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Panorama: England nach dem Tod der Königinmutter: Donnergrollen über der Monarchie

Kanonendonner markierte den Beginn der neuntägigen Staatstrauer für Königinmutter Elizabeth. Zum ersten Mal seit dem Tode König Georgs VI.

Kanonendonner markierte den Beginn der neuntägigen Staatstrauer für Königinmutter Elizabeth. Zum ersten Mal seit dem Tode König Georgs VI. vor fünfzig Jahren feuerten die Geschütze den 41-Schuss-Salut für seine Witwe. In einer stillen Feier versammelte sich die Königliche Familie um den Sarg der Seniorin, die zunächst in der Hauskapelle des Windsor-Schlosses aufgebart wurde.

Nur einige Hundert Meter entfernt starb die 101-Jährige am Ostersamstag friedlich im Schlaf in ihrem Gartenpalais der weitläufigen Schlossanlage. Die Königin saß an ihrem Sterbebett und hielt die Hand ihrer Mutter. Ihr Lieblingsenkel Prinz Charles hatte sich offenbar keine zu starken Sorgen um ihre Gesundheit gemacht und flog mit seinen Söhnen William und Harry zum Skiurlaub nach Klosters. "Tief erschüttert" reiste er sofort zurück, als er die Todesnachricht bekam. Im Bruch mit der Gepflogenheit, dass die Thronfolger nie zusammen in einem Flugzeug sind, benutzten Charles und seine Söhne beim Rückflug die selbe Maschine. Auch sein Bruder Prinz Andrew, der mit seiner geschiedenen Frau "Fergie" und den Töchtern in der Karibik den Osterurlaub verbrachte, kehrten auf dem schnellsten Weg nach London zurück.

Die Briten trauern um ihre Queen Mum. Vor den königlichen Residenzen in Windsor und London versammelten sich hunderte Menschen, um der "Lieblings-Großmutter" Großbritanniens ihren Respekt zu erweisen. "Sie war ein Teil dessen, was unsere Nation zusammenhält, und wir waren ungemein stolz auf sie", sagte Premier Tony Blair. Die Beisetzung wurde auf den 9. April festgesetzt, bis dahin gilt im ganzen Land Staatstrauer. Die Öffentlichkeit wird am kommenden Wochenende Abschied vom beliebtesten Mitglied des Königshauses nehmen können, wenn sie in Westminster Hall aufgebahrt wird.

Keine Hysterie wie bei Diana

Die öffentliche Anteilnahme war Beobachtern zufolge geringer als 1997 nach dem Tod von Prinzessin Diana; dennoch bildeten sich vor den Kondolenzbüchern in den königlichen Residenzen in Sandringham im Osten Englands und in Edinburgh Schlangen. Trauernde legten vor dem Buckingham-Palast Blumensträuße nieder. "Sie war für uns die Ikone der Monarchie", sagte ein Familienvater, der mit seiner Ehefrau und drei Kindern gekommen war. Auch in Windsor versammelten sich trauernde Royalisten: "Ich fühle mich, als hätte ich ein Mitglied meiner eigenen Familie verloren", sagte eine 67-Jährige.

Die Presse widmete der Verstorbenen Sonderausgaben. Rundfunk- und Fernsehstationen änderten ihre Programme. Die BBC verzichtete aus Pietätsgründen auf die Vermeldung der Lotto-Ergebnisse, in Privatsendern spielte Trauermusik.

Es stellt sich die Frage, ob durch den Tod von Queen Mum, der wegen ihrer Beliebtheit wichtigsten Stütze der Monarchie, die Monarchie selbst nicht ins Wanken gerät. Noch während des Osterwochenendes meldeten sich Monarchiekritiker und Skeptiker zu Wort. Britische Zeitungskommentatoren spekulierten über negative Folgen für die nach einer Reihe von Skandalen ins Gerede gekommene Monarchie. Queen Mum hinterlasse "betrübte Nachzügler, die nicht mehr im Einklang mit ihrer Zeit stehen", und in eine "ungewisse Zukunft blicken", schrieb ein Kritiker im "Observer".

Christopher Hitchens warnte als Sprachrohr der immer noch kleinen Gemeinde der Monarchiegegner im "Guardian": "Die Königinmutter symbolisierte einen reaktionären und heuchlerischen Geist. Ihr Tod markiert das Ende einer antidemokratischen Epoche. Die Zeit verrinnt für die Königin und ihren selbstmitleidigen Sohn. Wir Republikaner müssen uns vorläufig während der Trauerzeit zurückhalten. Die Zeit unseres Triumphes ist noch nicht gekommen."

"Das Ende einer Ära": Dies ist der in allen Medien ständig wiederholte Satz, das ist das vorherrschende Gefühl. Niemand weiß genau, was nun kommen wird. Auf der Queen lastet die Aufgabe, die schwierige Familie zu disziplinieren und das Ansehen der Monarchie in der Öffentlichkeit zu wahren. Ohne "Queen Mum" und deren Fähigkeit, selbst bei der wachsenden Zahl von republikanisch gesinnten Menschen Sympathie für die Monarchie zu wecken, wird das schwieriger sein. Nicht nur der "Guardian" sieht jetzt die Zeit für eine große Diskussion über die Abschaffung der Monarchie gekommen, auch ein so wenig umstürzlerisches Blatt wie die "Financial Times" meint, dass die große Debatte schon begonnen hat: "Wenn die Monarchie sich nicht anpassen kann, dann wird sie rasch ihre symbolische Souveränität verlieren."

Hausangestellte begleiteten die Königinmutter, als der Sarg die "Windsor Lodge" verließ. Der Gärtner hatte einen Strauß mit Frühlingsblumen gepflückt und auf die königliche Standarte gelegt, die den Sarg umhüllte. Auch der Topf mit einem kleinen Jasminstrauch, den ihr Charles zu Ostern geschenkt hatte, wurde vor dem Katafalk in der Kapelle aufgestellt. Heute beginnt die letzte Reise der "Queen Mum" mit der Überführung in die Kapelle des St.-James-Palasts in London, wo ihre Freunde von ihr Abschied nehmen können.

Am Freitag wird der Sarg in einer großen Zeremonie durch die Straßen Londons in den Palast des Parlaments gebracht und in der großen Halle aufgebahrt, damit die Briten dem beliebtesten Mitglied der Königlichen Familie die letzte Ehre erweisen können. Nach dem Trauergottesdienst am 9. April in der Westminster Abtei kehrt die tote Königinmutter Nach Windsor zurück und wird an der Seite ihres Mannes in der St. Georg Kapelle begraben. In der Gruft wird dabei auch die Urne mit der Asche ihrer Tochter Prinzessin Margaret bestattet, die mit 71 Jahren nur sieben Wochen vor ihrer Mutter gestorben war.

Das prunkvolle Zeremoniell eines "offiziellen Königsbegräbnis", mit dem Elizabeth bestattet wird, unterscheidet sich nur geringfügig von dem "großen Staatsbegräbnis", das einem regierenden Monarchen zuteil wird und in einigen Fällen für Politiker wie Winston Churchill angeordnet wurde. Premierminister Tony Blair hat das Parlament für eine Trauersitzung am Mittwoch aus dem Osterurlaub zurückgerufen. Der Regierungschef pries die Königinmutter als "Symbol von Anstand und Mut der Nation".

Im Gegensatz zu der Hysterie um Prinzessin Diana ist die Trauer um die Königinmutter gedämpft und zurückhaltend. Es waren vorwiegend Touristen, die sich vor dem Buckingham Palast versammelten, als dort am Tor die offizielle Todesnachricht angeschlagen wurde. Unter den Briten, die Blumen und Karten vor dem Palast niederlegten, fiel besonders der 81-jährige Ted Larkin im Clownskostüm und roter Nase auf. So hatte er jedes Jahr bei ihrem Geburtstag der Königinmutter zugejubelt, und wurde von ihr stets mit den Worten begrüßt "Schön, Sie wieder zu sehen." David Hodge bewegte die kleine Trauergemeinde mit der traditionellen Totenklage "Blumen des Waldes", die er auf dem Dudelsack spielte. Während seiner Dienstzeit in dem schottischen Eliteregiment "Black Watch" hatte er seine Ehrenobristin persönlich kennen gelernt.

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