in Israel 700 Babys auf diesem Weg zur Welt gekommen.

In Deutschland sind Leihmutterschaften unter anderem nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Außerdem gilt: Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat - also wäre dies die Leihmutter.

Daniel Jonas und sein Mann fänden eine Leihmutterschaft in Israel ebenfalls ideal, um eine Familie zu gründen. „Wir hatten auf die Entscheidung der Regierung gewartet“, sagt der 36-Jährige. Jetzt hofften sie noch darauf, dass das Höchste Gericht das Gesetz wieder kippt. „Wir haben nicht das Geld, um für eine Leihmutterschaft ins Ausland zu fliegen.“ (dpa)

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