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Den Spitznamen Pupetta („Püppchen“) hatte sie ihrem Aussehen zu verdanken.

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In einem Vorort von Neapel verstorben: Italiens schillerndste Mafia-Witwe ist tot

Sie war schön, skrupellos, selbstbewusst – und schon mit 20 Jahren eine Mörderin. Jetzt ist Assunta „Pupetta“ Maresca im Alter von 86 Jahren sanft entschlafen.

Der Polizeichef von Castellammare di Stabia, einer Kleinstadt am Golf von Neapel, hat einen Trauergottesdienst wegen eines möglichen Massenandrangs verboten – und so sind am Samstag nur zehn Frauen in die große, barocke Kirche des Ortes gekommen, um für die Verstorbene zu beten.

Assunta „Pupetta“ Maresca war am Tag zuvor im Alter von 86 Jahren sanft entschlafen, was in ihrem Fall durchaus keine Selbstverständlichkeit war: „Lady Camorra“, wie sie von den Medien genannt wurde, war in ihrem Leben Dutzende Male von rivalisierenden Mafia-Bossen mit dem Tod bedroht worden.

In der Kirche von Castellammare hatte Maresca, Tochter eines Schmugglers, im Jahr 1955 schon geheiratet. Die Vermählung mit dem Mafiaboss Pasquale Simonetti sollte der Anfang einer dramatischen Karriere in Neapels organisierter Kriminalität bedeuten.

Schon wenige Monate nach der Hochzeit wurde ihr Mann von einem Killer erschossen: Der mutmaßliche Auftraggeber war ihr Trauzeuge gewesen. Alle in Neapel wussten, wer der Mörder war, nur die Polizei nicht. So beschloss die Witwe – gerade einmal 20 Jahre alt und im 6. Monat schwanger – selbst für die Bestrafung zu sorgen: Sie spazierte am helllichten Tag in eine Bar, um dort den Mörder zu richten. Sie schoss dabei das ganze Magazin ihrer Pistole leer.

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Die Vendetta der jungen Frau erregte in Italien großes Aufsehen, der Prozess lockte später auch die Korrespondenten ausländischer Zeitungen wie der „New York Times“ an. Das Interesse lag nicht zuletzt am Äußeren der jungen Angeklagten: Pupetta Maresca war außerordentlich attraktiv und hatte als Jugendliche einen Schönheitswettbewerb gewonnen.

Ihren Spitznamen Pupetta („Püppchen“) hatte sie ihrem Aussehen zu verdanken. Sie habe „aus Liebe getötet“, erklärte Maresca im Prozess. Und weil auch sie damit habe rechnen müssen, von ihrem Trauzeugen getötet zu werden.

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„Eine junge Frau und angehende Mutter, die den Tod ihres Mannes und Vaters ihres Kindes rächt: Das ist das perfekte Melodrama für die Italiener“, schrieb der Autor Roberto Saviano („Gomorra“) in einem Nachruf. Nicht wenige hätten in Pupettas Handeln auch einen Akt der Emanzipation gesehen: Eine junge Frau, die nicht darauf wartet, bis ein Mann oder der Staat für sie etwas unternimmt, sondern die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehme.

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„Dabei wird übersehen, dass Marescas Verhalten in perfektem Einklang mit der Logik des mafiösen Patriarchats und dessen Bandenkriegen und Racheakten steht“, so Saviano. Pupetta habe lediglich die Geschlechterrolle vertauscht.

Maresca wurde zu 13 Jahren und 4 Monaten Zuchthaus verurteilt; im Gefängnis brachte sie ihren ersten Sohn Pasquale zur Welt. Nach etwas mehr als zehn Jahren wurde sie begnadigt und verließ das Gefängnis als nationale Berühmtheit.

Erneute Beziehung mit Mafia-Boss

Sie ging erneut eine Beziehung mit einem berüchtigten Camorra-Boss ein und bekam mit diesem Zwillinge. Ihr neuer Partner Umberto Ammaturo war einer der wichtigsten Kokain-Importeure Europas; inzwischen wird das Geschäft von der kalabresischen ’Ndrangheta beherrscht.

Das Verhältnis zwischen dem erstgeborenen Pasquale und dem neuen Stiefvater war von Anfang an schwierig gewesen – und eines Tages verschwand der Sohn spurlos.

Man vermutete einen Fall von „lupara bianca“. So nennt man Mafiamorde, bei denen der Leichnam nie zum Vorschein kommt. Der Tat verdächtigt wurde der Stiefvater Ammaturo, doch das Gericht konnte ihm dies nicht nachweisen.

Maresca trennte sich von ihrem Partner und erklärte: „Wenn er mir die Tat gestanden hätte, dann hätte ich keine Sekunde gezögert, ihn zu töten.“

Zwischen den Fronten eines Bandenkrieges

Nach der Trennung von Ammaturo geriet sie zwischen den Fronten eines blutigen Bandenkrieges zwischen der „Nuova Camorra Organizzata“ des damaligen Superpaten Raffaele Cutolo und der „Nuova Famiglia“ ihres Ex-Partners.

Sie drohte Cutolo mit dem Tod, falls er ihren verbliebenen Kindern etwas antun sollte. Auch sie erhielt Morddrohungen.

Maresca war da längst zu einer fragwürdigen Ikone und auch zu einer etwas tragischen Figur geworden: Sie versuchte sich als Sängerin und Schauspielerin – mit mäßigem Erfolg. Ihr Leben ist mehrfach verfilmt worden.

Später kehrte sie der Camorra definitiv den Rücken und eröffnete in Neapel zwei Modegeschäfte, die sie über zwanzig Jahre weitgehend abseits der öffentlichen Scheinwerfer und der Bandenkriege führte. Die Etikette der „Lady Camorra“, der skrupellosen Mafia-Braut, ist sie bis zu ihrem Tod nicht mehr losgeworden.

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