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Ein Foto des japanischen Energiekonzerns Tepco zeigt die Zerstörung im Reaktor 3 des Atomkraftwerks Fukushima 1.

© Reuters/Tepco

Update

Fukushima: Stromkabel zum zerstörten Reaktor gelegt

Japan klammert sich in der Atomkrise an jede kleine Hoffnung: Technikern gelang es, ein Stromkabel zum teilweise zerstörten Reaktor 2 zu legen. Damit könnte die reguläre Kühlung möglicherweise wieder in Gang kommen. Die nächsten Tage könnten entscheidend sein.

Die Betreiber des Atomkraftwerks Fukushima haben noch Hoffnung, die erheblich beschädigte Anlage doch noch unter Kontrolle zu bringen und eine nukleare Katastrophe zu verhindern. Die Arbeiten zur Verlegung eines Stromkabels zum Reaktor 2 wurden nach Angaben der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) erfolgreich abgeschlossen.

Die Stromversorgung soll aber erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die Maßnahmen zur Wasserkühlung des Reaktors 3 von außen abgeschlossen seien, teilten die japanischen Behörden der IAEA mit. Hubschrauber und Wasserwerfer versuchten am Donnerstag, den teils zerstörten Reaktor vom Boden und aus der Luft mit Wasser zu kühlen. Dies soll am Freitag fortgesetzt werden. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo könnte der Strom am Freitag oder Samstag im Reaktor 2 angeschaltet werden. Es ist aber unklar, ob das Kühlsystem des Reaktors noch so intakt ist, dass es wieder in Gang gesetzt werden kann. Über Block 2 stieg am Abend erneut Rauch auf.

Techniker und Soldaten arbeiten mit Hochdruck an der langen Reihe der Reaktoren 1 bis 4 gegen die tödlichen Bedrohungen aus dem Reaktorkern und den Abklingbecken für abgebrannte Kernbrennstäbe. Die radioaktive Strahlung in der Evakuierungszone um das teilweise zerstörte Kraftwerk stieg am Donnerstag deutlich an, in Tokio blieb sie dank des aufs Meer gerichteten Westwinds unter den gesundheitsschädlichen Werten, wie die IAEA in Wien mitteilte.

Mit Hubschraubern aus der Luft und Wasserwerfern am Boden versuchten die Soldaten, vor allem den havarierten Reaktor 3 zu kühlen. Der Betreiber Tepco wertete den Einsatz als Erfolg, weil Wasserdampf aus dem überhitzten Meiler aufgestiegen sei. Die Behörden gaben dennoch keine Entwarnung.

Die Hubschrauber können nach einem Bericht des Fernsehsenders NHK 7,5 Tonnen Wasser fassen. Doch das zielgenaue Treffen ist schwierig. „Am wichtigsten ist jetzt, große Wassermengen auf die Reaktorblöcke 3 und 4 zu schütten, vor allem um die Kühlbecken zu füllen“, sagte Atombehörden-Sprecher Hidehiko Nishiyama der Agentur Kyodo.

US-Präsident Barack Obama ordnete angesichts der Ereignisse in Japan eine „umfassende“ Sicherheitsüberprüfung für die amerikanischen Reaktoren angeordnet. Die US-Atomkraftwerke seien in der Vergangenheit „intensiv geprüft“ und für sicher befunden worden, für alle möglichen „extremen“ Fälle, sagte Obama am Donnerstag im Rosengarten des Weißen Hauses. „Aber wenn wir eine Krise wie die in Japan sehen, haben wir eine Verpflichtung, aus diesem Ereignis zu lernen.“

Die Regierung in Washington hatte am Mittwoch allen Amerikanern nahe gelegt, das Gebiet im Umkreis von 80 Kilometern um Fukushima zu verlassen. Außerdem begannen die USA am Donnerstag damit, Amerikaner auf freiwilliger Basis aus Nordjapan auszufliegen. Weitere Evakuierungsflüge sollen folgen. Das US-Verteidigungsministerium schickte ein Spezialistenteam für den Kampf gegen die Atomkatastrophe nach Japan.

Hubschrauber versuchten die beschädigten Reaktoren mit Wasser zu kühlen.
Hubschrauber versuchten die beschädigten Reaktoren mit Wasser zu kühlen.

© Reuters

Ob das große Atom-Desaster noch verhindert werden kann, entscheidet sich nach Einschätzung der Strahlenschutz-Gesellschaft in Hannover vermutlich in den nächsten Stunden: Wenn die Kühlversuche an Block 4 des havarierten Atomkraftwerks scheitern sollten, komme es zur Katastrophe. Hier liegen die Kernbrennstäbe außerhalb der Schutzhülle offen in einem Abklingbecken. Andere Fachleute betonten, dass jeder Tag ohne volle Kernschmelze ein gewonnener Tag sei.

Die letzten verbliebenen Arbeiter im Unglücks-Atomkraftwerk sind nach Einschätzung des Präsidenten der Gesellschaft für Strahlenschutz „Todeskandidaten“. Die gewaltige radioaktive Strahlung sei für sie eine „Katastrophe“, die sie wohl früher sterben lasse, sagte Sebastian Pflugbeil der dpa. Trotzdem meldeten sich japanische Bürger freiwillig, um die Arbeiter im havarierten AKW unterstützen, wie die BBC berichtete.

Das US-Verteidigungsministerium schickte ein Spezialistenteam für den Kampf gegen die Atomkatastrophe nach Japan. Dem japanischen Militär würden neun Experten für biologische und nukleare Gefahren zur Seite gestellt, sagte Pentagon-Sprecher Dave Lapan am Donnerstag in Washington.

In der Präfektur Fukushima verlassen derweil immer mehr Menschen ihre Häuser und bringen sich in Sicherheit. Wie der Fernsehsender NHK berichtete, flohen weitere 28 000 Menschen vor der Gefahr radioaktiver Verstrahlung. Weiter im Nordosten kämpfen die Menschen unterdessen gegen bittere Kälte. Benzin und Nahrungsmittel werden nach der Erdbebenkatastrophe immer knapper. Die Zahl der offiziell registrierten Todesopfer nach dem Beben stieg am Donnerstag auf 5198. Mindestens 9000 Menschen galten zudem noch als vermisst, wie NHK weiter meldete.

In der japanischen Hauptstadt Tokio wächst derweil die Sorge vor einem Zusammenbruch der Stromversorgung. Die Regierung bat die Bahngesellschaften am Donnerstag, ihren Betrieb einzuschränken. Das meldete die Nachrichtenagentur Kyodo. Zuvor hatten japanische Politiker gewarnt, dass der Stromverbrauch die Einspeisung deutlich überschreiten könnte. Der Stromausfall könnte die Hauptstadt sowie den Großraum Tokio treffen. In der Metropole leben schätzungsweise 35 Millionen Menschen. (dpa)

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