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Gärtnern in Neuhardenberg: Der Herr und seine Diven

Warum Stauden manchmal zickig sind, tote Bäume nicht umfallen und Graskarpfen den Teich sauber machen. Ein Rundgang mit Chefgärtner Uwe Klamandt

Kunterbunt prunkt der Staudengarten. Kunterbunt? Bitte genau hinsehen. „Wir haben hier im Farbkreis gepflanzt“, sagt Uwe Klamandt, Chefgärtner in Neuhardenberg. Also Zitronengelb, Sonnengelb, Indischgelb, dann kommen rote Töne, pink- und lilafarbene. Eine blühende Oase, in der sich ungezählte dicke Hummeln gütlich tun. Auf einem rostroten Purpursonnenhut hat ein Pfauenauge Platz genommen, ein Kohlweißling flattert vorbei, brummend kreist eine Biene. Alles in allem üppige Pracht, die man doch getrost sich selbst überlassen kann.

Milde lächelt der 59-Jährige über die naive Städterin. Denn so einfach ist das nicht. Immer wieder würde sich etwas in die Beete schmuggeln, was dort nicht hingehöre. Raus damit. Wolfsmilch etwa müsse „gründlich ausgeputzt“ werden. Zudem haben die Pflanzen ihren eigenen Willen. Da setze man eine weiße Indianernessel, und ein Jahr später ist sie purpurrot. Ein Rittersporn, der blau blühen sollte, präsentiert überraschend lilafarbene Blüten.

Funkien mögen keine Sonne

Manche Pflanzen sind wie Diven – anspruchsvoll und bisweilen etwas zickig. Klamandt weiß damit umzugehen, er kennt ihre Stärken und Schwächen. Einige Stauden vertrügen mehr Wasser, andere weniger. Ebenso sei der Standort zu bedenken. „Funkien mögen nicht so viel Sonne“, weiß der Experte und blickt liebevoll auf die Herzblattlilien. Seinen Beruf hat Klamandt von der Pike auf gelernt, zusätzlich noch ein Studium an der Fachhochschule für Gartenbau in Erfurt absolviert.

Außen, vor der weißen Mauer, ballen sich weiße Hortensien. Wie groß und dick die sind! „Das ist die sehr robuste Sorte Annabelle“, sagt Klamandt. Dass sie nun hier wächst, war der Wunsch der Landschaftsarchitektin, die vor Jahren einen Umbau gestaltete. Weiße Blumen vorm Hintergrund einer kalkweißen Mauer. Klamandt war skeptisch. Später hat ihn die phänomenale Wirkung überzeugt. Im Hintergrund erhebt sich der Schinkel’sche Kirchturm, heute unter einem weiß-blau getupften Himmel. Klamandt preist das geniale Zusammenspiel des legendären Architekten mit den Gartenkünstlern Lenné und Pückler. „Die haben sich schon was dabei gedacht, als sie das Areal einst geplant haben“, sagt er voller Stolz.

Ein riesiger Park mit tollen Sichtachsen

Mehr als zwanzig Jahre ist Klamandt bereits in Neuhardenberg tätig. Mit seinen vier Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen betreut er vor allem den Park, in dem man locker 25 Fußballfelder verlegen könnte. Riesig ist er. Der Gärtner schmunzelt. „Vom Schloss bis zum Ende des Parks sind es nur 700 Meter“, sagt er. Aber kaum jemand merke das. Denn der Park geht nahezu unmerklich in die Landschaft über, begrenzt von weit entfernt stehenden Baumgruppen. Lenné und Pückler wussten um die Wirkung von Winkeln und Sichtachsen. Eigentlich Konkurrenten, haben sie hier sozusagen gemeinsame Sache gemacht. Manche Wege, die Lenné in seinen Plänen vorgesehen hatte, wurden allerdings nie realisiert, weiß Klamandt. Andere seien später hinzugekommen. „Die Kastanienallee etwa gab es nicht in Lennés Entwurf“, sagt der Experte. Erst vor hundert Jahren, so schätzt er, wurde sie angelegt.

So weit, so groß. Land. Im Park von Neuhardenberg könnte man 25 Fußballfelder verlegen.
So weit, so groß. Land. Im Park von Neuhardenberg könnte man 25 Fußballfelder verlegen.

© Fotokraftwerk

Die mächtigen einzelnen Exemplare der Linden, Eichen oder Erlen sind älter. Wie ein Caspar-David-Friedrich-Baum reckt einer blattlos die verkrüppelten Äste. „Eine Eiche“, erklärt Klamandt. Er hat sie noch mit dichtem Laub erlebt, seit rund sechs Jahren sei sie tot. Wunderbar, dass sie hier trotzdem – wie ein Mahnmal – stehen bleiben darf. Manches, was sonst von Artgenossen übrig war, wurde fortgeschafft. Schrecklich sei es gewesen beim letzten großen Sturm vor drei Jahren. Rund 300 Bäume seien umgestürzt.

Seltsamerweise traf es nicht jene, die innen schon ganz ausgehöhlt waren. Und davon existieren einige. Man wundert sich, warum sie dennoch Jahr für Jahr aufs Neue Blätter austreiben. Sogar der Trockenheit trotzen sie, die anderen Bäumen seit einigen Jahren zu schaffen macht. Auch in diesem Frühjahr habe es kaum geregnet, bedauert Klamandt. Und der Winter hätte die Speicher unter den Wurzeln auch nicht auffüllen können.

Die Wiesen werden auf natürliche Art kurzgehalten. Krainer Steinschafe vom Hof Pimpinelle im nahen Quappendorf erledigen das. Wo die Tiere gestern grasten – das Terrain wird jeweils neu abgesteckt –, ist alles schön kurz. Einzelne Pflanzen aber ragen noch heraus. „Sauerampfer“, seufzt Klamandt, „den mögen die Schafe nicht.“ Da muss dann eben nachgemäht werden.

Der Teich ist ein Sorgenkind. Die Bäume sollen sich in ihm spiegeln, aber wie soll das funktionieren, wenn das Wasser so grünlich-trüb ist? Im Kampf gegen die Algen haben sie Graskarpfen ausgesetzt. Das klappe gut. Früher hatten sie mal Kois im Gewässer, aber die hätten dann die Hechte gefressen. Diese Raubfische schwimmen schließlich auch hier herum. Während man so einen Hecht angeln könne, sei ein Graskarpfen kein Speisefisch. „Zu viele Gräten“, warnt Klamandt.

Vögel fühlen sich wohl im Park. Spechte, Krähen, Habichte, Eulen, Nachtigallen, Rotkehlchen, Zilpzalps … „Dem Wiedehopf haben wir auch Nisthilfen gebaut“, sagt Klamandt. Noch anderes flattert hier in Hülle und Fülle. „Wenn Sie ein Abendprogramm im Park zwischendurch langweilig finden, schauen Sie einfach in den Himmel“, empfiehlt er: „Da schwirren ungezählte Fledermäuse herum.“ Zum Schlafen machen sie es sich in den hohlen Bäumen gemütlich.

Was macht ein Gärtner in den Ferien? Er schaut sich in anderen Parks um. In Branitz und Bad Muskau war Klamandt, natürlich, aber auch auf der Insel Mainau. Dort, so erzählt er, werde viel Wert auf Exoten gelegt. Es gibt Palmen, Mammutbäume – und sogar Wasserkaskaden. „In Neuhardenberg haben wir ja nur heimische Bäume“, erklärt er – und schaut zufrieden am Stamm einer Platane hinauf. Der Gärtner war auch im niederländischen Keukenhof und erschrocken über „das grelle Theater“. Der Tulpen-Farbrausch – eine Herausforderung für einen, der märkische Harmonien in Grün gewöhnt ist.

Der Teich soll sauber werden. Deshalb wurden jetzt Graskarpfen eingesetzt. Die futtern die Algen weg.
Der Teich soll sauber werden. Deshalb wurden jetzt Graskarpfen eingesetzt. Die futtern die Algen weg.

© Fotokraftwerk

Nicht einmal im Sommer ist es überlaufen im Park von Neuhardenberg. An diesem Julivormittag verlieren sich gerade mal zwei Spaziergänger auf den sanft geschwungenen Wegen. Herrlicher als im Sommer kann es hier nicht sein. Klamandt widerspricht. Ihm gefällt der Ort am besten im Oktober. „Wenn sich das Laub gelb-braun färbt und die Blätter golden herabfallen, dann kann man melancholisch werden.“ Ein feiner Unterschied zu depressiven Verstimmungen, die einen in grauen, schneelosen Wintern plagen könnten. Aber davor ist Klamandt gefeit, denn im Winter ist viel zu tun. Es gilt, all die toten Äste aus den Kronen zu holen, damit Spaziergänger gefahrlos unter ihnen wandeln können.

„Da haben Sie ja fast einen Traumjob“, sagt man ihm zum Abschied. Der Mann mit der grauen Latzhose schüttelt den Kopf und lacht: „Wieso fast? Es ist ein Traumjob.“

Veranstaltungshinweis: Sonntag, 16. August, 2020 17 Uhr. „Privates Paradies. Der Garten als Sehnsuchts- und Verwirklichungsort“ mit Herta Müller, Dieter Kosslick und Gesine Jochems, moderiert von Jochen Wegner, Chefredakteur von Zeit Online und Bonsai-Experte.

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