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Den Pinguinen schmilzt das Eis unter den Füßen weg.

© : Getty Images/David Merron Photography

Hohe Temperaturen in Arktis und Antarktis: Das große Schmelzen

Arktis und Antarktis meldeten im März Temperaturen von bis zu 40 Grad über dem Normalwert. Forscher sehen dies als Vorbote für kommende Entwicklung.

Als das Conger-Eisschelf, ein antarktisches Eisschelf so groß wie Rom, im März einstürzte, war die Wissenschaftsgemeinschaft schockiert. Noch nie zuvor war ein Eisschelf in der Ostantarktis kollabiert. Der Kollaps fiel mit einer „Hitzewelle“ zusammen, während derer die Temperaturen teilweise um bis zu 40 Grad Celsius über dem Normalwert lagen. „Teilweise wurden Temperaturen von minus zwölf Grad gemessen“, sagte Zoë Thomas, eine Antarktis-Expertin der University of New South Wales in Sydney. „Das ist ganz klar eine Anomalie für die Region.“ Normalerweise sollten die Temperaturen eher bei minus 50 Grad liegen.

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Wenige Tage nach dem Hitzerekord in der Antarktis und dem Einsturz des Conger-Eisschelfs meldete auch Neuseeland, dass seine Gletscher aufgrund der Folgen des Klimawandels deutlich geschrumpft und inzwischen nur noch „skelettartig“ sind. Wissenschaftler sagen inzwischen bereits voraus, dass viele innerhalb eines Jahrzehnts vollkommen verschwinden könnten.

Seit 1900 sind die Meere weltweit um rund 20 Zentimeter gestiegen

Sind diese wenigen, kritischen Tage Mitte März eine Vorschau auf das, was kommen wird? Denn die Eisschmelze gepaart mit dem potenziellen Kollaps von Eisschelfen und dem Abschmelzen von Gletschern wie dem Pine Island oder dem Thwaites in der Westantarktis könnten den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen lassen. Vor 129 000 Jahren hatte eine Eisschmelze in der Antarktis schon einmal einen extremen Anstieg des Meeresspiegels verursacht.

Seit 1900 sind die Meere weltweit um rund 20 Zentimeter gestiegen. Doch der Anstieg beschleunigt sich immer mehr: Ein Viertel davon ist seit 2006 passiert. Derzeit steigt der Meeresspiegel durchschnittlich jedes Jahr um etwa 3,7 Millimeter. Bis 2100 rechnen Wissenschaftler mit einem Anstieg von mindestens 28 Zentimeter, doch je nachdem, wieviel Eis abschmilzt, könnte der Meeresspiegel auch um bis zu zwei Meter steigen.

Vor allem wenn Gletscher wie der Pine Island oder der Thwaites kollabieren würden, könnte dies eine Art Dominoeffekt auslösen. Der Thwaites-Gletscher ist mit 192 000 Quadratkilometern fast so groß wie Großbritannien. Würde das dortige Eisschelf einbrechen, würde der Meeresspiegel global um etwa 65 Zentimeter ansteigen. Zudem stabilisiert der Gletscher auch den gesamten westantarktischen Eisschild, der den Meeresspiegel um bis zu drei Meter anheben würde, wenn er vollständig schmelzen würde.

Das Eis am Thwaites-Gletscher wird seit Jahren immer brüchiger und stetig weniger. „Momentan verliert der Gletscher jedes Jahr ungefähr 50 Milliarden Tonnen mehr, als er durch Schneefall wieder gewinnt“, sagte Keith Nicholls, ein Experte der British Antarctic Survey, bereits in einem Interview 2020. „Somit wird der Gletscher momentan also immer kleiner.“ Schon heute trägt der Gletscher rund vier Prozent pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg bei.

Städte wie San Francisco, New York, Miami, London oder Jakarta würden überfluten. Für einige Pazifikstaaten wie Kiribati oder tiefliegende Länder wie die Niederlande oder Bangladesch wären die Folgen so katastrophal, dass einige Medien den Thwaites bereits „Doomsday Glacier“, also „Weltuntergangsgletscher“ getauft haben.

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Hauptsächlich drei Faktoren tragen zum Kollaps von Schelfeis bei: die Erwärmung des Ozeans, die Erwärmung der Atmosphäre sowie die Menge des Meereises. „Man hat also die Eisdecke, die an Land ist, das Schelfeis – die schwimmenden Eisstücke – und dann das Eis im Meer“, erklärt Zoë Thomas. „Das Meereis stabilisiert normalerweise das Schelfeis auf ähnliche Weise wie das Schelfeis die Eisdecke an Land stabilisiert.“ In dieser Saison habe man aber deutlich weniger Meereis registriert. „Dies macht Eisschelfe anfällig für Wellen und andere atmosphärische Einflüsse", sagte sie.

680 Millionen Menschen leben in der Umgebung von Küsten oder Inseln

Thomas zufolge zeigen Modelle, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel einen Großteil dieser Veränderungen in der Antarktis verursacht hat. Erschreckend sei vor allem, wie sehr sich der Anstieg des Meeresspiegels in den vergangenen Jahren beschleunigt habe. „Früher war der Zeitrahmen immer mehrere hundert Jahre, jetzt sprechen wir von zwei oder drei Dekaden – es ist also etwas, das uns alle in unserer Lebenszeit treffen kann.“

Etwa 680 Millionen Menschen leben in der direkten Umgebung von Küsten oder auf kleinen Inseln, wie es in einem Bericht des Deutsches Klima-Konsortiums und des Konsortiums Deutsche Meeresforschung heißt. Auch für die deutschen Nord- und Ostseeküsten sowie für Städte wie Bremen oder Hamburg würde „ein erhöhtes Risiko“ bestehen, da Sturmfluten in Zukunft öfter und höher auflaufen könnten.

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