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Idyll mit Asche. Auf den Zelten am Fuß des Gletschers, dem Ausgangspunkt der Wanderung zum Vulkan, liegt nach kurzer Zeit feiner Aschestaub.

© Christiane Flechtner

Island fünf Jahre nach dem Vulkanausbruch: Im Land des Eyjafjallajökull

Vor fünf Jahren sorgte der Eyjafjallajökull auf Island für Flugchaos in Europa. Heute gibt er sich friedlich.

Es war der Monat, in dem Europa plötzlich stillstand. Ende April 2010 hob kein Flugzeug mehr von der Startbahn ab, und über den Wolken war es still. Das hatte es vorher noch nie gegeben. Die Ursache dessen lag 2300 Kilometer weit entfernt: Ein Vulkan unter einem Gletscher auf Island war ausgebrochen, und der Wind hatte die Aschewolke Richtung Südosten getrieben. Seit diesem Tag ist der Name Eyjafjallajökull überall bekannt. Doch was machen Gletscher und Vulkan heute? Und wie sieht es rund um den Krater aus? Eine Gruppe Wanderer machte sich auf die Suche.

Es ist sechs Uhr morgens in der Thorsmörkschlucht am Fuße der eisigen Gletscher, und die Temperaturen klettern langsam über die Null in den Plusbereich. Es weht ein leichter Wind. Dieser hat wohl auch die Asche des Vulkans hinübergeweht. Das rote Zeltdach hat sich schwarz gefärbt mit einer feinen Ascheschicht. Der Aschestaub ist hartnäckig. Er setzt sich nicht nur auf dem Zeltdach, sondern auch in Taschen, Kleidung und in den klitzekleinsten Ritzen der Kamera ab. Aschestaub ist eine typische Begleiterscheinung auf Island. Schließlich verdankt die Insel – unbändig und brutal, voller Kraft und sanft zugleich – dem Vulkanismus ihre Existenz. Und sie wird auch heute noch von den mehr als 100 aktiven Vulkanen beherrscht.

Das Wetter ist gut für den neunstündigen Weg hinauf auf 1666 Höhenmeter, Islands höchste Erhebung an der Südküste, den die Gruppe vor sich hat. Es gilt, zum Fimmvördurháls, den mit Schneefeldern bedeckten Pass zwischen den Gletschern Myrdalsjökull und Eyjafjallajökull, hinaufzugelangen und dann weiter den neuen „Gipfel“ des Vulkans zu erklimmen. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind gefragt.

Schritt für Schritt geht es erst entlang des aschefarbenen Flussbettes der Krossá, das das Gletscherwasser über Jahrtausende in die Landschaft genagt hat, bevor der Trampelpfad mit seinen hölzernen Stufen aus kleinen Birkenstämmen in die Höhe führt. Grün in allen Facetten ist hier die dominierende Farbe. Bald ist selbst das so robuste grellgrün leuchtende Islandmoos verschwunden. Schritt für Schritt geht es dem Gletscher entgegen, durch den der Vulkan vor vier Jahren wie ein großer Drache Feuer, Lava und tonnenweise Asche spie.

Der erste Ausbruch war noch folgenlos

Ein Rückblick: Am 20. März 2010 beginnt kurz vor Mitternacht der erste Ausbruch des Vulkans, doch dieser hat keinerlei Auswirkungen auf den europäischen Flugverkehr. Nach einem Erdbeben der Stärke 2,5 in der Nacht vom 13. auf den 14. April bricht allerdings direkt in der Gipfelcaldera des Vulkans eine rund zwei Kilometer lange Spalte auf, und aus fünf Kratern treten große Mengen Lava aus. Über dem Gletscher breiten sich mehrere tausend Meter hohe Dampf- und Aschewolken auf. Die Aschewolke steigt teilweise bis zu 8000 Meter hoch und erreicht am 16. April bereits Polen. Und eben diese unerwünschte Luftfracht ist für Flugzeuge nicht ungefährlich: Cockpit-Scheiben können durch den Sandstrahleffekt undurchsichtig, Tragflächen können aerodynamisch beeinträchtigt werden und Triebwerke ausfallen – abhängig von der Art und Dichte der Aschewolke. Der Flughafen Berlin-Tegel gleicht einem Geisterflughafen. Hier startet und landet keine einzige Maschine mehr. Und so stehen Flugzeuge und Gepäckförderbänder in ganz Europa tagelang still, stecken Geschäftsleute und Touristen überall gezwungenermaßen fest.

Die Wolke. So sah es vor fünf Jahren aus: Der Vulkan am Eyjafjallajökull-Gletscher stößt so viel Asche aus, dass in Europa ein Chaos in der Luftfahrt entsteht.
Die Wolke. So sah es vor fünf Jahren aus: Der Vulkan am Eyjafjallajökull-Gletscher stößt so viel Asche aus, dass in Europa ein Chaos in der Luftfahrt entsteht.

© dpa

Es fallen allein am 16. April 2010 insgesamt 28 000 europäische Flüge aus, hauptsächlich in Großbritannien, Irland, Frankreich, Belgien und Norwegen, Finnland und Schweden. Die finanziellen Folgen durch die Flugsperren für die betroffenen Luftfahrtunternehmen werden auf rund 150 Millionen Euro täglich beziffert. Am 21. April wird das Flugverbot über Deutschland wieder aufgehoben.

Was im April 2010 in die Luft geschleudert wurde, prägt auch heute noch die isländische Gletscherlandschaft: Die letzten Farbtupfer verschwinden, und die Eiswelt empfängt die Wanderer in einem scharf abgegrenzten Schwarz und Weiß. Düstere Lava, in unterschiedlichsten Strukturen erstarrt, wechselt sich hier mit kalten, schroffen Gletscherformationen ab. Es ist genau zu erkennen, welchen Weg sich die glühendheiße Flüssigkeit gebahnt hat – und wo genau sie auf dem Weg ins Tal erstarrt ist. Es geht weiter zum Ziel, dem neu entstandenen Vulkankegel.

Neben der Route tauchen immer wieder Stellen auf, an denen die dünne Lavadecke eingebrochen ist. Hier ist Vorsicht geboten – überall dampft es noch, Schwefelgeruch hängt in der Luft. Plötzlich ist der neue Vulkankegel zu erkennen, rötlich leuchtet er empor.

Der Weg ganz nach oben ist steil. „Nicht zu lange an einem Punkt stehenbleiben, sonst könnten an einigen Stellen die Sohlen der Schuhe schmelzen“, mahnt der Guide. Oben angekommen, verschlägt die Aussicht die Sprache. Ein unwirklicher Ort, der vor vier Jahren noch gar nicht existierte. Es dampft überall, der Schwefelgeruch ist stark. Eine Pause wird eingelegt, um den Moment einzufangen. Die Gruppe setzt sich auf den Boden des Vulkankegels. Erst ist es angenehm warm, dann kriecht die Hitze des Vulkans durch Sitzkissen und Trekkinghose. Wer zu lange an einem Fleck sitzt, kriegt wahrlich einen heißen Hintern. Und so ganz wohl ist den „Gipfelstürmern“ auch nicht – schließlich sitzen sie auf einem Pulverfass.

Dann gilt es Abschied zu nehmen. Ein langer Blick zurück auf eine Landschaft, die vielleicht schon bald wieder verschwunden ist. Schließlich ist Island eine Region, in der die Landschaften sich verändern wie Sanddünen im Sturm.

Christiane Flechtner

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