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Jubel nach dem Ende der Quarantäne. In Liberias Hauptstadt Monrovia feiern die Bewohner des Slums West Point, dass sie nach zehn Tagen Militärbewachung wieder frei sind. Einige missverstehen das jedoch als Beweis, dass es dort Ebola nicht mehr gibt.

© REUTERS

Ebola in Westafrika: Afrikas Wirtschaft in Panik

In Westafrika sind Handel und Landwirtschaft zum Erliegen gekommen. Ebola-Länder werden gemieden. Aber die Verdachtsfälle in Leipzig und Schweden haben sich als harmlos erwiesen.

Donald Kaberuka ist ein gefragter Gesprächspartner, wenn es darum geht, Afrika als Kontinent der wirtschaftlichen Chancen darzustellen. Doch derzeit ist der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank ziemlich verzweifelt. Vergangene Woche besuchte er die westafrikanischen Staaten Sierra Leone und Liberia. Örtliche Zeitungen zitieren ihn mit dem Ausruf: „Sie sehen doch, ich bin hier!“ Das sei doch Beweis genug, um zu begreifen, dass Ebola zwar eine tödliche Krankheit, aber kein Grund sei, das wirtschaftliche Leben zum Erliegen zu bringen. Kaberuka schloss sich den wiederholten Klagen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an, die internationale Fluggesellschaften bittet, ihre Flüge wieder aufzunehmen. Bisher vergeblich.

Der wirtschaftliche Schaden ist schon jetzt groß. Kaberuka spricht von einem um bis zu vier Prozentpunkten geringerem Wachstum als erwartet. Die öffentlichen Haushalte stünden unter starkem Kostendruck. „Umsätze sinken, der Außenhandel liegt am Boden, Märkte funktionieren nicht, Projekte werden abgesagt, Geschäftsleute haben das Land verlassen. Das ist alles sehr, sehr schädlich“, sagte Kaberuka bei seinem Besuch.

Felder liegen brach, Krankenhäuser werden aus Angst gemieden

In allen von Ebola betroffenen Ländern werden die Felder nicht bestellt, Bauernmärkte werden gemieden, der Handel über die Grenzen findet kaum noch statt. Und das gilt nicht nur für Regionen, die unter Quarantäne und im Fall von Sierra Leone und Liberia vom Militär bewacht werden oder wurden. In Liberia hat Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf am Wochenende eingesehen, dass es keinen Sinn hat, den West-Point-Slum mit rund 17 000 Einwohnern dauerhaft vom Rest der Stadt abzuriegeln. Es kam immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen. Ein 15-Jähriger wurde dabei getötet. Nach zehn Tagen dürfen sich die Bewohner des Armenviertels seit Samstag wieder frei in Monrovia bewegen. Tatsächlich haben sie das in ihrer Not auch vorher getan. Um Lebensmittel und Wasser aufzutreiben, haben alle, die es sich leisten konnten, Bestechungsgelder an die wachhabenden Polizisten und Soldaten gezahlt. Nach Einschätzung von Gesundheitsexperten ist das Virus ohnehin längst in der ganzen Stadt angekommen.

Donald Kaberuka, Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank. Der Ruander warnt vor großen wirtschaftlichen Schäden der Ebola-Krise.
Donald Kaberuka, Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank. Der Ruander warnt vor großen wirtschaftlichen Schäden der Ebola-Krise.

© AFP

In der Zeitung „Front Page Africa“ schildert ein Überlebender, wie er in einer Klinik behandelt worden ist. Zunächst habe er nicht wahrhaben wollen, dass er sich infiziert hatte. Doch dann wurde er zu schwach, um sich zu wehren. Das Essen sei ihnen in Plastik eingepackt zugeworfen worden. Immer wieder sei er zwischen toten Körpern wach geworden, berichtet der Mann.

Donald Kaberuka bemüht sich redlich, zu verhindern, dass in der Öffentlichkeit außerhalb Afrikas alle 55 Länder wieder zum Seuchenkontinent abgestempelt werden. Allerdings ist auch er damit nicht sonderlich erfolgreich. Im Kurznachrichtendienst Twitter kursiert ein Foto aus einer Kneipe in Südkoreas Hauptstadt Seoul. Da hängt ein handgeschriebenes Schild mit folgendem Text: „Wegen Ebola akzeptieren wir derzeit keine afrikanischen Gäste.“ Südkoreas Fluggesellschaft war die erste, die ihre Flüge nach Kenia einstellte, weil dort Passagiere aus Westafrika umsteigen.

Doch auch in Afrika sind mehr und mehr Panikreaktionen zu beobachten. So hat die nigerianische Polizei in Hotels Gäste aus Sierra Leone, Liberia und Guinea verhaftet, obwohl es keine Anzeigen gab, dass sie mit Ebola infiziert sein könnten.

In Nigeria sind Leute aus Ebola-Ländern verhaftet worden

Nigeria hatte vor wenigen Tagen noch geglaubt, das Problem im Griff zu haben. Nach sechs Ebola-Toten und damals 13 Fällen insgesamt, schien die Krise fast vorbei zu sein. Doch dann starb ein weiterer Arzt, diesmal nicht in Lagos, wohin ein Kranker aus Liberia die Krankheit eingeschleppt hatte, sondern in der Ölstadt Port Heartcourt. Derzeit sucht die Polizei nach Menschen, die Kontakt mit diesem Arzt hatten. Offenbar sind es viele.

Auch in Europa reicht derzeit die Herkunft aus, um vorsorglich den Seuchenfall auszurufen. So war das vor einiger Zeit in Berlin, und auch am Wochenende in Leipzig, wo ein Geschäftsmann mit Fieber aus Liberia zurückgekehrt war, aber offenbar nicht mit dem Ebola-Virus infiziert ist. Zumindest war der erste Test negativ. Auch ein Verdachtsfall in Stockholm erwies sich als harmlos.

In den von Ebola betroffenen Ländern sind nach WHO-Angaben mindestens 1552 Menschen daran gestorben. Doch inzwischen gibt es auch für viele behandelbare Krankheiten wie Malaria oder Durchfall keine medizinische Hilfe mehr. Joanee Liu, Präsidentin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, weist darauf hin, dass viele Krankenstationen aus Angst vor Ebola vom Personal geschlossen wurden, oder von den Patienten aus Angst vor Ansteckung gar nicht mehr besucht werden. Die Organisation betreibt in allen betroffenen Ländern Ebola-Behandlungszentren. „Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen“, schreibt Liu im „Time“-Magazin.

Erster Ebola-Fall im Senegal

Während sich der westafrikanische Staat Elfenbeinküste intensiv auf mögliche Ebola-Fälle vorbereitet, hat der Senegal einen ersten Ebola-Fall gemeldet. Es handele sich um einen jungen Mann, der aus Guinea eingereist sei, sagte Gesundheitsministerin Awa Marie Coll Seck. Er sei positiv auf das Virus getestet und sofort unter Quarantäne gestellt worden. Der Student habe in Guinea unter Beobachtung gestanden, sei dann aber verschwunden. Die dortigen Behörden hätten den Senegal gewarnt. Offenbar sind mehrere seiner Familienangehörigen bereits an Ebola gestorben. Senegal hat eine lange Grenze mit Guinea.

Die Elfenbeinküste grenzt zudem an Liberia. In beiden Ländern leben viele Flüchtlinge aus dem jeweils anderen Land. Die westafrikanischen Gesundheitsminister entschieden am Freitag angesichts der faktischen Unmöglichkeit, die Grenzen zu kontrollieren, die zeitweilige Schließung derselben wieder aufzuheben. In Sierra Leone sind derweil Ärzte und Krankenpfleger in den Streik getreten, weil sie nicht mehr bezahlt worden sind und außerdem nicht genug Schutzmaterial haben, um sich selbst vor Ansteckungen zu schützen.

In Nigeria, wohin ein Kranker aus Liberia das Virus eingschleppt hatte, sind die 16 000 Ärzte an öffentlichen Krankenhäusern wieder eingestellt worden. Ende Juli, als Ebola nach Lagos kam, hatten die Ärzte gestreikt. Daraufhin hatte Präsident Goodluck Jonathan angeordnet, sie alle zu entlassen. Inzwischen ist der Streik beendet und nach schwierigen Verhandlungen wurden die Ärzte zurückgeholt. Obwohl Nigeria nur 16 Ebola-Fälle zu beklagen hat, hat die Regierung entschieden, die Schulen bis Ende Oktober geschlossen zu halten.

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