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Fernanda Brandao, Entertainerin und Fitness-Expertin, lebt in Deutschland.

© imago images/POP-EYE

Entertainerin Fernanda Brandao: "Wie kann ich die Welt bereichern?"

Fernanda Brandao hat ein besonderes Verhältnis zu Indigenen in ihrer Heimat. Ein Gespräch über Herausforderungen, Herkunft und Haltung.

Frau Brandão, warum engagieren Sie sich so für soziale Projekte im brasilianischen Regenwald?
Ich selbst bin in Brasilien geboren und Indigene in der fünften Generation, und angefangen hat das alles mit einer ganz persönlichen Begebenheit: Mein Opa, dem ich sehr nahestand, ist 2015 in meinen Armen gestorben.

Das war ein Moment, in dem ich wirklich grundlegend über das Leben und die Vergänglichkeit nachgedacht habe. Es stellten sich mir die großen Lebensfragen: Bin ich zufrieden mit meinen bisherigen Erfahrungen? Welche Ziele und Wünsche habe ich für die Zukunft? Wie kann ich die Welt bereichern?

Vor diesem Hintergrund hatte ich mir dann auch erstmals erlaubt, länger freizunehmen und viele Heilungswege auszuprobieren. Auf einem dieser Wege machte ich Bekanntschaft mit einem Schamanen aus dem Regenwald – bei ihm überkam mich dann die Eingebung, dass ich in den brasilianischen Dschungel gehen und die dortigen Einwohner unterstützen muss.

Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen, in denen ich bislang fünf Reisen ins Amazonasgebiet unternahm.

Was waren Ihre ersten Erfahrungen dort?

Ich war geschockt darüber, welche geringen Mittel sie für ihre Grundversorgung zur Verfügung haben. Etwa für ein Boot, einen Motor oder Sprit. Nichts schien nachhaltig zu sein. Und: Man könnte ja denken, dass es im Regenwaldgebiet am Amazonas und mit den fliegenden Flüssen an jeder Stelle Wasser gebe.

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Tatsächlich fiel aber schnell auf, dass viele Indigene keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.
Ihr Engagement fällt in eine brisante Zeit: Einerseits der kleiner werdende Lebensraum der Indigenen durch Rodungen und Brände, andererseits die Corona-Situation in Brasilien als einem der weltweit am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder, dazu die Bolsonaro-Regierung.
Ich besuche nun seit fünf Jahren regelmäßig Regionen in Acre, das ist das nordwestlichste brasilianische Bundesland im Dreiländereck Brasilien-Peru-Bolivien – und schon in dieser vergleichsweise kurzen Zeit machen sich leider negative Effekte stark bemerkbar.

Es gibt zwar auch regelmäßig die Trockenzeit mit Bränden, in denen viele Bäume unter natürlichen Bedingungen abbrennen. Aber durch Lockerungen in der Gesetzgebung ist es ermöglicht worden, dass sich Menschen einfach an Land bedienen und es besetzen können, welches dann oft großflächig abgeholzt wird.

Diskriminiert und ausgeliefert: Indigene in Brasilien.
Diskriminiert und ausgeliefert: Indigene in Brasilien.

© imago images/ZUMA Wire

Ich war mit einem Kamerateam im vergangenen Oktober vor Ort, und auf unserem Weg mit einem kleinen Flieger von Acres Hauptstadt Rio Branco aus in den Regenwald konnten wir kilometerweit unter uns Brände sehen, alles war voller Qualm.

Wie gehen die Indigenen mit alldem um?

Im Allgemeinen ist es sehr schwierig für sie. Alle öffentlichen Institutionen, die sich für den Schutz von Indigenen eingesetzt haben, wurden mittlerweile stark geschwächt. Es kann gefährlich sein, sich in Brasilien für die indigene Bevölkerung einzusetzen. Hier treffen verschiedene Interessen aufeinander – während es den Indigenen ganz einfach um ihren Lebensraum geht, denken die Viehbesitzer in erster Linie an ihren persönlichen Profit!

Welchen Status haben die Indigenen Ihrer Erfahrung nach im modernen Brasilien?
Es ist wirklich unfassbar, wie schlecht die Indigenen in der brasilianischen Gesellschaft integriert sind, man kann es nicht anders sagen! Sie haben zwar einen Personalausweis, dürfen aber beispielsweise ohne eine spezielle Genehmigung noch nicht einmal ein eigenes Bankkonto eröffnen.

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Den Indigenen ist bewusst, dass sie sich auch Wissen der Weißen aneignen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben, bestehen oder sich im Bedarfsfall verteidigen zu können – soll heißen: Sie schicken oft ein Kind hinaus in die nächste größere Stadt, das dann Lesen und Schreiben lernt. Bei seiner Rückkehr bringt es dann „das Wissen der Stadt“ und häufig auch finanzielle Mittel mit, um die Familie zu unterstützen.

Und welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie?

Meine Erfahrung ist: Viele der Familien, bei denen ich auf meinen Reisen schon einmal zu Gast war, haben sich bereits infiziert. Von einer mir bekannten größeren Gruppe von 25 Personen geht es aktuell „nur “ der Oma immer noch schlecht. Aber diese alte Dame hat nicht das Recht, in die Stadt ins Krankenhaus zu fahren, weil die Bewohner dort keine alten infizierten Menschen möchten und schon gar keine indigenen. Es ist bitter und unmenschlich.
Verfügen die Menschen überhaupt über effektive Schutzkleidung?
Sicher stellt die Versorgung der indigenen Bevölkerung mit Schutzkleidung eine große Herausforderung dar. Es gibt jedoch noch ein ganz anderes Problem, nämlich dass den Indigenen jenseits von Corona oft auch Antikörper gegenüber anderen Krankheiten fehlen.

So können ihnen etwa, je nachdem, wie gut besucht ein Volk ist und wie eng es im Kontakt zu einer Stadt steht, auch andere Erkrankungen wie grippale Infekte stark zusetzen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie haben wir vor Kurzem für Waldbewohner und Indigene eine Kampagne gestartet, bei der sie mit wichtigen Dingen beliefert wurden.

Denn einige Dinge des alltäglichen Lebens wie Kerzen, Seife oder Fischernetze, die die Indigenen im Urwald nicht selbst produzieren, holen sie sich normalerweise aus der Stadt. Doch damit sie nicht extra in die Stadt fahren müssen, wo die Gefahr groß ist, dass sie sich mit Corona infizieren, wurde diese Spendenaktion ins Leben gerufen.

Laut Experten ist die Sterblichkeit bei Covid-19-Erkrankungen unter den Indigenen doppelt so hoch wie beim Rest der Bevölkerung. Müssten die Indigenen dann nicht gerade besonders geschützt werden?
Tja, das wäre zwar ein schöner Gedanke, aber es gibt derzeit Gesetzesänderungen zuungunsten der Indigenen. Und wenn Gesetze gelockert werden, können um so einfacher weitere Brände gelegt werden, damit die Großgrundbesitzer noch mehr Land gewinnen und noch mehr Rinder züchten können.

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Und zynisch gesagt ist es im Interesse der Landbesitzer, wenn die Indigenen wegsterben, denn dann ist das Land ja frei. Das geht alles Hand in Hand mit der Politik. Bolsonaro hat beispielsweise auch den Weg für viele NGOs in Brasilien erschwert, weil er mehr Handlungsfreiheit im Regenwald haben möchte.

Was muss passieren, damit die indigene Bevölkerung langfristig besser geschützt wird – sowohl vor dem Coronavirus als auch vor dem weiteren Verlust ihres Lebensraumes?
Das ist eine sehr komplexe Frage und schwierig zu beantworten. Die Menschen vor Ort haben mir ihren Wunsch mitgegeben, dass ich rausgehen und über ihre Situation berichten soll. Denn erst wenn man überhaupt auf Missstände aufmerksam macht und somit ein Bewusstsein für ihre Lage und die des Regenwaldes schafft, ist der erste Schritt unternommen, um eine Änderung ins Positive bewirken zu können.

Es gibt leider überwiegend schlechte Nachrichten aus der Region, aber auch immer wieder einige gute. Von daher dürfen wir trotz all der zum Teil niederschmetternden Ereignisse die Hoffnung nicht verlieren. In der tiefsten Dunkelheit gibt es immer noch einen Funken Licht.

Die Situationen vieler indigener Völker in der Amazonasregion hat sich in den vergangenen 500 Jahren nicht wesentlich geändert. Seitdem kämpfen sie darum, einfach nur leben zu dürfen. Und ich werde mich, auch durch meine persönliche Verbindung zu den einzelnen Völkern, mit Sicherheit ebenso bis zu meinem letzten Atemzug für sie einsetzen.

Leonard Hillmann

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