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Die Kuppel des Reichstags in Berlin.

© Imago/ All Canada Photos

Gefahren für die Demokratie: Das Schlechte kommt so nah

Gefährdungen der Demokratie gibt es auch hierzulande. Sie lassen sich nicht einfach mit mangelnder Akzeptanz der Coronapolitik begründen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da ist jetzt also überall von einer Gefährdung der Demokratie zu lesen, und dabei geht es um – natürlich – Donald Trumps USA. Das Thema Nr. 1 dieser Tage, von Corona mal kurz abgesehen. Aber wer redet über die Gefährdungen unserer Demokratie? So mühselig, wie sie errungen worden ist, muss man wachsam sein, dass sie nicht, sagen wir, zermürbt wird. Und zwar durch ständiges Zerren und Ziehen und Rütteln an den Grundpfeilern, an unserer Verfassung, auf der das Gemeinwesen ruht.

Dass unser Grundgesetz, allgemein für bedeutsam erklärt, in den Taten nicht so ernst genommen wird, wie es notwendig ist, um seine Autorität zu festigen – das ist eine Gefährdung. Unverletzlichkeit der Wohnung zum Beispiel ist ein Grundrecht. Wer da in diesen Zeiten vorbei- und reinkommen und anderes will, ob von der örtlichen Polizei, der Bundespolizei oder weiteren Sicherheitsbehörden, muss rechtlich abgesichert sein. Dass hochrangige Politiker hinter geschlossenen Türen so reden, als wollten sie sich in der Corona-Zeit über solche Normen hinwegsetzen, geht gar nicht.

Was an den anderen Sündenfall erinnert: Ermunterung zur Denunziation. Corona macht’s möglich? Bloß nicht. Solche Zeiten haben wir doch wohl ein für alle Mal hinter uns, oder? Wehe uns, wenn nicht.

Und dann das Nachlassen der politischen Bindekräfte. Sehr vereinfacht gesagt führte die Politik von Helmut Schmidt dazu, dass auf der Linken die Grünen stark wurden; die von Gerhard Schröder führte zur Linkspartei; und die von Angela Merkel päppelte die Ultrarechten von der AfD. Jetzt kommt diese Gruppe auf: die der Unzufriedenen. Viele murren wegen der Corona-Politik, finden sie inkonsistent, verstehen sie oft nicht mehr. Das sind nicht alles Aluhüte.

Der Unmut in der Gesellschaft sammelt sich nicht nur am Rand

Wer auf die Freidemokraten im Bundestag oder in verschiedenen Landtagen schaut, nehmen wir Nordrhein-Westfalen, bekommt eine Ahnung davon, dass sich Unmut sammelt – inmitten der Gesellschaft, nicht an ihren Rändern. Die FDP kann’s freuen, weil sie damit ziemlich sicher in den Bundestag zurückkehrt, aber ansonsten keinen. Eine Art strenge Volkspädagogik wirkt gegen das Murren nicht, und es gibt wenig Anzeichen, dass sich das ändert.

Was bedeutet: Jede Maßnahme, die von nun an beschlossen werden soll, müsste unter allen Gesichtspunkten vorher genau geprüft sein, auf Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit, Rechtstaatlichkeit, per Gesetz, immer gleich mit Verfallsdatum, das alles selbstverständlich im Parlament – um so erklärt werden zu können, wieder und wieder, geduldig, als Appell an Solidarität und nicht als Kasernenhofappell.

Warum das wichtig ist? Weil Kommunikation gerade immer noch wichtiger wird. Nicht die Taten bestimmen die Menschen, sondern die Worte über die Taten – dieser Aphorismus wird Caesar, Thukydides, Aristoteles, Heraklit und dem CDU-Politiker Heiner Geißler zugeschrieben. Er stammt aber in einer freien Übersetzung aus dem „Handbüchlein der stoischen Moral“ des griechischen Philosophen Epiktet. Einerlei, der Satz ist so gut, dass ihn alle gesagt haben wollen, weil er ja stimmt. Auch so gewendet: Wer will, dass die Taten die Menschen erreichen, muss seine Worte umso besser wählen. Und das, was er/sie tun will, umso besser wägen.

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