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Am Gleis sieben des Frankfurter Hauptbahnhofs stieß ein 40 Jahre alter Mann einen Achtjährigen und seine Mutter auf die Schienen.

© Andreas Arnold/dpa /AFP

Frankfurter Hauptbahnhof: Kann man sich vor solchen Taten schützen?

In zehn Tagen sterben zwei Menschen, weil sie vor einfahrende Züge gestoßen wurden. Was Experten von Gittern und Zutrittsbeschränkungen an Bahnsteigen halten.

In den nächsten Tagen werden Bahnreisende sicher einen extra großen Abstand zum Gleisbett halten, sich vielleicht sogar misstrauisch umdrehen, wenn jemand hinter ihnen vorbeigeht. Denn zum zweiten Mal in zwei Wochen ist eine der schlimmsten Szenarien wahr geworden, die man sich vorstellen kann: vor einen fahrenden Zug gestoßen zu werden.

Am Montagvormittag hat ein Mann einen achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Der Zug erfasst das Kind, es starb. Die Deutsche Bahn ist „tief schockiert. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zeigt sich „fassungslos“ über die „abscheuliche Tat“.

Der 40 Jahre alte Tatverdächtige hat auch die Mutter des Jungen auf die Gleise gestoßen und es bei einer dritten Person versucht. Er wurde festgenommen. Der Mann heißt Habte A. und wohnt in der Schweiz. Die 40-jährige Mutter des Jungen habe sich auf einen Fußweg zwischen zwei Gleisen gerettet. Die dritte Person konnte sich in Sicherheit bringen, ohne in die Gleise zu stürzen. Die Polizei ermittelt wegen eines Tötungsdelikts und wertet Videoaufnahmen aus. Der mutmaßliche Täter und seine Opfer kannten sich den Ermittlungen zufolge nicht.

Seehofer unterbricht seinen Urlaub

Nach der Tat kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an, seinen Urlaub zu unterbrechen, um eine Krisensitzung der Sicherheitsbehörden zu leiten. Möglicherweise handele es sich nämlich um einen Nachahmer, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Denn der Fall erinnert an eine Attacke, die sich vor gut einer Woche in Voerde in Nordrhein-Westfalen ereignet hatte: Dort hatte ein 28-Jähriger eine 34 Jahre alte Frau an einem Bahnhof vor einen Zug gestoßen und so getötet. Auch hier kannten sich Opfer und Täter nicht. Nach den Untersuchungen einer Blutprobe in dem Voerde-Fall gibt es Hinweise auf Kokain-Konsum. Bei dem Täter seien Abbauprodukte von Kokain im Blut nachgewiesen worden. „Das heißt aber nicht, dass er konkret unter Kokaineinfluss stand“, sagte der Duisburger Staatsanwalt Alexander Bayer am Montag.

Der Tatverdächtige in Frankfurt am Main flüchtete zunächst, wurde aber von Passanten verfolgt und später von der Polizei außerhalb des Bahnhofs festgenommen. Am Hauptbahnhof sei es zu einem „massiven Polizeieinsatz“ gekommen, berichtete die Sprecherin. Die Mutter des Achtjährigen wurde in ein Krankenhaus gebracht. Sie solle so bald wie möglich befragt werden, sagte ein Polizeisprecher. Am Hauptbahnhof wurden mehrere Gleise für einige Stunden gesperrt. Es kam zu Zugausfällen und Verspätungen.

Die BVG fährt im Schritttempo

Nach der Tat in Frankfurt wird die kollektive Angst wohl wieder zunehmen, unter einen Zug zu kommen – ob durch einen absichtlichen Stoß, einen Rempler auf einem überfüllten Bahnsteig, oder einfach durch unglückliches Stolpern. Was also tun, um einen Sturz ins Gleisbett zu verhindern?

Bei Großveranstaltungen wie etwa dem Christopher-Street-Day vergangenen Samstag in Berlin, fahren Züge teils nur im Schritttempo in die Bahnhöfe ein, erklärt BVG-Sprecherin Petra Nelken. Sie rate außerdem ihrer Familie und Freunden „so weit weg vom Gleisbett stehen, wie möglich, wenn der Zug einfährt“.

Doch bei gezielten Taten, ist auch das manchmal nicht genug. Das zeigte der Tod von Amanda K., die im Januar 2016 in Berlin starb. Ein psychisch kranker Mann stieß die junge Frau am Ernst-Reuter-Platz vor eine einfahrende U-Bahn. Er sei mit ausgestreckten Armen auf sie zugestürmt, hieß es im Gerichtsurteil. Die 20-Jährige habe nicht gefährlich nahe an der Bahnsteigkante gestanden.

In Paris gibt es an manchen Strecken Barrieren

„Sollte sich herausstellen, dass es sich bei dem Vorfall in Frankfurt um einen absichtlichen Tötungsdelikt handelt, kann die Bahn so etwas im Prinzip nicht verhindern“, sagte Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender vom Fahrgastverband Pro Bahn, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Bahnsteige könnten nicht mit Schutzgittern gesichert werden, damit niemand vor einen Zug gestoßen oder aus Versehen auf die Gleise fallen kann – weil Züge nie präzise immer an der selben Stelle halten. Das funktioniere nur bei automatischen Systemen. Auf den selbstfahrenden Linien in Paris etwa gibt es so eine Barriere zwischen Gleis und Bahnsteig.

Auch Konzepte wie für größere Bahnhöfe in England oder Frankreich, in denen Bahnreisende oft nur mit einem Ticket oder nach Einfahren des Zugs auf den Bahnsteig gelangen, bringen keine völlige Sicherheit, sagt Thomas Kraft, ebenfalls von Pro Bahn. Potenzielle Täter kämen dort mit einem Kurzstrecken-Ticket für wenig Geld auf den Bahnsteig. Bei kurzen Zug-Aufenthalten sei es zudem zeitlich kaum machbar, die Reisenden erst nach Einfahren des Zugs an die Gleise zu lassen. (mit dpa, AFP)

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