zum Hauptinhalt
Ansturm. Zehntausende betaunten die Anlage in Schanghai bereits – und machten natürlich Schnappschüsse.

© dpa

Disneyland in Schanghai: Im Reich der Massen

In Schanghai eröffnet am Donnerstag das weltweit sechste Disneyland, das Interesse ist riesig. Unpatriotisch findet das nur ein Konkurrent. Vielen Chinesen ist das Spektakel einfach zu teuer.

Im neuen Disneyland Schanghai warten schwierige Entscheidungen auf die Besucher. „In einer äußerst kurzen Phase des Irrsinns stellte ich mich in die Schlange für die Tron-Lichtzyklus-Achterbahn, obwohl mir zuvor gesagt worden war, dass die Wartezeit drei Stunden beträgt“, berichtet der US-Amerikaner John Pasden auf seinem Blog „Sinosplice“, „als ich dann erfahren habe, dass sich die tatsächliche Wartezeit auf vier Stunden beläuft, bin ich umgekehrt und habe ich mich zu meiner Familie gesellt – um mit ihr nur knappe zwei Stunden auf Peter Pan zu warten.“

Eigentlich hat John Pasden der neue Freizeitpark gefallen, doch die Menschenmassen waren ihm doch zu viel. 30.000 Menschen habe er bei der Probeeröffnung erlebt, im regulären Betrieb aber würden 60.000 Besucher erwartet, glaubt er. Pro Tag. „Würde ich wiederkommen?“, schreibt der Familienvater. „Niemals!“

Warteschlangen? Kein Problem

Trotzdem werden sehr, sehr, sehr viele Menschen kommen, wenn das Disneyland Schanghai ab 16. Juni seine Tore offiziell öffnen wird. Lange haben die Chinesen auf die Eröffnung des ersten Disneyland-Parks auf dem Festland gewartet, außerdem ist ein Volk mit 1,3 Milliarden Menschen Warteschlangen gewöhnt. Tatsächlich verkauften sich alle Eintrittskarten für den ersten Tag innerhalb von fünf Minuten. Inzwischen sind auch für die ersten beiden Wochen keine Karten und in den beiden Hotels auf dem Gelände keine Zimmer mehr zu haben.

Es ist der sechste Disneypark weltweit, in Asien kann man noch in Tokio und Hongkong die Figuren Walt Disneys erleben. 5,5 Milliarden Dollar kostete der neue Freizeitpark.

Selfie mit Micky Maus
Selfie mit Micky Maus

© dpa

Die Vorfreude in Festland-China ist riesig – im Gegensatz zum Disneyland in Hongkong, das im April Dutzende Mitarbeiter entlassen musste. In Schanghai aber drängelten sich unlängst Medienberichten zufolge bereits 90.000 Menschen auf der Restaurant- und Geschäftspromenade, obwohl das Disneyland noch geschlossen war. Festland-China kann sich offenbar für die US-Kultur begeistern – und das obwohl diese Vorfreude zuletzt von einem sehr prominenten chinesischen Geschäftsmann als unpatriotisch gebrandmarkt worden war. In China würden die Menschen nicht einfach blind hinter Micky Maus und Donald Duck herlaufen, hatte Wang Jianlin im chinesischen Staatsfernsehen behauptet.

Und weiter: „Disneyland ist völlig auf amerikanischer Kultur aufgebaut, wir legen Wert auf unsere eigene Kultur.“ Der 61 Jahre alte Multimillionär ist der reichste Mann Chinas und liegt auf der Forbes-Liste 2015 der weltweit reichsten Menschen auf Platz 29. Sein Geld machte er mit der Wanda-Gruppe, einem Freizeit- und Entertainmentkonzern. Inzwischen gehört ihm auch die US-amerikanische Kinokette AMC-Entertainment, in Europa besitzt er unter anderem den Sportvermarkter Infront und 20 Prozent des Fußballklubs Atletico Madrid. In den vergangenen Jahren fiel er durch besonders obrigkeitskonforme Geschäftsinteressen auf.

Kampfansage an Disney

Mit der Förderung des chinesischen Fußballs und der chinesischen Kultur setzt er politische Forderungen des Staatspräsidenten Xi Jinping in die Tat um. Ende Mai eröffnete Wang Jianlin in der Millionenstadt Nanchang seinen eigenen Freizeitpark „Wanda City“. Er kostet rund drei Milliarden Dollar und ist eine Kampfansage an Disneyland. In den nächsten Jahren sollen 15 bis 20 weitere dieser Parks folgen. „Ein Tiger“, damit meint der Milliardär das Disneyland Schanghai, „hat gegen ein Rudel Wölfe keine Chance.“ Kurioserweise sichteten Besucher in „Wanda City“ schon sehr bald zwei unpatriotische Figuren: Schneewittchen und Captain America stammen beide aus dem Hause Disney, die US-Amerikaner denken daher Medienberichten zufolge bereits über eine Klage nach.

Bis zu 18 Millionen Besucher

Unpatriotisch aber finden die Chinesen das neue Disneyland nicht. Aber zu teuer. Getränke und Essen kosten bis zu fünfmal mehr als regulär. Mit umgerechnet 67 Euro für Hochsaisontickets und 50 Euro an normalen Tagen sind auch die Eintrittspreise für chinesische Verhältnisse hoch. „Das gibt es nur, damit die niedrigsten Ränge der Gesellschaft davon abgebracht werden, den Park zu besuchen und dein Erlebnis zu ruinieren“, schreibt ein Internetbenutzer ironisch. Ein anderer antwortet auf die Beschwerden: „Niemand sagt dir, dass du dahin gehen musst, wenn du glaubst, dass es zu teuer ist, bleib einfach zu Hause.“

In fünf Jahren sollen bis zu 18 Millionen Menschen pro Jahr den neuen Park besuchen. Immerhin wohnen 330 Millionen Menschen innerhalb einer dreistündigen Auto- oder Zugfahrt entfernt. An der Erfahrung eines chinesischen Internetnutzers, der den Freizeitpark in der Testphase besucht hatte, dürfte sich also so schnell nichts ändern. „Es war alles so teuer und es waren so viele Menschen“, erinnert sich der Chinese und schreibt: „Es gibt einfach viel zu viele Reiche heutzutage.“ Zumindest mit dieser Schlussfolgerung könnte sich wohl auch der patriotische Wang Jianlin anfreunden.

Zur Startseite