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Gunter Sachs ist tot: Tod im Paradies

Gunter Sachs, Fotograf, Frauenheld, Freigeist, hat sich mit 78 Jahren in seinem Chalet in Gstaad erschossen. Ein Nachruf.

Von Andreas Oswald

Kleine Jungs wollen Feuerwehrmann werden, ein paar Jahre später steht der Playboy ganz oben auf der Liste und noch ein bisschen später werden sie vernünftig. Wahre Playboys haben es schwerer. Gunter Sachs erzählte einmal, dass damals, in den 50er Jahren, fünf seiner Playboy-Kumpane hintereinander in ihren Ferraris starben. Gunter Sachs erwartete ein anderes Schicksal, aber es war nicht weniger spektakulär. Am Samstag hat sich der ewige Playboy in seinem Anwesen in Gstaad erschossen. Am Sonntagabend bestätigte seine Familie den Selbstmord des Kunstsammlers und Fotografen. Sie veröffentlichte zudem seinen Abschiedsbrief (siehe Kasten).

Ein Chalet in Gstaad, mit Blick auf die Wiesen im Sommer und die traumhaften Schneelandschaften im Winter – ein schönerer Ort zum Leben ist schwer vorstellbar. Und es gibt wohl auch kaum einen schöneren Ort zum Sterben.

Schönheit kann furchtbar sein. Wer zwischen den schönsten Meisterwerken der Kunst lebt, in der schönsten Landschaft, im schönsten Haus, mit der schönsten Frau, wer alles hat, den kann irgendwann ein Gefühl der Sättigung beschleichen. Der hat irgendwann ein wichtiges Gefühl verloren, das den Menschen antreibt, Hunger, Gier, den Wunsch, etwas zu bekommen, was außer Reichweite liegt.

Gunter Sachs hat alles gehabt. Eine große Kunstsammlung, die schönsten Frauen der Welt, Abenteuer und alles, was mit Geld zu kaufen ist.

Und er hatte die Aufmerksamkeit der Welt. Wie kein anderer verkörperte er den Typus des Playboys, des Individualisten, des bunten Vogels, der sich in der Spießigkeit der 50er Jahre von allem absetzte. In einer Atmosphäre des Wiederaufbaus, des Fleißes, der Sparsamkeit und der Wohlanständigkeit verkörperte er mit seiner provozierenden Hemmungslosigkeit den Geist der Freiheit und der finanziellen Unabhängigkeit, nach der sich so viele sehnten. Das alles überstrahlte einen dunklen Fleck in seiner Familiengeschichte.

Wo immer er seine ausschweifenden Partys veranstaltete, traf sich fortan der Jetset. Aus dem beschaulichen Fischerdorf St. Tropez wurde ein mondäner Ort, mit St. Moritz passierte das Gleiche. Wo er mit glamourösen Frauen, vor allem Brigitte Bardot, seiner zweiten Frau, auftrat, verlieh er dem Ort Glanz. Es war ein Leben, von Champagner umspült. Gunter Sachs wurde einmal gefragt, warum seine Frauen immer blond waren. Er begründete das mit den Märchen, die ihm als Kind vorgelesen wurden, die von zarten, hellen, dünnhäutigen Elfen beherrscht waren. Nun hat er immer viele Geschichten erzählt und damit die Gesellschaft unterhalten, aber die Geschichten waren eigentlich immer lustig. Wie die, dass er einmal über dem Garten von Brigitte Bardot vom Hubschrauber aus Rosen hatte regnen lassen. Er selber sprach ursprünglich von 141 Rosen, in späteren Kolportagen war dann von 1000 Rosen die Rede. Aber so genau musste es ja niemand wissen, auch die Details über Bardots Tiere, die es manchmal bis ins Schlafzimmer schafften.

Der zuletzt 78-jährige Gunter Sachs wurde sein Playboy-Image nie los, obwohl er die letzten 40 Jahre seines Lebens mit seiner dritten Ehefrau, Mirja Larsson verbrachte, einem ehemaligen schwedischen Fotomodell. Er selber sagte einmal, die Zeit seines Playboy-Daseins habe eigentlich nur acht Jahre gedauert, bis er das dritte Mal heiratete. Dass ihn das Image bis zuletzt verfolgte, hat ihn nie gestört, vielleicht deshalb, weil es Werbung für seine Projekte war, für seine Bücher, für seine Fotos, seine Kunstausstellungen. Das „boy“ im „Playboy“ nahm er noch an seinem 75. Geburtstag als Kompliment. In der Tat fiel Gunter Sachs in den vergangenen 40 Jahren nicht mehr durch ausschweifende Partys auf, sondern eher durch seine künstlerischen Aktivitäten. Seine Fotos, auf denen viele nackte Frauen zu sehen sind, fanden gewisse Anerkennung. Seine Leipziger Ausstellung „Die Kunst ist weiblich“ zog immerhin 54 000 Zuschauer an.

Eigentlich hatte er Mathematik studiert, sein wissenschaftlicher Hintergrund hinderte ihn aber nicht daran, ein Buch zu schreiben, in dem er behauptete, die Lage der Sterne habe Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen. Wenigstens kamen die Erlöse des Buches einem wohltätigen Zweck zu, seine Frau hatte eine Stiftung für Kinder in Not gegründet. Kritik konnte ihm nie etwas anhaben, das Einzige, was ihn zuletzt fuchste, waren Enthüllungen seines Biografen Wilfried Rott. Der recherchierte, wie Gunters Vater Willy, Erbe des Fichtel-&-Sachs-Firmengründers Ernst Sachs, früh zu den Nazis stieß und die Gunst Himmlers genoss. Gunters Mutter Elinor von Opel trennte sich von ihm und ging mit den Kindern in die Schweiz. Es gelang dem Vater, Partei- und Staatsführung für die Entführung von Gunter und seinem Bruder nach Deutschland zu gewinnen. Sie misslang. Später wurde das Außenministerium eingespannt, um legal an die Kinder zu kommen, vergeblich. Gunter Sachs nahm später die schweizerische Staatsbürgerschaft an. Der Verkauf der Firma ermöglichte ihm jenes Leben, für das er bis heute steht.

Sachs folgte mit seinem Selbstmord dem Vorbild seines Vaters, der sich 1958 erschossen hat. Noch bevor die Familie den Tod des 78-Jährigen bestätigte, hatte ein Sekretär seiner zweiten Frau Brigitte Bardot die Nachricht bestätigt. Beide bezeichneten sich auch nach ihrer Scheidung als „Freunde“. Bardot sei „am Boden zerstört“, ließ die ehemalige Schauspielerin mitteilen.

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