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Wüstenheuschrecken können Distanzen von Tausenden von Kilometern überwinden und ganze Ernten vernichten.

© EPA/Juan Medina/dpa

Heuschreckenschwärme: Nahost-Staaten kämpfen gegen biblische Plage

Riesige Insektenschwärme suchen die Region in einem Ausmaß heim, das der UN ernste Sorgen macht.

Seit tausenden von Jahren gehören sie zu den Geißeln der Menschheit im Nahen Osten: Riesige Heuschreckenschwärme aus hunderten Millionen Insekten können ganze Landstriche verheeren und Ernten vernichten. Derzeit sucht die biblische Plage wieder mehrere Länder der Region heim – und zwar in einem Ausmaß, das der UN ernste Sorgen macht.

Ergiebige Regenfälle in Eritrea und im Sudan in den vergangenen Monaten haben die Voraussetzungen für die massenhafte Ausbreitung der Wüstenheuschrecken geschaffen. Die sprießende Vegetation stellt so viel Nahrung zur Verfügung, dass es seit Oktober bereits zwei Paarungszeiten gegeben hat, wie die UN-Ernährungsorganisation FAO mitteilte. Viele der Wanderheuschrecken ziehen seitdem nach Norden Richtung Ägypten, wo sie der Bibel zufolge einst eine der zehn Plagen bildeten, mit denen Gott den Pharao dazu brachte, das Volk Israel ziehen zu lassen.

Die Insekten stammen aus Eritrea und dem Sudan

Andere Schwärme haben das Rote Meer überquert und sind in Saudi-Arabien eingefallen. Im Januar machten die Heuschrecken bereits den Bewohnern der heiligen Stadt Mekka das Leben schwer. In der Umgebung der Kaaba in Mekka, des wichtigsten Heiligtums des Islam, landeten so viele Insekten, dass die Behörden mehr als hundert Helfer aufbieten mussten, um der Plage Herr zu werden.

Auch im Innern der normalerweise sehr trockenen Arabischen Halbinsel finden die Heuschrecken gute Bedingungen vor, denn zwei Wirbelstürme im Winter haben selbst dort für viel Regen gesorgt.

Inzwischen haben sich Teile des Schwarms noch weiter ausgebreitet und sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten und sogar im Süden Irans eingetroffen. Auch Kuwait bereitet sich auf die Ankunft der Insekten vor. Die kuwaitische Landwirtschaft ist laut Medienberichten jedoch relativ sicher vor der Invasion, weil sie die meisten ihrer Produkte in geschlossenen Treibhäusern anbaut. Die FAO befürchtet, dass die Heuschrecken bis nach Pakistan und Indien weiterziehen könnten.

Denn es könnte bald noch mehr Heuschrecken geben. Die nächsten drei Monate seien entscheidend, um die Population vor Beginn der nächsten Paarungszeit unter Kontrolle zu bringen, erklärte Keith Cressman, Heuschrecken-Experte der FAO. Die betroffenen Länder können allerdings nicht alle Faktoren beeinflussen. Wenn es zum Beispiel zwischen März und Mai in Eritrea, im Sudan und im Inneren der Arabischen Halbinsel erneut stark regnet, wird die Zahl der Insekten weiter zunehmen.

Selbst ein kleiner Schwarm vernichtet pro Tag die Nahrung von 35.000 Menschen

Die Dimensionen sind potenziell katastrophal. Eine erwachsene Heuschrecke frisst pro Tag etwa zwei Gramm Nahrung – so viel, wie sie selbst wiegt. Schon ein relativ kleiner Schwarm aus 40 Millionen Insekten kann so Tag für Tag Nahrung für 35.000 Menschen vernichten, schätzt die FAO. Wenn es genug regnet, wächst die Zahl der Heuschrecken explosionsartig: Ein Weibchen legt in seinem bis zu fünfmonatigen Leben rund 300 Eier. Große Schwärme bestehen aus mehr als einer Milliarde Heuschrecken, die sich auf mehrere hundert Quadratkilometer ausbreiten können.

Mit Rückenwind können die Insekten in einer Flughöhe von bis zu zwei Kilometern eine Strecke von rund 150 Kilometer am Tag zurücklegen – auch die Überquerung von Gewässern wie dem Roten Meer ist so kein Problem.

Bei der letzten schweren Heuschrecken-Plage vor 15 Jahren flogen Millionen von Insekten nach reichen Regenfällen in Marokko und Mauretanien über Senegal, Mali und Niger rund 4000 Kilometer nach Osten bis nach Tschad. Einige Gruppen kamen bis nach Israel. Die Kosten für die damaligen Ernteausfälle wurden auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt, viele Menschen in den kahl gefressenen Gebieten waren auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Während einer mehrjährigen Heuschrecken-Plage in 1980er Jahren flogen einige Schwärme laut FAO sogar von Afrika aus über den Atlantik bis in die Karibik.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen mehreren westafrikanischen Ländern hat seitdem weitere Heuschrecken-Plagen im Zaum gehalten. Satellitenbilder sowie Informationen über Regenfälle und Vegetation in den einzelnen Ländern ermöglichen rechtzeitige Gegenmaßnahmen wie den gezielten Einsatz von Pestiziden.

UN empfiehlt die Heuschrecken selbst zu essen

Cressman und seine FAO-Kollegen hoffen, dass Ähnliches jetzt auch in der Nahost-Region gelingen wird. Sie beobachten besonders die Entwicklung an den Küsten entlang des Roten Meeres, denn dort haben sich die großen Schwärme versammelt.

Seit Dezember lassen die Behörden in mehreren Ländern bereits Pflanzenschutzmittel versprühen; allein in den vergangenen zwei Wochen behandelten sie laut FAO eine Fläche von insgesamt 30.000 Hektar mit Insektengift. Doch die Zahl der Heuschrecken ist bereits so groß, dass die Plage allein damit nicht beendet werden kann. Ende des Monats könnten sich neue Schwärme auf den Weg machen, warnen die Experten.

Möglicherweise gibt es noch andere Wege als Insektizide und Satellitenbilder, um den Heuschrecken zu Leibe zu rücken. Vor einigen Jahren empfahl die FAO die Heuschrecken als mögliche Nahrungsquelle für die wachsende Weltbevölkerung, denn sie sind reich an Protein und werden in einigen Gegenden schon lange als Delikatesse geschätzt. Ein großer Schwarm Wüstenheuschrecken wäre aus dieser Sicht eher Glücksfall als Plage – doch bisher haben sich die UN-Ernährungsexperten mit ihrem Rat nicht durchsetzen können.

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