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Der Verzicht auf Alkohol ist ein Klassiker. Man kann aber auch auf Muffeligkeit verzichten.

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Fastenzeit während der Coronakrise: Machen ist das neue Lassen

Verzicht auf Süßes oder das Auto gehören zu den Klassikern während der Fastenzeit. Im Lockdown sind eher positive Aktionen gefragt. Ein Kommentar.

Gerade hat die christliche Fastenzeit begonnen, und ob man nun einem kirchennahen oder -fernen Umfeld lebt, die Klassiker des Sieben-Wochen-Verzichts bis Ostern hat wohl jeder schnell auf dem Schirm: keine Schokolade, kein Alkohol.

Aber „kein“ ist kein gutes Wort in diesen Coronazeiten, die ohnehin unentwegt zu Verzicht aufrufen. Es sei die Annahme gewagt, dass „kein“-Vorsätze fromme Wünsche bleiben. Ein bisschen süßer Trost muss gerade drin sein, auch wenn man weiß, dass eine Diät irgendwann unausweichlich wird, spätestens, wenn die Bürokleidung wieder passen muss. Nein, bitte die Widrigkeiten des Lockdowns und des Kontaktverzichts jetzt nicht noch um weitere Entbehrungen ergänzen.

Ansteckungsgefahr ohne Auto

Das gilt auch für die evangelische Kirche. Die hat oft gern dafür geworben, sieben Wochen auf ohnehin blöde Angewohnheiten zu verzichten. Ideen wie Smartphone-Fasten wären während der Coronakrise allerdings hirnrissig, da es einen um die letzten Kontaktmöglichkeiten brächte. Den Fernseher auslassen? Ausgerechnet jetzt, wo die Überflussgesellschaft ihre Freizeitprogramme sowieso kräftig abgespeckt hat? Und auch auf den Klassiker mit dem Autoverzicht kann diesmal verzichtet werden, denn damit würde man ja nur die Ansteckungsgefahr in der S-Bahn erhöhen. Das alles wäre Quatsch.

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Zumal die Bibel solche Verzichtsvorschriften nicht mal kennt. Theologisch bedeuten die 40 Tage vor Ostern vor allem eine Zeit der Umkehr und des neuen Denkens. Also die Herausforderung, kreativ zu sein. Statt des „Nicht“-Gebots gilt eher das „Kann“-Gebot. Man kann sich anregen lassen von Verzichtsvorschlägen, muss das aber nicht.

Verzicht auf Muffeligkeit

Gerade in einer finsteren Zeit wie dieser jetzt würde es sich doch anbieten, die Umkehrphase ins Positive zu wenden und aktiv etwas zu tun. Und sei es nur für das zwischenmenschliche Klima, das der Erwärmung im schlechtgelaunten Lockdown unbedingt bedarf. Im Fastendeutsch: Verzicht auf Muffeligkeit. Nicht mehr zu meckern, mag gerade für Berliner schwer klingen. Aber es geht. Man kann auch die Lust daran, andere zu belehren, vorübergehend zurückfahren. Oder Fremden Nettes sagen. Den unbekannten Autofahrer nicht wütend anhupen, sondern ihn zum Einfädeln einladen. Einen alten Streit beenden. Langweilige Bekannte anrufen, die vielleicht einsam sind. Klingt alles nicht doll, kann sich aber zu Lichtblicken summieren, auf dass die Coronafinsternis selbst ins Fasten kommt – und abnimmt.

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