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Gesperrt: Das Zugspitz-Skigebiet.

© Bayern-Tourismus-Marketing

„Es droht das Chaos“: Ist es richtig, den Wintersport komplett herunterzufahren?

In den bayerischen Alpen stehen wegen des Teil-Lockdowns alle Lifte still. Doch es gibt immer massivere Warnungen mit Blick auf die Komplettschließung.

Es liegt Schnee am Fuß der Zugspitze. „Wir haben gerade eine exzellente Situation“, sagt Verena Altenhofen, Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahnen. Raupenfahrzeuge präparieren die Pisten an Deutschlands höchstem Berg, Schnee ist genug gefallen.

Doch verwaist und recht traurig ist es an der Talstation der Zugspitz-Seilbahn in 998 Metern Höhe. Keine der Großkabinen, die 120 Personen fassen, fährt rauf auf den Berg, keine kommt runter. Auf dem Parkplatz stehen nur ein paar Autos von Mitarbeitern. Ansonsten ist es leer und an diesem Tag, neblig und öd. Eine Tafel zeigt an: Seilbahn Zugspitze, Zahnradbahn, Skigebiet – alles ist gesperrt.

Corona-Lockdown, auch in den bayerischen Alpen und beim österreichischen Nachbarn. Der Ski-Zirkus, der jetzt Fahrt aufnehmen würde, steht still. Hotels und Pensionen haben zu, Restaurants und Cafés sind dichtgemacht, die Seilbahnen bringen niemanden auf die Pisten.

„Touristische Aktivitäten“, so das Behördendeutsch, sind verboten. Und das auch während der kompletten Weihnachtsferien, die etwa in Bayern nun vom 19. Dezember bis zum 10. Januar gehen. Eine Öffnungsperspektive gibt die Politik ab dem 11. Januar.

Nichts mehr los auf der Zugspitze. Corona-Lockdown, auch in den bayerischen Alpen. Der Ski-Zirkus, der dieser Tage Fahrt aufnehmen würde, ist pandemiebedingt außer Betrieb.
Nichts mehr los auf der Zugspitze. Corona-Lockdown, auch in den bayerischen Alpen. Der Ski-Zirkus, der dieser Tage Fahrt aufnehmen würde, ist pandemiebedingt außer Betrieb.

© dpa

Wie geht man um mit einem Winter ohne Urlaub, ohne Ski- und Snowboardfahren, ohne Rodeln und auch ohne die seit dem Corona-Ausbruch im österreichischen Ischgl so berüchtigten Après-Ski-Partys? Die Zugspitze mit ihren Pisten ist der Hausberg von Garmisch-Partenkirchen, es sind elf Kilometer zur Bahnstation.

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Glücklicher Sommer

Im Zentrum von Garmisch mit seinen ganzen süßlich-herausgeputzten alpenländischen Häusern sitzt Daniel Schimmer im leeren Speisesaal seines Restaurants. Der 34-Jährige ist Hotelmanager des Garmischer Hofes, eines Traditionshauses.

„Wir haben einen glücklichen Sommer hinter uns“, sagt Schimmer. Als die Nachricht kam, dass am 30. Mai das Beherbergungsverbot aufgehoben wird, trudelten nach wenigen Minuten die ersten Reservierungen ein. Trotz der vielen Corona-Einschränkungen gab es im Sommer fünf Prozent mehr Gäste als in den vergangenen Jahren.

Es liegt genug Schnee und die Planierraupen stehen bereit.
Es liegt genug Schnee und die Planierraupen stehen bereit.

© imago images/Shotshop

Von den 50 Beschäftigten des Hotel-Gasthofes arbeiten jetzt fünf bis zehn am Tag, sie wechseln sich ab. Sie putzen, erledigen Renovierungen, immer wieder laufen Handwerker mit Schutzmasken durch die Gänge. „Wir müssen ja bereit sein für den Tag, an dem wir wieder öffnen dürfen“, sagt Schimmer.

Er bearbeitet Absagen und Stornierungen, hält den Kontakt zu den Lieferanten. Die Belegschaft ist in Kurzarbeit. Das Personal kommt aus zwölf verschiedenen Ländern, doch die Leute können wegen der Einreiseverbote und Quarantänemaßnahmen über Weihnachten meist nicht in ihre Heimat.

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Mit den Staatshilfen von 75 Prozent des Vorjahresumsatzes – das Kurzarbeitergeld wird davon abgezogen – glaubt Schimmer über die Runden zu kommen. Die Stimmung? „Es ist erdrückend und sehr, sehr belastend.“ An das traditionelle Vier-Gänge-Menü an Silvester mag er gar nicht denken.

Ist es richtig, alles komplett dichtzumachen? Wäre eine Teilöffnung des Pistenbetriebs auch möglich, wie es Österreich nun beschlossen hat? Und sollte man dann zusätzlich den Hoteliers und Gastronomen wie Daniel Schimmer glauben, der sagt: „Unsere Sicherheitskonzepte stehen. Wir haben gezeigt, dass wir es können.“

Tatsächlich hat es im Sommer in der Region Garmisch-Partenkirchen keine Corona-Infektion gegeben, die nachweislich im Zusammenhang mit Gästeübernachtungen oder Restaurantbesuchen stand. Bundes- und Staatsregierung halten dagegen, allen voran der Corona-Bekämpfer Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident. Ihre Argumentation: Die Infektionszahlen müssen dringend deutlich sinken. Deshalb wird, kurz gesagt, alles geschlossen, was man nicht unbedingt offen halten muss oder möchte.

Doch es gibt immer massivere Warnungen mit Blick auf die Komplettschließung. Barbara Radomski vom Bayern-Tourismus-Marketing sagt: „Die Leute werden sich die Berge nicht nehmen lassen.“ Die Vermutung liegt nahe, dass die Menschen aus der Umgebung in den Ferien, speziell bei schönem Winterwetter, Skier und Schlitten ins Auto packen, losfahren und schauen, was man vor Ort etwa in Garmisch-Partenkirchen unternehmen kann.

Gesperrt: Die Gletscherbahn.
Gesperrt: Die Gletscherbahn.

© dpa

„Es droht das Chaos“, meint Radomski. Wer dann wo was macht, in sicheren oder unsicheren Geländen, wäre kaum überschaubar. Die Gefahr ist groß, dass Lawinen ausgelöst werden. Was ist, wenn die Parkplätze gesperrt sind und es nicht einmal Toiletten gibt?

Verena Altenhofen von den Zugspitzbahnen sagt: „Wenn die Pisten nicht geöffnet sind und die Bahnen nicht fahren, dann ist auch keine Bergwacht vor Ort.“ Bei Unfällen müsste Hilfe erst aus Garmisch-Partenkirchen geholt werden.

Sie befürchtet, dass Skitourenwanderer in unberührtes Gebiet ziehen – mit negativen Folgen für den Natur- und Wildschutz. Derzeit arbeitet die Organisation an einem Parkplatz- und Toilettenkonzept. Der Zwiespalt, so Altenhofen: „Eigentlich dürfen wir das nicht anbieten, unsere Tätigkeiten sind gerade verboten.“

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Ein Sprung zum Nachbarn Österreich, von Garmisch-Partenkirchen sind es nur ein paar Kilometer zur Grenze. Österreichs Bundesregierung hat entschieden, dass Übernachtungsbetriebe und die Gastronomie bis zum 6. Januar geschlossen bleiben.

Die Skigebiete allerdings nehmen ab Heiligabend einen reduzierten Winterbetrieb auf. Das soll vor allem den Einheimischen in den Ferien nutzen. Deutschen bringt es nichts, Besucher müssten nach der Einreise erst einmal zehn Tage in Quarantäne gehen.

In Lermoos betreibt Theo Zoller das Hotel Hubertushof. Wie so viele sagt er etwas hilflos: „Wir hoffen und arbeiten daran, dass die Zahlen runtergehen.“ Er selbst komme mit der Pandemie einigermaßen zurecht. „Der Lockdown ist ja für die Städter sehr schwierig“, meint Zoller. Und dann schwingt in seiner Stimme fast so etwas wie gute Laune mit: „Aber wir können hier aus der Türe raus und sind sofort in der Landschaft, in der Natur.“

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