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In voller Montur: Laiendarsteller am Unabhängigkeitstag in Mount Vernon.

© Mandel Ngan/AFP

Einwanderung in die USA: Day One in Mount Vernon

Auf George Washingtons Landsitz in Virginia wird am 4. Juli traditionell die Einbürgerung von Migranten gefeiert - auch in Zeiten von Donald Trump.

Auch Patriotismus will geübt sein. Und darum gibt es vor Beginn der feierlichen Zeremonie auch noch einmal letzte strenge Anweisungen. „Hoch mit den Flaggen in eurer Hand und kräftig wedeln“, ruft die Dame auf der Bühne den vor ihr sitzenden 101 Männern und Frauen aus aller Welt zu. Noch ein bisschen zögerlich winken die rot-weiß-blauen Fähnchen zurück, verhaltenes Gelächter ist zu hören. Rund eine Stunde später geht das schon deutlich leichter von der Hand – die 101 Männer und Frauen aus aller Welt sind nun amerikanische Staatsbürger. Und sie sind sichtbar stolz darauf, so fröhlich stolz auf sich und ihr Land, wie es fast nur Amerikaner sein können.

Mount Vernon, Virginia, am 4. Juli. Es ist der 242. Geburtstag der Vereinigten Staaten von Amerika, eines Landes, das gerade mehr wegen Mauerbauplänen, dem harschen Umgang mit Einwanderern und Protektionismus von sich reden macht denn wegen der Freude über die Aufnahme neue Mitbürger. Doch die Stimmung an diesem glühend heißen Nationalfeiertag, hier auf dem Landsitz des ersten US-Präsidenten und hoch verehrten Gründervaters George Washington, ist eine ganz andere. Das Sternenbanner-Meer, die mit Pathos gesungenen Nationalhymnen sollen Menschen nicht ausschließen, sondern willkommen heißen. Und die Rechnung geht voll auf, zumindest an diesem Mittwoch.

Geladen sind 101 Neubürger aus 50 Ländern

101 Neubürger aus 50 Ländern sitzen auf der Wiese vor dem einstigen Wohnhaus Washingtons, darunter Menschen aus Syrien, dem Iran und anderen vorwiegend muslimischen Ländern, gegen die US-Präsident Donald Trump offenbar so große Vorbehalte hat, dass er einen vorläufigen Einwanderungsstopp verhängte. Aber auf den weißen Holzstühlen in der prallen Sonne sitzen auch Menschen mit Wurzeln in Südkorea, Russland, Mexiko – und in Deutschland. Zum Beispiel Jackline Quaye. Die 30-Jährige wurde in Ghana geboren, wuchs im hessischen Kassel auf, studierte Modemarketing in Großbritannien – und ist nun Amerikanerin. „Endlich“, wie sie erleichtert ausruft, nachdem sie ihre Urkunde entgegen nehmen konnte. „Ich habe so lange darauf gewartet.“ Geholfen hat ihr, dass ihr Vater amerikanischer Staatsbürger ist. Auf die Frage, warum ihr das so wichtig ist, antwortet sie bestimmt: „Ich wollte endlich eine Stimme haben!“ Und fügt etwas leiser hinzu: „Vor allem angesichts mancher Entwicklungen, die gerade in diesem Land ablaufen.“ Sie muss Trump nicht erwähnen, das will hier heute kaum jemand, zu frisch sind wohl noch die offiziellen Befragungen, bei denen man sich besser patriotisch äußert. Und zu unbeschwert ist die Stimmung.

Aber dass die neuen Amerikaner nun bald wählen dürfen, ist ein großes Thema: Im November stehen die wichtigen Midterm-Wahlen an, bei denen die oppositionellen Demokraten hoffen, wieder Boden gut zu machen. Alle bekommen einen Bogen Papier, mit dem sie sich als Wähler registrieren lassen können, am Rande der Zeremonie ist ein provisorisches Büro aufgebaut, wo sie das sogar sofort erledigen können. Wählen ist erste Bürgerpflicht, lautet die Botschaft an die 101 an ihrem „Tag eins als Amerikaner“.

Laiendarsteller, Marschmusik - die Amerikaner lieben das Spektakel

Auch George Washington lässt sich das Spektakel nicht entgehen. In seiner Rede erinnert er daran, dass er selbst von Einwanderern abstammt. Benjamin Franklin, ein anderer Gründungsvater der Vereinigten Staaten, trägt feierlich die Unabhängigkeitserklärung vor, mit der sich 13 amerikanische Kolonien am 4. Juli 1776 von Großbritannien lösten und einen eigenen Staatenbund bildeten. Die Amerikaner lieben solche historischen Aufführungen, zur fröhlichen Marschmusik ziehen perfekt kostümierte Freiheitskämpfer über die weitläufigen Wiesen des Landguts und legen am Familiengrab des ersten Präsidenten rote Nelken ab.

Glückwünsche an einen Neubürger: Der Elitesoldat Diallo Daouda aus Guinea.
Glückwünsche an einen Neubürger: Der Elitesoldat Diallo Daouda aus Guinea.

© Mandel Ngan/AFP

Mount Vernon, nur knapp 20 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, ist das beliebteste historische Anwesen der USA. Jahr für Jahr besuchen Hunderttausende Washingtons letzten Wohnsitz. Aber Mount Vernon ist natürlich nicht der einzige Ort, an dem Menschen „naturalisiert“ werden, wie der etwas sperrige Fachbegriff heißt. Jedes Jahr bürgern die USA etwa 700.000 Zuwanderer ein, rund um den Unabhängigkeitstag sind es in diesem Jahr alleine 14.000 in insgesamt 65 feierlichen Zeremonien. Um Amerikaner werden zu können, mussten sie mindestens drei Jahre legal im Land leben und in Tests nachweisen, dass sie ausreichend Englisch sprechen und alles Notwendige über die Geschichte und das politische System der USA verinnerlicht haben.

Verinnerlicht haben sie erstaunlich schnell auch den amerikanischen Nationalstolz. Wie der 25-jährige Diallo Daouda aus dem westafrikanischen Guinea, der als erster aufgerufen wird, weil er bereits seit einem Jahr in den Marines dient, der Elitetruppe der USA. Trotz tropischer Temperaturen trägt er stolz seine Uniform – nein, heiß sei ihm nicht. „Ich bin das gewohnt“, sagt er lachend. Und genießt den Jubel, der aufbrandet, als er seine Urkunde entgegennimmt.

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