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Von Krankheit keine Spur. Papst Franziskus empfing am Mittwoch Bischöfe bei seiner wöchentlichen Generalaudienz.

© Maurizio Brambatti/dpa

Gerüchte um die Gesundheit des Papstes: Angeblicher Gehirntumor: Gespenster des Vatikan

Eine italienische Zeitung meldet einen Tumor des Papstes, der Heilige Stuhl und der zitierte Arzt dementieren: es gab nicht einmal eine Untersuchung. Wurde zum Ende der Familiensynode eine Falschmeldung lanciert?

„Jetzt wissen sie nichts mehr zu sagen. Nach tausend Lügen erfinden sie nun auch noch Krankheiten!” Wie genervt Pater Antonio Spadaro ist, geht aus seinem Aufschrei bei Twitter hervor. Spadaro ist Jesuit wie Franziskus, er gilt als einer der engsten Vertrauten des Papstes und er hat einen ebenso hellwachen wie beschützenden Blick auf das, was geschieht.

Passiert war in diesem Falle, dass der „Quotidiano Nazionale“, ein Verbund mittelitalienischer Lokalzeitungen, in der Nacht zum Mittwoch dem Papst einen Gehirntumor nachgesagt hatte. Einer der weltbesten Chirurgen auf diesem Gebiet, der Japaner Takanori Fukushima, sei eigens per Hubschrauber in den Vatikan geholt worden; die Untersuchung habe aber lediglich „einen braunen Flecken im Gehirn“ erbracht, „einen kleinen Tumor, der keinen chirurgischen Eingriff braucht“.

Parkinson bei Johannes Paul II. hatte der Vatikan auch dementiert

Die Nachricht saß: Franziskus, der so Beliebte, krank! Am Gehirn auch noch! Kann so ein Mann die Kirche überhaupt noch vernünftig leiten? Im ersten Moment tauchten Erinnerungen wieder auf an Zeiten, in denen der Vatikan jedwede Erkrankung eines Papstes so lange verschleierte, wie es nur irgend ging: Bei Johannes Paul II. hatte die Öffentlichkeit längst das Zittern seiner Hand gesehen, bevor Vatikan-Sprecher Joaquin Navarro-Valls, selbst ein Arzt, die Parkinson-Erkrankung einräumte.

Und dann die Äußerungen Franziskus’ in einem Zeitungsinterview mit der "Zeit" im März, in dem er die Vermutung kundtat, dass sein Pontifikat nur kurz währen würde, und einen Rücktritt nach dem Vorbild seines Vorgängers Papst Benedikt XVI. nicht ausschloss. Sollte es nun soweit sein?

So prompt und entschieden wie diesmal hat der Vatikan schon lange keine Horrormeldung mehr dementiert. Noch mitten in der Nacht erklärte Sprecher Federico Lombardi die Nachricht als „vollkommen unbegründet“. Am Mittwoch Mittag legte Lombardi nach: Er habe sich „bei allen notwendigen Stellen im Vatikan erkundigt, auch beim Papst selbst“: Es sei kein japanischer Arzt zur Visite im Vatikan gewesen, es habe keine Untersuchungen am Gehirn gegeben und auch keinen Hubschrauberflug. „Das können höchstens Gespenster gewesen sein.“ Und außer den paar „Problemen mit den Beinen, die wir alle immer wieder sehen“, gehe es dem Papst gut.

Tag der Veröffentlichung ist heikel

Keiner der zahlreichen Journalisten bei der Pressekonferenz hakte nach. Allzu offensichtlich waren die Ungereimtheiten in dem Bericht des „Quotidiano Nazionale“ – mit dem vatikanischen Hubschrauber zum Beispiel, den es gar nicht gibt. Oder wie ein Arzt einen kleinen Gehirntumor ohne Kernspin-Tomografen und Hightech feststellen könnte. Und der Zeitpunkt der Veröffentlichung war ausgesprochen suspekt. Am Abend meldete sich dann das Büro des japanischen Arztes: Niemals habe er den Papst behandelt oder untersucht, teilte eine Sprecherin mit, die Meldung sei „absolut falsch“. Da schien jemand Interesse gehabt zu haben, eine Horrormeldung zu lancieren.

In Rom geht dieser Tage die dreiwöchige Bischofssynode ins Finale; da steht zur Debatte, ob die katholische Kirche ihre starre Ehe- und Familienmoral angesichts der gewandelten Gesellschafts-Standards aufweichen soll, und Franziskus gilt – auch wenn er sich zu den einzelnen Fragen bisher gar nicht geäußert hat – als ein Vorkämpfer der Reform. Schon vor der Synode nutzten die verschiedenen Parteien alle möglichen Medien für ihre Zwecke, und aus den laufenden Beratungen heraus twittern und bloggen die Würdenträger wie nie zuvor – so als wären sie Parlamentsabgeordnete, die jede Wortmeldung daheim vor ihrem Wahlkreis verteidigen müssten.

Wie hart die Kämpfe hinter den Kulissen der Synode selbst sind, geht aus dem Bericht der deutschsprachigen Arbeitsgruppe hervor, der etwa zeitgleich mit der Krankheits-Story für Aufsehen gesorgt hat. „Mit großer Betroffenheit und Trauer“ formulieren die Bischöfe, hätten sie „die undifferenzierten, falschen und verletzenden Äußerungen einzelner Synodenväter zu Personen, Inhalt und Verlauf der Synode“ aufgenommen. „Wir distanzieren uns entschieden.“

Zwar führen die deutschsprachigen Bischöfe keine Namen und keine Anlässe an, aber allein das Benennen von Konflikten und vor allem der öffentliche Rüffel für andere Bischöfe und Kardinäle ist im Vatikan bisher ohne Beispiel. Da muss es also etwas gegeben haben.

Was davon wahr ist

Im Falle Franziskus stellte sich im Lauf des Mittwochs nur eines als wahr heraus: Der japanische Spitzenarzt war ausweislich seines Blogs tatsächlich zweimal im Vatikan. Auf einem Foto zeigt er sich selbst beim Händeschütteln mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz – wie es Ehrengäste bei Generalaudienzen eben dürfen, ein anderes Mal schenkt ihm ein Kardinal in den Fluren des Apostolischen Palasts einen Rosenkranz. Zu diesem zweiten Besuch scheint Takanori Fukushima – „eingeladen zu einer Veranstaltung – im Januar tatsächlich mit dem Hubschrauber gekommen zu sein: wenn auch nur in die Stadt Rom, nicht auf den Vatikan-Flugplatz.

Bei der Synode wird unterdessen eine Abneigung gegen Kirchenreformen immer deutlicher. Gerade in einem der Schlüsselthemen, der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten, plädieren einige der dreizehn Arbeitskreise ausdrücklich gegen jede Änderung. Ein anderes Reizthema, den Umgang mit Homosexuellen, wollen manche  gleich komplett aus dem für Samstag erwarteten Schlussdokument gestrichen haben. Das aber, so formuliert es die Gruppe „Englisch D“ mit ihren 21 Bischöfen aus 20 Nationen, „könnte die Glaubwürdigkeit der Kirche in Westeuropa und Nordamerika beschädigen.“ Auf deutsch: Dann können wir uns nicht mehr blicken lassen.

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