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Berta Cáceres kämpfte gegen einen Staudamm, der den heiligen Fluss ihres Volkes, der Lenca, bedroht. Drei Mitkämpfer waren in den Jahren zuvor schon ermordet worden. Im März 2016 wurde auch Berta Cáceres ermordet. Das Foto zeigt ihr Foto vor der honduranischen Botschaft in Mexico City.

© Pedro Pardo/AFP

Ermordete Umweltschützer: In höchster Gefahr

Die britische Organisation Global Witness dokumentiert Morde an Umweltschützern seit 2002. Nie wurden mehr getötet als 2015. Die meisten in Brasilien, den Philippinen, aber auch im Kongo leben vor allem Ranger gefährlich.

Umweltschützer leben gefährlich. Wie gefährlich, das dokumentiert die britische Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) Global Witness seit 2002 in jährlichen Berichten, in denen die Morde an Umweltschützern dokumentiert werden. Die Organisation stützt sich dabei auf öffentlich zugängliche Quellen und geht deshalb davon aus, dass sie nur einen Bruchteil der tatsächlichen Fälle aufarbeiten kann. Als Beispiel benennt die Organisation die Proteste von Angehörigen des Oromo-Volkes in Äthiopien, das einem Staudammprojekt weichen soll. Bis zu 200 Oromo sollen bei Protesten erschossen worden sein. Allerdings sah sich Global Witness nicht in der Lage, dafür genügend Beweise zu finden, was kein Wunder ist, weil die äthiopische Regierung Berichte über die Proteste unterdrückt. Von Pressefreiheit kann in Äthiopien keine Rede sein, und auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch konnte nur Zeugenaussagen von geflüchteten Oromo dokumentieren.
Im aktuellen Bericht zählt Global Witness 185 Morde im Jahr 2015. Brasilien führt diese Liste mit 50 Morden an. Meistens sind es Angehörige von Minderheitenvölkern, die im Amazonas-Regenwald leben – und dort mit Minenkonzernen, Holzfällern oder Milizen von Agrarkonzernen in Konflikt geraten. Nummer zwei sind die Philippinen, wo es ebenfalls vor allem um Landkonflikte mit Bergbauunternehmen geht. Auch dort sind Angehörige von Minderheitenvölkern überproportional auf der Todesliste zu finden.

Berta Cáceres wurde schon lange bedroht - im März wurde sie ermordet

Das prominenteste Opfer 2016 war Berta Cáceres, die am 2. März in Honduras ermordet worden war. Cáceres ist 2015 mit dem renommierten Goldman-Preis für ihren Kampf gegen einen Staudamm ausgezeichnet worden. Im Global-Witness-Bericht 2015 war sie mit den Worten zitiert worden: „Sie folgen mir. Sie drohen, mich zu töten, mich zu entführen, sie bedrohen meine Familie. Das ist es, was wir erleben.“ Ihre Erfahrungen werden weltweit geteilt.

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Mit elf ermordeten Umweltschützern steht die Demokratische Republik Kongo (DRC) auf Platz sechs der Global-Witness-Liste. Dort leben vor allem Ranger in den Nationalparks gefährlich. Im ältestens Nationalpark Afrikas, dem Virunga-Nationalpark im Osten des Landes nahe der Grenze zu Ruanda, wo die letzten Berg-Gorillas leben, sind in den vergangenen zehn Jahren 150 Ranger ermordet worden. Zuletzt starben drei Wildhüter im März 2016 in einem Feuergefecht mit Mai-Mai-Rebellen, einer Miliz, die seit mehr als einem Jahrzehnt ohne übergeordnete Organisation in vielen kleineren Einheiten die Menschen im Ostkongo terrorisiert. Im März griffen 120 Mai-Mai- Rebellen einen Ranger-Posten am Eduard-See an.

Die Berg-Gorillas im Virunga-Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo werden von Rangern bewacht, die ihrerseits in großer Gefahr sind.
Die Berg-Gorillas im Virunga-Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo werden von Rangern bewacht, die ihrerseits in großer Gefahr sind.

© Roberto Schmidt/AFP

Der Parkchef Emmanuel de Merode ist selbst im April 2014 angegriffen und schwer verletzt worden. Seit 2008 leitet der Belgier den Nationalpark. Seit 2007 versucht er, den Witwen der Ranger mit einem Fonds zu helfen. Valeri Katungu spricht dort für viele Witwen. Sie wird mit den Worten zitiert: „Alle Frauen fürchten um ihre Männer, wenn sie im Feld sind.“ Ihr Mann, der mehr als 25 Jahre im Park gearbeitet hatte, hatte einen Büroposten, als er erschossen wurde. „Ich dachte, das sei sicher“, sagt sie.

Im Garamba-Park sind dieses Jahr schon 43 Elefanten gewildert worden

Weiter im Norden an der Grenze zum Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik liegt der Garamba-Nationalpark. Er wird seit 2005 von der Organisation African Parks geleitet. Parkchef ist der Schwede Erik Mararv. Im April wurde er mit vier Rangern zusammen von Wilderern angegriffen. Drei Ranger starben, er und ein zweiter Ranger überlebten schwer verletzt. Allein 2016 sind im Garamba-Park 43 Elefanten getötet worden, berichtete African Parks im April. Auch im Garamba-Park gehört eine Menge Courage dazu, die wenigen verbliebenen Elefanten zu schützen.

Im Garamba-Nationalpark nehmen es die Ranger mit Wilderern aus dem Sudan und dem Südsudan auf, die hinter Elefanten her sind. Die verarmte Bevölkerung im Ostkongo ist eher am Fleisch interessiert, auch am Fleisch der Flusspferde.
Im Garamba-Nationalpark nehmen es die Ranger mit Wilderern aus dem Sudan und dem Südsudan auf, die hinter Elefanten her sind. Die verarmte Bevölkerung im Ostkongo ist eher am Fleisch interessiert, auch am Fleisch der Flusspferde.

© Tony Karumba/AFP

Das sind aber nicht die einzigen Gefahren, denen Umweltschützer im Ostkongo ausgesetzt sind. Apollin Koagne Zouapet koordiniert Waldschutzprojekte im Kongo-Becken. Er berichtet, dass mehr als 60 Prozent der ländlichen Bevölkerung auf die Ressourcen der Wälder angewiesen ist, um zu überleben. Werden ihre Wälder zu Schutzgebieten, werden die Menschen oft dort herausgedrängt, oft, ohne sie zu fragen, und fast immer ohne Entschädigung. „Gemeinschaften, die sich wehren und ihre Landrechte verteidigen werden kriminalisiert“, berichtet er dem Tagesspiegel. Sie werden mit Prozessen wegen „Terrorismus“, „Verleumdung“ oder „Rebellion“ vor Gericht gebracht und oft auch ohne Haftbefehl eingesperrt, berichtet er weiter. Die Sprecher der Kommunen werden bedroht, und manchmal auch körperlich angegriffen, oder ihre Familien werden bedroht. „Eine weitere Waffe, die Firmen und Regierungen gegen die Landverteidiger einsetzen, sind Schmierkampagnen, um ihren Ruf zu ruinieren“, berichtet Apollin Koagne Zouapet. Ihnen wird vorgeworfen, „entwicklungsfeindlich“ zu sein, oder im „Dienst des Westens“ zu stehen. Unter diesen Umständen sei es den Umweltschützern noch dazu fast unmöglich, sich überregional zu organisieren, oder sich zumindest über ähnliche Konfliktlagen informieren zu können.
Im Report von Global Witness wird auch auf den Fall Feronia hingewiesen. Die Firma hat 2009 die Palmölplantagen des Lebensmittelkonzerns Unilever gekauft, die dieser wiederum auf der Basis handgeschriebener Zettel aus der Zeit der belgischen Kolonisation zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhalten hatte. Die Firma hatte ihren Sitz damals auf den Cayman Islands, berichtet die NGO Grain in einem Report über den Landkonflikt im Ostkongo. Inzwischen ist die Firma in Kanada an der Börse gelistet, und Entwicklungsfinanzierer aus aller Welt haben einen Großteil der Aktien übernommen, weil Feronia vor ein paar Jahren vor der Pleite stand. Die Anwohner, berichtet ein Pfarrer, der in dem Gebiet in der Provinz Orientale arbeitet, würden wie Sklaven zur Arbeit auf den Plantagen gezwungen. Da sie selbst keinen Zugriff mehr auf das Land hätten, hätten sie auch keine Alternative. Ein Abgeordneter des Landtags in Orientale, Gaspard Posenge-Akoko, wird von Grain mit den Worten zitiert: „Die Belgier haben all dieses Land genommen, ohne auch nur ein rechtsgültiges Dokument.“ Der Landkonflikt liegt mehr als 100 Jahre zurück – und wurde nie gelöst.

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