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Römische Guano-Games: Der Starenkot hat die Stadt im Griff. Autos sind ihm schutzlos ausgeliefert.

© dpa

Guano: Rom und der Vogelkot

Vier Millionen Stare koten jedes Jahr Rom zu, sie verursachen Autounfälle und Straßensperrungen. Weil eigens eingeflogene Falken sich als faule Jäger erwiesen haben, soll es nun spezieller Lärm richten.

Vier Millionen sollen es sein. Vier Millionen Stare. Als Zugvögel bezeichnet man sie in ihrer deutschen und der übrigen mitteleuropäischen Heimat. In Rom aber bleiben sie. Einen ganzen Winter lang. Tagsüber futtern sie sich auf den umliegenden Feldern den Wanst voll, die Verdauungsarbeit erledigen sie nachts in der Stadt. Da ist es ja doch ein paar Grad wärmer, und welcher Star hat nicht gern einen wohltemperierten Bürzel, also eine angenehm warme hintere obere Rückenpartie?

Dabei ist der Lokalzug der Zugvögel eine einzige Augenweide; er gehört zum Schönsten, was Rom im Winter zu bieten hat: Wie die Stare in der Abenddämmerung in die Stadt reinfliegen, wie zehntausende von ihnen als Riesenschwärme in der Luft ihre Pirouetten drehen, so leicht, so geschmeidig, so elegant, so präzise und komplex wie computeranimierte, dreidimensionale mathematische Funktionen. Und wie sie dann aus diesem Gewoge hinabtropfen in die Bäume, zarten Windhosen gleich...

Da bleiben sie dann und schnattern, einander wärmend, die ganze Nacht. In den Platanen und den Pinien, am Tiberufer, vor dem Nationaldenkmal, über den Bahnhofsvorplätzen. Am liebsten dort, wo unter ihnen viele Autos parken. Und Menschen ihrem Alltag nachgehen. Oder dies jedenfalls zu tun gedenken. Doch ohne Schirm sind die Passanten aufgeschmissen, selbst bei klarsten Himmel geht ohne ordentlichen Schutz nichts – und auch in Rom scheint in diesem Dezember bei warmen Temperaturen häufig die Sonne. Viele Autos sind versaut mit lackverätzend-klebrigen Darmprodukten, manche sind, wenn sie wochenlang unbewegt auf dem gleichen Platz parken, unter dem Vogelkot überhaupt nicht mehr zu erkennen. Jeder Gehsteig ist dann glasiert mit glitschig-grauem Schlick; es riecht wie Guano, nach Geflügelfarm. Die Invasion der Stare verursacht auch Notarzteinsätze am laufenden Band: ausgerutschte Personen, gebrochene Oberschenkelhälse. An Heiligabend musste sogar eine Hauptdurchgangsstraße gesperrt werden. Sie wurde als zu gefährlich für Moped- und Motorradfahrer eingeschätzt, weil plötzlich einsetzender Regen sich mit dem Vogelkot vermischte und ein extrem rutschiger Film auf der Fahrbahn entstanden war, der aufwändig entfernt werden musste.

Das Wetter ist Teil des Problems

Das sonnig-trockene Winterwetter in Italien macht dem Land und seiner Hauptstadt zunehmend zu schaffen. Denn nicht nur die Stare fühlen sich wohl. In vielen Städten ist die Luft so verschmutzt, dass die Gefahren für die Gesundheit der Menschen immer schlimmer werden. Mit Fahrverboten versuchen große italienische Städte die hohe Luftbelastung zu senken. Außerdem sollen die Menschen mit Vergünstigungen im Nahverkehr motiviert werden, ihr Auto stehen zu lassen, Rom geht diesen Weg. In Mailand, der zweitgrößten Stadt des Landes, gilt in den Mittagsstunden für mehrere Tage ein weitgehendes Fahrverbot für Privatwagen. Ein Bürgermeister in der Region von Neapel will außerdem bis zum Ende des Winters sogar das Pizzabacken im Holzofen verbieten. Noch ist aber unklar, ob dieses Verbot in der Heimat der Pizza durchsetzbar ist.

Da Vögel im Gegensatz zu Autos nicht per Verordnung vermieden werden können, versucht Rom jedes Jahr aufs Neue alles. Doch die probehalber immer wieder eingeflogenen Falken verlieren regelmäßig am zweiten Abend jede Lust an der Starenjagd. Nun probiert es die ewige Stadt mit Biolärm.

Vermummte Männer in Tatortreiniger- Overalls, die an den Ausbruch einer schlimmen Seuche in einem Film erinnern, recken Megaphone in die Bäume. Aus den Lautsprechern kreischen Angstschreie, wie ein Star in Gefahr sie eben ausstößt. Und siehe da: der Schwarm lässt sich warnen. Er steigt auf, Hals über Kopf flieht er – Sieg! – und lässt sich drei Bäume weiter wieder nieder. So geht das in Rom. Jeden Baum, Jeden Tag, jeden Winter. Unbändig ist solche Naturgewalt. Da ist nichts zu machen. (mit dpa)

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