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Die Wasserknappheit in Jordanien wird in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen.

© Imago

Eine Blaupause des Klimawandels: Wie sich die Wasserkrise in Jordanien zuspitzt

In Jordanien ist die Wasserknappheit längst Teil des Alltags. Doch der Klimawandel und das Bevölkerungswachstum verschärfen das Problem drastisch.

Wer die Auswirkungen des Klimawandels beobachten will, kann einen Blick auf den Jordan und den Yarmouk werfen. Über das größte Flusssystem der Region wird nicht nur Jordanien mit Wasser versorgt. Menschen in Israel und Syrien profitieren vom steigenden Pegel der Flüsse, wenn es regnet, darben wegen der Trockenheit, wenn die Wasserläufe in den heißen Sommermonaten zu Rinnsalen schrumpfen. Tief im Boden Jordaniens sinkt der Grundwasserspiegel Jahr für Jahr, teils sogar um dreieinhalb Meter. Das Grundwasser, das noch verbleibt, wird intensiv genutzt, während in der Region immer weniger der Ressource verfügbar ist. So schildern es Forscher.

Wasserknappheit in Jordanien ist kein einmaliger Ausnahmezustand. Die Krise gehört in dem Wüstenland längst zum Alltag. Fast jeder Tropfen wird für Landwirtschaft, Trink- und Abwasserentsorgung gebraucht, oft Hunderte Kilometer entfernt aus den Jordan-Tal herangeschafft oder aus tiefen Brunnen dem Grundwasser entnommen. Große Teile der Bevölkerung sehen Wasser aus der Leitung nur an ein bis zwei Tagen pro Woche, speichern es in Tanks auf Dächern und in Kellern. Pro Kopf und Tag bleiben vielen nur 40 Liter. „Die Situation wird stetig schlechter“, sagt Christian Klassert, Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung.

Seit Jahren beobachten Forscher in Jordanien einen rasant steigenden Bedarf. Die Bevölkerung des Zehn-Millionen-Einwohner-Landes wächst, auch mehrere Millionen Flüchtlinge werden versorgt. „Im Krisenbogen um Syrien, wo Wasser ein knappes Gut ist, ist die Verteilung und Bewirtschaftung des Trinkwassers zentral, um Konflikten vorzubeugen“, sagte jüngst Entwicklungsminister Gerd Müller. Die Region, die der CSU-Mann meint, gehört zu den trockensten der Erde. Wasserengpässe treten dort immer wieder auf und rufen gar Streit hervor. Erst im vergangenen Sommer wurde in einer Hitzewelle das Wasser des Euphrat knapp – auch, weil flussaufwärts in der Türkei das Wasser an Talsperren gestaut wurde.

Nur 40 Liter Wasser am Tag

Nun zeigen neue Untersuchungen, wie dramatisch sich die Wasserkrise in Jordanien bis Ende des Jahrhunderts verschärfen könnte. Ein internationales Forscherteam geht davon aus, dass die schwindenden Ressourcen ohne umfassende Reformen den Verbrauch pro Kopf bis Ende des Jahrhunderts halbieren werden. Nur wenige Haushalte würden dann täglich mehr als 40 Liter Leitungswasser zur Verfügung haben. Mehr als 90 Prozent müssten fast das gesamte Jahr mit weniger auskommen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch derzeit bei rund 120 Liter.

In Jordanien leben seit Jahren mehrere Millionen Geflüchtete.
In Jordanien leben seit Jahren mehrere Millionen Geflüchtete.

© Muhammad Hamed/Reuters

„Die eskalierende Wasserkrise in Jordanien bietet einen Ausblick auf die Herausforderungen, die sich in vielen Teilen der Welt als Folgen von Klimawandel, Bevölkerungswachstum, steigendem Wasserkonsum, Migration und grenzüberschreitenden Wassernutzungskonflikten abzeichnen“, sagt Steven Gorelick, Co-Autor der Studie und Forscher an der US-Universität Stanford. „Bedenkt man die einzigartige Rolle des Landes als Friedensbastion in der Region, sind diese Ergebnisse umso besorgniserregender“, sagt auch Jim Yoon, Wassersicherheitsforscher am Pacific Northwest National Laboratory in Richland.  

Wassermangel hat Einfluss auf Stabilität und Konfliktpotenzial

Tatsächlich ist Jordanien ein Stabilitätsanker in der oft unruhigen Region – und nun eine Blaupause für vom Klimawandel besonders betroffene Gebiete. „Die globale Wasserknappheit wird in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen“, sagte Johann Rockström, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, schon im vergangenen Jahr dem Tagesspiegel. 2,2 Milliarden Menschen fehlt laut den Vereinten Nationen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Versorgung mit Frischwasser wird wohl eine der schwierigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dass Wassermangel Einfluss Stabilität und Konfliktpotenziale hat, mahnen Experten immer wieder an.

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In diesem Jahr etwa erwartet das jordanische Wasserministerium einen „kritischen Sommer“. Es regnete in den vergangenen Monaten zu wenig, während die Pandemie den Verbrauch deutlich erhöhte. „Ohne Unterstützung bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten verfügt Jordanien nicht über die Ressourcen, um genug Wasser bereitzustellen“, sagte Omar Salameh, ein Sprecher des Wasserministeriums vor wenigen Wochen.

Dennoch sehen Forscher für Jordanien Möglichkeiten. So sei der effektivste Schritt, um das Angebot zu erhöhen, Wasser aus dem Roten Meer im Süden zu entsalzen und über weite Strecken ins Landesinnere zu führen, sagt Klassert. „Die Entsalzung wäre zwar sehr energieaufwändig und teuer. Sie ist aber zentral für die künftige Wasserversorgung in einem Land, dass schon unter hohem Energieaufwand 50 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr aus dem Jordantal in höher liegende Gebiete transportieren muss.“  

Wassertanks im Al-Zaatri-Flüchtlingslager nahe dem jordanischen Mafraq.
Wassertanks im Al-Zaatri-Flüchtlingslager nahe dem jordanischen Mafraq.

© Muhammad Hamed/ Reuters

„Eine gerechtere Verteilung würde Probleme entschärfen“  

Den Bedarf und die Möglichkeiten sehen auch deutsche Entwicklungshelfer. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist mit zwölf Projekten der Bundesregierung und der EU vor Ort vertreten, Gesamtvolumen 130 Millionen Euro. „Es zeigt sich, dass die Entsalzung von Meerwasser die einzige Möglichkeit ist, das Land auch künftig mit ausreichend Wasser zu versorgen“, teilt die GIZ auf Anfrage mit. Seit Juli 2020 berate man das jordanische Wasserministerium dabei, wie die Infrastruktur zur Entsalzung ausgebaut werden kann.

Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist mit 20 Projekten in einem Umfang von 600 Millionen Euro vor Ort, setzt unter anderem auf die Verbesserung der städtischen Versorgung und der größten Flüchtlingslager, die Senkung des Energiebedarfs und des Verbrauchs in der Landwirtschaft. „Die Grundwassernutzung in Jordanien ist seit Jahrzehnten nicht nachhaltig“, heißt es auf Anfrage. Aktuell übersteige die jährliche Entnahme von Grundwasser die erneuerbaren Ressourcen um mehr als das Doppelte.

Im Norden des Landes, wo besonders viele Flüchtlinge leben, hat sich der Bedarf besonders erhöht. Längst wird regional, im Aqip-Brunnenfeld, mehr Wasser gefördert. Die KfW setzt die Aqip-Pipeline instand, um den erhöhten Wasserbedarf zu decken. Durch die Leitung werden täglich rund 60.000 Kubikmeter Trinkwasser befördert. Das entspricht dem Bedarf von etwa 800.000 Menschen.

Umweltexperte Klassert verweist auf ein weiteres Problem. Bis zu einem Drittel des durch Leitungen transportierten Wassers gingen derzeit noch durch Leckagen verloren. Fehlerhafte Wasserzähler, illegale Entnahmen – oft wüssten die Behörden gar nicht, wie viel Wasser verlorengehe. Das Leitungswassernetz müsse dringend repariert, die öffentliche Wasserversorgung reformiert werden. Denn eine Erkenntnis der Studie ist: Die Wasserkrise hat eine soziale Komponente. Wer wenig hat, kann sich auch schlechter versorgen und Engpässe ausgleichen.

„Eine gerechtere Verteilung des Wassers zwischen den Haushalten würde bereits viele Probleme entschärfen“, sagt er. Die Aufgaben sind gewaltig. „Jordanien wird alle Register ziehen müssen – große technische Lösungen, verlustarme Versorgung und gerechtere Verteilung – damit es auf lange Sicht alle Haushalte ausreichend mit Wasser versorgen kann.“

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