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Panorama: Ein Name wie Karl-Heinz

Wären wir noch im Mittelalter, wäre die Sache einfacher. Ein Junge, geboren an einem 26.

Wären wir noch im Mittelalter, wäre die Sache einfacher. Ein Junge, geboren an einem 26. Oktober, hieße Amandus, Demetrius oder Sigibald, und damit Schluss. Aber weil das Mittelalter schon lange vorbei ist, schüttelt die Tennis-Nation jetzt irritiert den Kopf. So lange hat sie gewartet. Dann ohne jede Vorwarnung die Blitzhochzeit von Steffi Graf und Andre Agassi in Las Vegas - und jetzt dieser Name. Jaden Gil. "Steffi, was ist das für ein komischer Name?" titelte am Montag die Bild-Zeitung. Das klingt verdutzt und irgendwie beleidigt. Hatte doch die werdende Mutter Steffi Graf wenige Tage vor der Geburt ihres Sohnes noch per Agentur um "kreative Namensvorschläge" für den Sprössling gebeten. Man malte sich aus, was für Vorschläge dem Paar ins Haus flattern würden: Holger vielleicht, oder Paul, Kevin eventuell, als Reminiszenz an den amerikanischen Kindsvater. Aber Jaden? Gil? Was ist das denn?

Um diese Frage zu beantworten, machen in Deutschland jetzt die Reporter Jagd auf die Spezies der Namensforscher. Die Wissenschaft jedoch winkt angesichts der Aufregung gelassen ab. In den Vereinigten Staaten heißen sogar Mädchen Jaden. "Der Name ist gar nicht so ungewöhnlich", klärt Jürgen Udolph auf, Namensforscher an der Universität in Leipzig. Bei Jaden Gil handele es sich um einen Doppelnamen. Wie bei Karl-Heinz - das sagt er wirklich - müssten beide Namensteile einzeln analysiert werden. Und da zeigt sich: Das Tennis-Paar des Jahrhunderts hat seinem Sohn keinen poppigen Kunstnamen verpasst, sondern einen mit tief religiösem Hintergrund mit auf den Weg gegeben. Jaden ist im Fachjargon ein "Satzname", kommt von dem hebräischen Wort Jadon und heißt soviel wie "Gott waltet, Gott entscheidet". Nachzulesen im alten Testament unter Nehemir 3.7, empfiehlt Udolph. "Jadon", sagt er, "war vermutlich ein Aufseher über Bauleute". Das klingt nach viel Verantwortung. Gil passt da besser zu einem Baby. Die wahrscheinlichste Ursprungs-Variante dieses Namens: Ägidius. Darin steckt das griechische Wort "Ziegenfell", der Name bedeutet "Schutzschild". "Also bitten die Eltern um Schutz für ihr neugeborenes Kind", interpretiert Udolph.

Mit biblischen Namen liegt die Kleinfamilie Graf-Agassi voll im deutschen Trend. Seit ein paar Jahren schwimmen werdende Eltern auf der Retro-Welle, nennen ihre Söhne mit Begeisterung David, Daniel oder Jonas, rufen ihre Töchter Maria oder Sarah. Wobei sie meistens die eigentliche Bedeutung des Namens nicht kennen, mutmaßt Udolph. Wer weiß schon, dass Leah "die Wildkuh" heißt. Der ehemalige Tennisspieler Boris Becker hat seine beiden Söhne übrigens ebenfalls mit alt-testamentarischen Namen bedacht: Noah Gabriel und Elias.

Also kein Grund zur Aufregung. Steffi, "die Gekrönte", hat ihrem Sohn zwei seit Jahrhunderten bewährte Namen gegeben. Wäre der 2,5 Kilo schwere Knabe in Deutschland geboren, müsste die Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden das noch mit einem Gutachten bestätigen. Laut Sprachberater Gerhard Müller spricht da aber nichts dagegen. Jetzt gibt es bei Jaden Gil nur noch geringfügige Aussprach-Schwierigkeiten. "Dschedenn Gill", bietet die "Bild-Zeitung" ihren Lesern praktische Lebenshilfe. Professor Udolph sagt "Dschaidenn Dschill". Wir werden es lernen.

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