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Jeanne Claude

© dpa

Die Kunst des Anderen: Nachruf auf Jeanne-Claude

Gemeinsam mit ihrem Mann Christo verhüllte sie den Reichstag und andere Gebäude. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die Künstlerin Jeanne-Claude im Alter von 74 Jahren gestorben ist. Bis dahin galt das Paar als unzertrennlich.

Wenn von Künstlerpaaren gesprochen wird, dann kommt immer als erstes die Rede auf Christo & Jeanne-Claude. Sie waren die perfekte Kombination aus kreativem Geist und Vermarktung. Christo produzierte die Ideen, zeichnete die Entwürfe, malte die Werke, in die später Fotografien und das verwendete Material ihrer Kunstaktionen appliziert wurde. Seine Partnerin Jeanne-Claude organisierte das Event, dirigierte das Heer an Helfern bei der Umsetzung ihrer gigantischen Auftritte im öffentlichen Raum und sorgte hinterher für Vertrieb und Verbreitung des Bildmaterials.

Schon immer haben sich Beobachter des erstaunlichen Gespanns gefragt, das Millionen von Menschen beglückende Großprojekte wie die Verhüllung des Reichstags in Berlin (1995) oder „The Gates“ mit 1800 verhängten „Toren“ auf den Wegen des New Yorker Central Parks (2004) realisierte, was wohl sein würde, wenn es einen von beiden nicht mehr gäbe. Sie haben dieser Möglichkeit selbst gelassen entgegen gesehen. Grundsätzlich flogen sie getrennt. Ihr Credo lautete: Die Arbeit geht weiter.

Doch nun ist Jeanne-Claude im Alter von 74 Jahren an einer Gehirnblutung gestorben. Und Christo ließ mit der Bekanntgabe des überraschenden Todes seiner Partnerin sofort mitteilen, dass „Over The River“, ihr Projekt für den Arkansas Fluss in Colorado, und „The Mastaba“ in den Vereinigten Emiraten trotzdem fortgeführt werde. Das Phänomen Christo & Jeanne-Claude besteht selbst über diese letzte Grenze hinweg fort.

Diese Unverbrüchlichkeit mag auch damit zusammenhängen, dass beide am gleichen Tag, wie es heißt, in der gleichen Stunde geboren wurden. Die Tochter aus militärischem Adel kam 1935 in Casablanca zur Welt und wuchs in Frankreich und der Schweiz auf. Den bulgarischen Kunststudenten lernte Jeanne-Claude Denat de Guillebon 1958 in Paris kennen. Zwei Jahre später wurde ihr Sohn Cyril geboren, der heute als Dichter publiziert. Das Jahr, in dem sich das Paar begegnet, ist auch der Start von Christos künstlerischer Karriere; seine ersten verpackten Objekte entstehen. 1961 beginnt er den öffentlichen Raum zu erobern, indem er temporär in einer Pariser Häuserschlucht eine Mauer aus alten Ölfässern errichtet.

Eine Beteiligung von Jeanne-Claude am Frühwerk dürfte es kaum gegeben haben. Und doch besteht das Paar seit 1994 darauf, dass es Christo ohne Jeanne-Claude nicht gibt, auch nicht in der Rückschau. Als die Berliner Akademie der Künste ihm allein die Mitgliedschaft anträgt, lehnt er ab; als die Neue Nationalgalerie nur Christo namentlich im Ausstellungstitel zulassen will, zieht er sich zurück. 2001 präsentiert stattdessen der Martin-Gropius-Bau die große Retrospektive, die auch als spätes Dankeschön für die Gabe gilt, die Christo & Jeanne-Claude der Stadt fünf Jahre zuvor mit der Verhüllung des Reichstags gemacht haben. Sie schenkten Berlin einen magischen Moment, in dem sich Politik, Kunst und Leben die Waage hielten. Danach wurde der Reichstag durch Norman Foster umgebaut. Aber die Erinnerung an das geheimnisvoll in seiner silbrig-matten Verpackung changierende Monument, das Festgefühl rundum bleibt unvergessen.

Über 40 Jahre hatte das Paar dieses Projekt verfolgt, angefangen mit einer Postkarte, die der in Berlin lebende Amerikaner Michael Cullen 1971 ihnen als Anregung geschickt hatte. So lange dauerte es, bis der richtige Moment abgepasst war, alle Genehmigungen eingeholt, die Mittel zur Selbstfinanzierung beschafft waren. Gerade diese enorme Langfristigkeit zeichnet sämtliche Projekte des Paares aus, das ohne öffentliche Zuschüsse arbeitet und alles durch Marketing verdiente Geld sofort ins nächste Vorhaben steckt. Darin liegt auch das besondere Verdienst von Jeanne-Claude, ohne die es keinen Großkünstler Christo gäbe, keinen „Running Fence“ durch die kalifornische Landschaft (1976), keinen verpackten Pont Neuf in Paris (1985), keine „Umbrellas“ in Japan (1991).

Die Auseinandersetzungen um Jeanne- Claudes Anteil gehen am Kern ihres gemeinsamen Schaffens vorbei. Freimütig hat das Duo immer erklärt, dass Christo für den künstlerischen Part zuständig sei und Jeanne-Claude den Rest organisiere. Wer dies gering schätzt, mit dem Eventcharakter ihrer Projekte hadert, hat die Botschaft des Paares nicht verstanden, das den Menschen für wenige Tage, manchmal nur für Stunden ein Glückserlebnis schenken will. Sie selbst lieferten das Modell einer seltenen künstlerischen Partnerschaft, in der einer der Ermöglicher des Anderen war.

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