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Waldbrand in Griechenland im Juli 2022.

© IMAGO/NurPhoto

Erdüberlastungstag: Die jährlichen Ressourcen sind aufgebraucht – in Deutschland schon seit Mai

Die Erdressourcen des Jahres 2022 sind heute aufgebraucht. Auch wenn der Tag symbolischen Charakter hat: Wir befinden uns in einer Klimakrise.

1,75 Erden bräuchte es nach Angaben der Organisation „Global Footprint Network“, um unseren derzeitigen Ressourcenverbrauch zu decken. Leider haben wir diese nicht – und so sind mit dem heutigen Tag alle Ressourcen verbraucht, die der Erde für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen würden. Fortan leben wir bei der Natur auf Pump.

Der 28. Juli ist „Erdüberlastungstag“, auf englisch „Earth Overshoot Day“. Jedes Jahr errechnet das „Global Footprint Network“ den Tag, an dem alle Ressourcen aufgebraucht sind, die der Planet in einem Jahr auf natürlichem Wege ersetzen könnte.

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Damit liegt der Tag in diesem Jahr einen Tag früher als noch in 2021. Vor 22 Jahren lag er gar noch auf dem 23. September. Erstmals überschritt der menschliche Verbrauch die vorhandenen Ressourcen laut der Umweltorganisation Germanwatch im Jahr 1970.

Auch wenn das Datum eher symbolischen Charakter hat, zeigt es doch eindringlich auf: Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse.

Die Überlastung der Erde durch die Menschen

Die Erde produziert vielfältige Ressourcen: Sauberes Wasser, Nahrung oder Luft zum Atmen. Diese werden selbstständig durch das Ökosystem geliefert und auf natürlichem Wege generiert.

Blick auf die Rauchsäulen im Nationalpark Sächsische Schweiz wo eine Fläche von rund 250 Hektar ausbrannte.
Blick auf die Rauchsäulen im Nationalpark Sächsische Schweiz wo eine Fläche von rund 250 Hektar ausbrannte.

© IMAGO/Steffen Unger

Doch die Menschheit stößt beispielsweise deutlich mehr Kohlenstoffdioxid aus, als durch Wälder absorbiert werden kann. Die Folge: Der anthropogene – menschengemachte – Treibhauseffekt. Die Erde erwärmt sich und das begünstigt Naturkatastrophen. Darunter sind auch die, mit denen wir aktuell schon konfrontiert sind: Hitzewellen und Waldbrände.

Jedes Jahr kommt der Erdüberlastungstag früher: Die „große Beschleunigung“

Dabei könnten die vergangenen Jahrzehnte eigentlich als Erfolgsgeschichte der Menschheit gedeutet werden: Die Technologisierung schritt voran, wodurch der Bildungsstandard stieg, die Nahrungsmittelproduktion ist gewachsen, die Gesundheitsversorgung wurde verbessert.

Gleichzeitig lässt sich jedoch auch ein signifikanter Anstieg des Artensterbens und der Ozeanversauerung verzeichnen, ein Verlust an Biodiversität, ein Anstieg der Menge an CO2 und Methan in der Atmosphäre und fortschreitende Entwaldung.

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Dieses explosionsartige Wachstum verschiedener sozio-ökonomischer, ökologischer und geografischer Messgrößen wird in der Forschung als „die große Beschleunigung“ bezeichnet. „Anthropozän“ meint das geologische Zeitalter, in dem die Menschheit den dominanten Einfluss auf die Erde hat.

Die Bezeichnung „die große Beschleunigung“ stammt aus dem internationalen Forschungsprogramm „International Geosphere-Biosphere-Programme“. Dort wurden sozioökonomische Trends jeweils ökologischen Trends gegenübergestellt. Es wird deutlich: Unsere Lebensweise schadet unserem Ökosystem und damit auch uns selbst.

Erdüberlastungstag: Deutschland steht besonders in der Verantwortung

Die Beobachtungen machen außerdem deutlich, dass reiche OECD-Länder besonders in der Verantwortung stehen. Dies ist in den vergangenen Jahren durch den Begriff der „Klimagerechtigkeit“ mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, ein Konzept, das den menschengemachten Klimawandel als ethisches und politisches Problem betrachtet.

2022 verbraucht die Menschheit die Ressourcen von 1,75 Erden.
2022 verbraucht die Menschheit die Ressourcen von 1,75 Erden.

© AFP / Nadine EHRENBERG AND STF

Die Folgen der globalen Erwärmung sollen dabei nach dem Verursacherprinzip betrachtet und ausgeglichen werden: Bestimmte Bevölkerungsgruppen, mehrheitlich des globalen Südens, tragen am wenigsten zum Klimawandel bei, sind jedoch häufig am stärksten betroffen.

Der Erdüberlastungstag führt uns daher auch die Ungerechtigkeit vor Augen, die Menschen aufgrund des Lebens- und Wirtschaftsstils des globalen Nordens wiederfährt.

Der Lebensstil der Deutschen scheint besonders ressourcenintensiv zu sein: Würde man die Vorkommnisse der Erde gemäß der Einwohner:innen auf die Länder verteilen, würde Deutschland besonders schlecht hervorstechen. Hier hätte man seinen Anteil des Jahres 2022 laut dem Global Footprint Network bereits im Mai verbraucht.

Was kann gegen die Erdüberlastung getan werden?

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, sind vielfältige Handlungsstränge zu verfolgen. Darin ist sich die Wissenschaft einig.

Einige Felder des Klimaschutzes:

  • Die Energiewende: Die Energieversorgung muss sich von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas lösen. „Fridays For Future“ etwa fordert eine 100 prozentige Energieversorgung aus Erneuerbaren bis 2035.
  • Die Mobilitätswende: In der EU sollen neue Autos ab 2035 emissionsfrei fahren. Zur Mobilitätswende zählen jedoch auch Maßnahmen wie der Ausbau und die Vergünstigung des öffentlichen Nahverkehrs.
  • Energieverbrauch im Gebäudesektor: 16 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland stammen aus dem Gebäudesektor. Energetische Sanierungen und Dämmstandards bei Neubauten sind hier wichtige Maßnahmen.

Die zahlreichen Waldbrände, die Sturzfluten wie im vergangenen Jahr im Ahrtal, die massiven Hitzewellen – auch im globalen Norden wird mehr und mehr deutlich, was der Menschheit bei einer anhaltenden Erderwärmung droht.

Nicht bei jedem katastrophalen Ereignis in Zusammenhang mit Feuer, Flut und Hitze mag ein Zusammenhang zum Klimawandel bestehen, ganz sicher jedoch sind es genau diese Katastrophen, die auf einer ausgebeuteten, sich immer weiter erhitzenden Erde vermehrt auftreten werden.

Der Erdüberlastungstag kann daher als Mahnung verstanden werden. Wird nun nicht gehandelt, werden die Sommer Jahr um Jahr schlimmer werden. Oder, um es mit den Worten des UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu sagen: „Entweder handeln wir zusammen oder wir begehen kollektiven Suizid.“

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