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Herzog Franz von Bayern bedankt sich bei seiner Geburtstagsfeier bei jungen Trachtlern.

©  Andreas Gebert/p-a/dpa

Herzog Franz von Bayern: Der verhinderte König

Gäbe es die Monarchie noch, wäre Herzog Franz Bayerns Regent. Doch vor exakt 100 Jahren wurde der Freistaat ausgerufen.

Die Münchner Herbstsonne scheint auf den Nymphenburger Park, aber der Herzog möchte keinen Spaziergang machen. „Nein, lieber nicht“, sagt er zurückhaltend. Kein Plausch auf der Bank, kein Foto draußen. Herzog Franz von Bayern will nicht den Eindruck erwecken, als gehöre ihm da irgendetwas. Dem Mann mit dem weißen Haar, 85 Jahre alt und rüstig, gehört nichts davon. Er genießt nur ein Wohnrecht im Schloss Nymphenburg, das mehr als 200 Jahre lang im Besitz seiner Familie war. Franz von Bayern ist das Oberhaupt der Wittelsbacher. Wäre Bayern noch eine Monarchie, wäre er heute König. Er wäre der Ober-Bayer. Einer wie er, der fast ein ganzes Jahrhundert Bayern miterlebt hat, steht vielleicht besser für den Freistaat als jene kraftmeiernden Größen, die man sonst so vor Augen hat, Typ Franz Josef Strauß.

Die Wittelsbacher waren 1918 verjagt worden, der zottelbärtige Räte-Sozialist Kurt Eisner rief am 8. November den Freistaat aus. Ende der 20er-Jahre stürzte das Land in die Wirtschaftskrise, die Nazis stiegen auf. „Es kam zur völligen Katastrophe des Nationalsozialismus“, sagt Franz von Bayern. Das einstige Königshaus blieb nicht verschont. Der Vater, Albrecht von Bayern, war ein Gegner der NS-Diktatur. Die Familie emigrierte nach Ungarn, der Heimat der Mutter. Die ersten Erinnerungen von Franz von Bayern kommen da auf, er war sieben Jahre alt: „In Ungarn war ich als Kind ganz zu Hause, ich habe besser Ungarisch als Deutsch gesprochen.“ Die Kriegszeit bedeuteten auch für ihn und die Familie Chaos. „Städte brannten, Bomben fielen, Flüchtlingstrecks waren im Winter irgendwo stecken geblieben“, erinnert er sich.

Im November 1944 landeten die Wittelsbacher im KZ. Sachsenhausen, Flossenbürg, Dachau. „Wir waren in der Baracke in einem Raum eingesperrt. Als Kind überlegt man sich: Was passiert jetzt? Das überleben wir nicht.“ Vielen anderen ging es noch schlechter, diese Feststellung ist Franz von Bayern wichtig. Die Gräuel und Morde – er hat sie gesehen. Er erinnert sich daran, wie er auf dem Platz vor der Baracke spielte. „Dort lagen riesige Stapel von Leichen, daneben war das Krematorium.“ Über das Kriegsende und den Fall von Nazi-Deutschland sagt er: „Ich habe das als eine große Befreiung erlebt.“

Besuch empfängt Franz von Bayern in der Herzoglichen Verwaltung im Schloss Nymphenburg. Ein winziges Klingelschild in einem der Häuser an der 632 Meter langen Anlage verweist auf den Eingang. Man könnte meinen, dort wohnt der Hausmeister. Im Gespräch entpuppt sich der Herzog, der immer Junggeselle war und keine Kinder hat, als überzeugter Demokrat. Die bayerische Verfassung lobt er in höchsten Tönen und meint: „Bayern und all seinen Mitbürgern ist es noch nie so gut gegangen wie in den letzten 50 Jahren.“

Herzog Franz von Bayern ist in der Kunstszene verwurzelt

In der Gesellschaft muss Franz von Bayern oft präsent sein, doch würde er sich nie in den Vordergrund stellen. Vor allem in der Kunstszene ist er verwurzelt. Schon sehr früh, in den 50er-Jahren, begann er, moderne Kunst zu sammeln. „Sie fasziniert mich und ich freue mich darüber“, sagt er. „Mit Kunst trete ich in einen wirklichen Dialog.“ Das war ein Tabubruch in der Zeit von Wohnzimmer-Schrankwand, Nierentisch und Toast Hawaii. „Ich war schon ein Kuriosum in der Öffentlichkeit“, erinnert er sich. Der Vater konnte mit dieser Kunst nichts anfangen: „Er war manchmal entsetzt oder hat sich darüber lustig gemacht.“

Den Sohn, der Betriebswirtschaft studiert hatte, versuchte er aber nie davon abzubringen. Beuys, Baselitz, Immendorf – der Herzog hat sie gekauft, Freude daran gehabt und die Werke Münchner Museen überlassen. Der modernen Kunst hat das Anerkennung verschafft. „Die Tatsache, dass ich solche Bilder an der Wand habe, hat gewirkt“, meint er rückblickend.

Wie lebt es sich mit den vielen Bayern-Klischees? „Es gibt das Bayern der Forschung, der Geisteswissenschaft, der Neugier. Das verträgt auch die Klischees.“ Von manchen Oktoberfest-Besuchern hält er aber wenig. Höflich sagt er: „Einige Leute wirken sehr verkleidet und schauen etwas eigenartig aus.“ Das oft so lärmend vorgetragene „Mia-san-Mia“ der Bayern ist so gar nicht seine Sache. „Es steht mir nicht zu, mein Land zu kritisieren“, meint Franz von Bayern. Aber: „Es gibt schon eine gewisse Neigung zu Wohlbehäbigkeit und Selbstzufriedenheit. Viele glauben, wir sind die Besten und die Größten.“ Gerade jungen Menschen empfiehlt er dringend, eine Weile ins Ausland zu gehen – „die müssen mal weg“. Nur so könne man eigene Maßstäbe entwickeln.

Und wie wäre es heute so mit der Monarchie und der Königskrone für Franz von Bayern? „Es gibt keinerlei Unzufriedenheit mit dem jetzigen Zustand“, meint er. „Wenn ich König wäre, hätte ich schrecklich viel zu tun.“ Und: „Wenn die Menschen nach der Monarchie riefen, dann würde der Wagen schon sehr im Dreck stecken.“ Doch das Erbe der Wittelsbacher bedeutet für ihn Verpflichtung. Der Mann, der kein König ist, sagt: „Wenn sich die Notwendigkeit ergäbe, müsste die Familie zur Verfügung stehen. Wenn wir es da nicht täten, wären wir alle sinnlos gewesen.“

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