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Panorama: Good bye, Leni

Eine Trauerfeier für Riefenstahl – und kaum einer geht hin. Aber dann haben sich doch noch einige Redner gefunden

Stell dir vor, du bist eine weltbekannte Regisseurin, berühmt für ihren Perfektionismus. Nun bist du tot. Du hast es nicht mehr in der Hand. Jetzt inszenieren andere. In diesem Falle Thomas Schmid.

Die Perfektionistin Leni Riefenstahl ist mit 101 Jahren gestorben, da rechnen die meisten mit dem Ende. Sie offenbar nicht. Sie hat für ihre Trauerfeier nämlich nur recht allgemeine Anweisungen hinterlassen. Sie wollte zum Beispiel Musik aus „Das blaue Licht", ihrer ersten eigenen Regiearbeit. Thomas Schmid, der Regisseur der Trauerfeier, ein kleiner, wuseliger Herr von der Firma „Trauerhilfe Denk", hat sich den Film angeschaut. „Das waren immer nur ganz kurze Musikschnipsel. Unbrauchbar." Also hat er ihren letzten Film „Impressionen unter Wasser" genommen. Da gibt es eine CD mit der Musik von Giorgio Moroder, die muss man nur einlegen, fertig. Eine einfache Sache.

Nur kurze Schnipsel! Leni Riefenstahl hätte vor Schwierigkeiten dieser Art niemals kapituliert.

Die Trauerfeier findet im Krematorium des Münchner Ostfriedhofs statt. Wenn man den Ostfriedhof sieht, muss man unwillkürlich denken: „Adolf Hitler hätte es hier gefallen. Fette Kuppel, reichlich Säulen. Auf so was fuhr er ab." Sie war immerhin die letzte lebende Person, die Hitler persönlich nahestand. Da kann man gar nichts dagegen tun, dass einem historische Assoziationen zufliegen. Am Eingang zum Friedhof hängt ein Plakat des Films „Rosenstraße", direkt an der Haltestelle der S-Bahn nach Dachau. Neben dem Krematorium steht ein grauer Stein, gewidmet den „Opfern der Jahre 1933-1945".

Es sind, schwer zu schätzen, drei- bis fünfhundert Trauergäste. Zehn Prozent Journalisten. Das „SZ-Magazin" hat vier Reporter im Einsatz, sie planen eine große Sache. Kein Vergleich aber mit der Beerdigung ihrer politischen Antipodin Marlene Dietrich vor ein paar Jahren. Da war mehr los. Damals wurde sogar eine Pressetribüne auf dem Friedhof errichtet. Bei Leni sieht man viel Loden-Mode. Einige Herren könnten als Body-Double von Luis Trenker auftreten.

Die Rede soll Thomas Fleckenstein halten. Wer ist das? „Entschuldigung, kennen Sie den Thomas Fleckenstein?" Eine sehr alte Dame, Loden, schöne Zähne, lässt sich den Namen auf der Zunge zergehen. „Fleckenstein? Höchstwahrscheinlich ein hebräischer Mensch."

Man muss erstmal überlegen, was sie damit meint. Ein jüdischer Trauerredner? Na, das wäre ein Ding.

Heitere Stimmung

Zuerst dürfen die Journalisten in die Halle, dann die Promis, dann das Volk. Etwa dreißig Kränze am Sarg. „Deine Freunde Siegfried u. Roy". „In stillem Gedenken. Fa. Sony". Mit schwarz-rot-goldener Schlaufe: „Der großen Künstlerin. Dr. Peter Gauweiler". „Ein letzter Gruß von Hassan Sobir, Tourismusminister der Malediven". Die Firma „Denk Trauerhilfe" hat für die Prominenten 50 Plätze reserviert, die aber bei weitem nicht benötigt werden. Von denen, die angeblich bei Leni ein- und ausgingen, haben die meisten sich gedrückt. Oder wussten sie nicht Bescheid? Karl Denk sagt, dass auf Wunsch der Toten keine Einladungen ’rausgeschickt wurden. „Es sollte sich niemand verpflichtet fühlen."

Keine Uschi Glas. Kein Reinhold Messner. Da, Hilmar Hoffmann. Und Müller-Wohlfarth, der Mannschaftsarzt von Bayern München. Und Leo Kirch. Sein Kranz, gelb, riesig, steht direkt vorm Sarg und trägt die Aufschrift: „Leo Kirch". Mehr Worte braucht es nicht. Er kommt in einer Gruppe, lacht und winkt irgendwem. Die Stimmung ist überhaupt ungewöhnlich heiter für eine Trauerfeier. Sonderbar auch, dass die berühmten Männer am Sarg von Leni Riefenstahl eigentlich alle langhaarig sind. Sieht aus, als sei sie ein großer Hippie gewesen.

Es war schwierig, Redner zu finden. Antje-Katrin Kühnemann, eine Moderatorin und Ärztin, macht es. Sie spricht sehr leise. Mikro aufdrehen, Regisseur Schmid! Frau Kühnemann erzählt, dass Leni Sachen aus Kühnemanns Kleiderschrank vor dem Spiegel anprobiert hat, wie ein junges Mädchen war sie bis zuletzt. Sie, Kühnemann, sei in einer Zeitung falsch zitiert worden. Nicht „Witz" sei Lenis herausragende Eigenschaft gewesen, sondern „Wille". Zu den politischen Fragen sagt sie: „Mancher nennt es Unbelehrbarkeit. Mancher nennt es: sich selber treu bleiben." Auch Steffen Kuchenreuther von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft schimpft auf die „Verteufelung" der Toten, speziell in der „Süddeutschen". Er redet aber nur kurz.

Danach: Musik aus dem Film „Tiefland". Dann Fleckenstein, der Hebräer. Er sieht eher germanisch aus – aber man weiß ja nie. Fleckenstein gilt als der beste Mann bei Trauerhilfe Denk und hat zwei Tage und Nächte lang an der Rede gearbeitet. Von den Lieben ihres Lebens werden, neben ihrem Mann Horst Kettner, zwei erwähnt: Luis Trenker und Arnold Fanck, der Bergfilm-Regisseur. Die Rede klingt generell ein bisschen wie das Zeugnis einer Firma für einen Mitarbeiter, der leider zur Konkurrenz wechselt. Sie enthält den Satz: „Gewissenhaft erledigte sie übernommene Aufgaben." Das heikle Thema Drittes Reich streift Fleckenstein nur, wobei er sich aber das einzige Mal verspricht. Er sagt: „Der Film über den Reichsparteitag 1984, nein, 1934 ist es, der nach dem Krieg ihre Karriere zerstört." Auch Fleckenstein schimpft kurz auf die viel zu kritischen Medien, wie das ja überall zum guten Ton gehört. Und sagt, dass Leni noch im Januar, mit fast 101, Tauchurlaub in Kenia gemacht hat. Zum Abschluss spielen Mitglieder des Bayrischen Staatsorchesters mit viel Schmackes Richard-Wagner-Musik aus dem „Tannhäuser".

Es hat eine Stunde gedauert. Verbrannt wird Leni Riefenstahl erst am Montag, wo die Urne hinkommt, ist geheim. Kurz vor Schluss stürmt ein Mann mit Kippa und einem Schild, auf dem „Schalom" steht, in die Krematoriumshalle, und es sieht nach Eklat aus. Es ist aber nur Achim von Almrich, ein spinnerter Friedensfreund, der um Autogramme für sein Friedensalbum bittet.

Klaus Löwitsch und Rex Gildo ruhen übrigens ebenfalls auf dem Ostfriedhof. Thomas Schmid sagt: „Das Vaterunser zu beten, war Wunsch der Familie." Leni Riefenstahl ist nicht sonderlich religiös gewesen. Und sie wollte „Das blaue Licht". Aber sie hatte es nicht in der Hand. Zum Abschied schaut Herr Schmid sein Gegenüber prüfend an. Und sagt: „Bis dann."

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